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Neunjährige Gefängnisstrafe
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Heilbronner Raser-Prozess: Wie der Richter das Mordurteil begründet

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Der Angeklagte im Raser-Prozess muss für neun Jahre ins Gefängnis – unter anderem wegen Mordes. Wie der Richter sein Urteil begründet und was die Verteidiger nun planen.

Rund acht Monate nach Eröffnung der Hauptverhandlung wurde am Montag das Urteil im Heilbronner Raser-Prozess mit Spannung erwartet.
Rund acht Monate nach Eröffnung der Hauptverhandlung wurde am Montag das Urteil im Heilbronner Raser-Prozess mit Spannung erwartet.  Foto: Seidel, Ralf

Im sogenannten Raser-Prozess hat das Landgericht Heilbronn den 21 Jahre alten Angeklagten unter anderem wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren verurteilt.

In seiner Urteilsbegründung erläuterte Richter Alexander Lobmüller, dass der Beschuldigte aus Sicht der zweiten Großen Jugendkammer am 12. Februar 2023 in der Heilbronner Wollhausstraße mit bedingtem Tötungsvorsatz sein Fahrzeug auf mehr 100 Stundenkilometer beschleunigte. Der Beschuldigte krachte auf ein Fahrzeug einer Familie, die gerade aus einer Tiefgaragenausfahrt fuhr.


Der Familienvater starb, die Ehefrau und die beiden Kinder wurden zum Teil schwer verletzt. Die Verteidiger Anke Stiefel-Bechdolf und Stefan Lay kündigten unmittelbar nach dem Urteilsspruch Revision an.

Achtmonatige Verhandlung: Urteil im Heilbronner Raser-Prozess mit mit Spannung erwartet

Nach rund achtmonatiger Verhandlung war das Urteil im sogenannten Raser-Prozess mit Spannung erwartet worden. Unklar war bis zuletzt, ob am 24. Verhandlungstag das Urteil überhaupt gesprochen werden würde. In ihren Plädoyers hatten die Anwälte des Angeklagten am vorangegangenen Prozesstag zwei weitere Hilfsanträge gestellt, die die Kammer aber als für die Urteilsfindung unbedeutend gewertet und damit abgelehnt hat.

"Der Angeklagte wollte keinen tödlichen Unfall verursachen", sagte Lobmüller. Aber er habe eben auch nicht darauf vertrauen können, dass es zu keinem Unfall kommen würde. Immerhin habe der Beschuldigte vom Einbiegen von der Allee in die Wollhausstraße bis zum Unfall auf Höhe der ersten Tiefgaragenausfahrt seinen mehr als 300 PS-starken BMW maximal auf nahezu 108 Stundenkilometer beschleunigt. "Er drückte das Gaspedal bis zum Bodenblech durch", sagte Lobmüller.

Von seinem Vorhaben, "die Wollhausstraße mit höchstmöglicher Geschwindigkeit zu befahren", habe ihn auch nicht abgebracht, dass er wenige Meter vor dem Unfall bereits mit rund 80 Stundenkilometern beinahe eine Fußgängerin auf einem Zebrastreifen überfahren hätte. Nur weil sie ab der Mitte der Straße zu rennen begann, habe der Angeklagte die Frau mit durchgedrücktem Gaspedal um nur rund einen Meter verfehlt.

Angeklagter im Heilbronner Rasen-Prozess mehrfach auffällig: Belehrungen, Kurse und Schulungen haben nicht geholfen

Auf der Wollhausstraße gilt eine Tempobeschränkung von 40 Stundenkilometern. Mehrere Straßen kreuzen. Es gibt auf der nahezu schnurgeraden Strecke außerdem mehrere Tiefgaragen- und Hofausfahrten. Diese Ausfahrten sind aufgrund von parkenden Fahrzeugen am Straßenrand auch nur spät einsehbar. Die Straße befindet sich mitten in der Stadt. Mit Verkehr müsse man an einem Sonntagnachmittag rechnen.

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Darüber hinaus habe der Beschuldigte aus vorangegangenen Unfällen schließen können, dass er Kollisionen nicht verhindern kann. Und mehrere Belehrungen, Kurse und Schulungen hätten bei dem mehrfach auffälligen Fahrer auch nicht geholfen. "Er will es einfach nicht verstehen", sagte Alexander Lobmüller.

Heilbronner Raser-Prozess: Opfer waren dem Angriff hilflos ausgeliefert

So beschleunigte der Angeklagte sein Fahrzeug auf das Zweieinhalbfache der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Der damals 20-Jährige habe damit einen bedingten Gefährdungsvorsatz gefasst. Darüber hinaus hätten weder er noch die Opferfamilie eine Chance gehabt, den Unfall zu verhindern, als sie sich sehen konnten. Die Familie war demnach arglos und damit dem Angriff vollkommen hilflos ausgesetzt. Damit sei das juristische Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt, so der Vorsitzende Richter.

Christoph Troßbach, der Anwalt der Frau des Opfers, die im Raserprozess als Nebenklägerin auftrat, hofft, dass von dem Urteil Signalwirkung ausgeht. "Solche Taten sind keine bloßen Unfälle sondern Mord. Ich hoffe, dass sich das in der Raserszene herumspricht", unterstreicht Troßbach.

Heilbronner Raser-Prozess: Urteil nach Jugendstrafrecht

Bei der Strafzumessung im Raser-Prozess vor dem Heilbronner Landgericht hat die zweite Große Jugendstrafkammer Jugendstrafrecht angewandt. Wie der Vorsitzende Richter Alexander Lobmüller am Montag betonte, habe die Kammer dabei weder "den lückenhaften Bericht der Jugendgerichtshilfe" noch die Ausführungen des Tübinger Kinderpsychiaters Professor Michael Günter "kritiklos übernommen". Die Kammer sei selbst zu der Auffassung gelangt, dass der Angeklagte reifeverzögert sei. Heranwachsende zwischen 18 und 20 Jahren können nach Jugendstrafrecht beurteilt werden, wenn die Richter der Auffassung sind, dass noch Entwicklungskräfte wirken.

 

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