Surfwelle: In Heilbronn ein Traum, in Rotterdam bald Realität
Die Stadt in den Niederlanden hat bald eine Attraktion, von der man in Heilbronn und Stuttgart noch weit entfernt ist: eine Surfwelle. Zu verdanken ist das der Hartnäckigkeit eines Surfers. In Heilbronn macht sich ein bekannter Gastronom weiterhin Hoffnungen.

Eigentlich stünde er jetzt lieber in Biarritz auf dem Surfbrett, dachte sich Edwin van Viegen als er vor neun Jahren seine Mittagspause an einem kleinen Kanal in Rotterdams Zentrum verbrachte. "Aber meine Freundin wollte nicht nach Frankreich ziehen", erzählt er und lacht. Da sei ihm die Idee gekommen, in seiner Heimatstadt eine Surfwelle zu bauen.
Zehn Jahre später ist Edwin van Viegen fast am Ziel. Rif 010 heißt das Projekt, das der niederländischen Metropole bis zum Frühsommer 2024 eine öffentliche Surfwelle bescheren soll - mitten im Zentrum an der Steigersgracht, die ikonische Markthalle in Sichtweite.
Mehrheit der Rotterdamer stimmte für die Surf-Welle
Am Anfang des Prozesses hatte die Stadt die über Zwölfjährigen unter den rund 600.000 Einwohnern aufgefordert, über sechs verschiedene Ideen zur Entwicklung von Rotterdam zu entscheiden. Die Mehrheit stimmte für die Welle - so gab es von der Stadt eine Anschubfinanzierung von drei Millionen Euro, die Gesamtkosten werden sich auf über zehn Millionen belaufen.
Er habe sich zunächst nicht vorstellen können, wie schwierig es sein würde, alle Genehmigungen zu bekommen und die Anwohner zu überzeugen, sagt van Viegen. Jetzt sind er und sein Team beinahe am Ziel. Ab nächstem Jahr werden also Wellen durch die Gracht rollen, eineinhalb Meter hoch, alle sieben Sekunden, für Kinder oder Anfänger kann die Maschine kleinere Wellen produzieren.
Das Wasser wird gereinigt, so sind auch Tauchkurse möglich

Das Wasser des Flusses Rotte wird in dem abgeschlossenen Becken gereinigt, so dass es auch möglich sein wird, an der Stelle Tauchkurse anzubieten. Kanufahren und Exkursionen mit dem Stand-up-Paddelboard gehören ebenfalls zum Repertoire. Es wird einen Verleih für Zubehör eines bekannten Wassersport-Anbieters geben, eine Umkleide und ein Surf-Café mit Panorama-Terrasse.
Wenn alles gut läuft, geht das Projekt Ende 2023 in den Probebetrieb, der schwierigste Teil der Arbeit sei erledigt, sagt Van Viegen.
In Heilbronn ist das Projekt noch nicht über die Phase der Idee hinaus
In Heilbronn, wo eine Gruppe um den Gastronomen Thomas Aurich das Thema Brettsurfen auf dem Neckar ebenfalls platziert hatte, ist man noch weit von konkreten Schritten entfernt. "Das sind sehr lange Wege, und der Geldgeber fehlt", sagt Aurich. Aufgeben will er jedoch nicht so schnell.
Als Schnittstelle zwischen Neckarmeile und Campus wäre eine Neckarwelle ideal, findet er. "Das könnte ein ganz wunderbarer Mittelpunkt sein und wäre eine Bereicherung für Heilbronn." Man müsse den jungen Menschen, die zum Studieren in die Stadt kommen, schließlich ein Freizeitangebot machen: "Ich kann nicht nur sagen, ich will Hochschul- oder Uni-Stadt sein, wir brauchen parallel eine Evolution der Freizeit-Infrastruktur", so Aurich. Es müsse gelingen, die jungen Menschen langfristig an Heilbronn zu binden, man brauche sie schließlich auch als Arbeitskräfte.
Stuttgart streitet über die Frage, ob die Wasserqualität des Neckars ausreicht

Thomas Aurich hofft darauf, dass er weitere Akteure der Stadtgesellschaft für seine Idee gewinnen kann - zum Beispiel mit Exkursionen in Städte, die bereits eine Surfwelle haben. Auch in Sachen Markthalle habe dieses Vorgehen gefruchtet, findet er, auch wenn der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. "Alles braucht Zeit, aber wir arbeiten daran."
In Stuttgart hatte sich der Verein Neckarwelle vor einigen Jahren ebenfalls für eine Surfwelle stark gemacht, um "den Neckar noch mehr für die Freizeitnutzung zugänglich zu machen", wie ein Vereinsmitglied, das seinen Namen nicht öffentlich machen will, unserer Redaktion sagt. Allerdings sei man damals "heftig gestoppt" worden. Nun hofft Neckarwelle e.V. darauf, mit einem veränderten Projektantrag an alter Stelle, einem Seitenarm des Neckars in Stuttgart-Untertürkheim, mehr Erfolg zu haben. Allerdings gebe es immer noch unterschiedliche Auffassungen zwischen Verwaltung und Praktikern darüber, ob die Wasserqualität des Flusses Surfen zulasse. Ganz nachvollziehbar sei das nicht, so der Vereinsvertreter. Schließlich seien in unmittelbarer Nähe, auf dem Neckar in Esslingen, Surfen hinter dem Motorboot und Wasserskifahren erlaubt.
Schulkinder sollen hier dank einer Stiftung zu ermäßigten Preise das Surfen lernen
Edwin van Viegen und sein Team haben solche Bedenken aus dem Weg geräumt. Das Surf-Erlebnis werde für alle zugänglich, sagt er - nicht nur für diejenigen, die es sich leisten könnten, ihre Urlaube am Meer zu verbringen. Nach den Plänen sollen Kinder im Schuluntericht hier kostengünstig das Surfen lernen, außerdem hofft man darauf, dass Profis den Platz "als perfekte Trainingsumgebung entdecken". Bis zu 150.000 zahlende Gäste sollen pro Jahr angezogen werden und Rotterdam damit eine weitere Attraktion bekommen.
"RiF010 wird es möglich machen, dass die Stadt zu einer internationalen Surf-Destination wird", heißt es optimistisch im Projekt-Flyer. Edwin van Viegen freut sich, dass er künftig in seiner Mittagspause auf dem Brett stehen kann, statt nur am Ufer zu sitzen.
Rotterdam wächst - und damit der Bedarf nach mehr Freizeitflächen
Rotterdam wächst. Damit steigt die Nachfrage nach Wohnraum, Mobilitätsangeboten und Erholungsräumen. Gleichzeitig gilt es, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen - etwa Hitzeperioden und der Gefahr von Überschwemmungen, die in der Hafenmetropole besonders groß ist. Die Stadt geht das unter anderem mit ihren "City projects" an. Ein Element dabei: der veränderte Umgang mit Wasser. Statt Wasser zu bekämpfen und es möglichst schnell aus der Stadt herauszuleiten wie das früher der Fall war, wird es heute gespeichert und genutzt. In Hitzeperioden dient das Wasser so zur natürlichen Kühlung.
Auch für Freizeitzwecke soll Wasser besser zugänglich werden, zum Beispiel im Rijnhaven, wo aktuell ein großer Park für die Bevölkerung auf dem und um das Wasser entsteht.