Verbot des Heilbronner Straßenstrichs: Im Milieu regiert brutale Gewalt
Zuhälter und Prostituierte zweier verfeindeter Gruppierungen prügeln in der Hafenstraße aufeinander ein. Jetzt werden Details, die zum Verbot des Straßenstrichs führten, bekannt.

Die Allgemeinverfügung der Stadt Heilbronn offenbart, wie brutal es in den zurückliegenden Wochen und Monaten auf dem Strich in der Hafenstraße tatsächlich zuging. Seit Jahresbeginn zählt das Polizeipräsidium Heilbronn dort 46 "polizeilich relevante Ereignisse" bis Ende August.
Zwei bulgarische Großfamilien, die sich seit Langem das Geschäft dort aufteilen, lieferten sich zunehmend brutale Schlägereien. Sie griffen zu Messern, Waffen und Baseballschlägern. Mittendrin die Prostituierten. Einige wurden Opfer. Andere scheuten sich nicht, Frauen, die für die jeweils andere Familie auf den Strich ging, heftig zu attackieren.
Die gegenseitigen Prügeleien und gefährlichen Körperverletzungen beschränkten sich nicht auf den Tatort Hafenstraße. In der Sülmer City beispielsweise oder auf der Straße beim Europaplatz wurden Passanten Zeugen der eskalierenden Gewalt.
Holzlatte mit Nägeln eingesetzt
Zwischen den beiden Gruppierungen kommt es seit Wochen zu gegenseitigen Abwerbeversuchen von Prostituierten. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen werden gefährliche Waffen wie Holzlatten mit Nägeln eingesetzt, heißt es in der Begründung der Allgemeinverfügung. Diese ist inhaltlich mit der Polizei abgestimmt, sagt Daniel Fessler, Sprecher des Heilbronner Präsidiums.
Laut Allgemeinverfügung sei beispielsweise am 27. Februar eine Prostituierte auf der Straße von zwei Konkurrentinnen geschlagen, mit Pfefferspray eingesprüht und an den Haaren auf die Straße gezogen worden. Dort fiel sie zu Boden, wurde getreten und mit Gürteln geschlagen.
Zeitgleich sei es unweit dieses Tatorts zu einer Schlägerei zwischen den verfeindeten Zuhältern gekommen, bei der unter anderem ein Baseballschläger eingesetzt wurde. Zwei Zuhälter erlitten Kopfplatzwunden und wurden ärztlich versorgt.
Mit Eisenstange den anderen bedroht
Anfang März soll ein Zuhälter im Bereich des Europaplatzes in seinem Auto unterwegs gewesen sein. Zwei andere Zuhälter setzten sich mit ihren Wagen rechts und links neben ihn, rammten dessen Auto und zwangen ihn so zum Anhalten. Einer der Männer stieg aus und bedrohte den anderen mit einer Eisenstange.
Im August soll es Streit wegen der Aufteilung der Hafenstraße gegeben haben. Ein Zuhälter drohte einer Prostituierten, sie totzuschlagen. Am Folgetag griffen zwei Frauen des anderen Lagers die Prostituierte an und traten auf die am Boden Liegende ein.
Frau mit säureartiger Flüssigkeit verätzt
Ein paar Tage später schlugen die verfeindeten Gruppierungen in der Sülmerstraße aufeinander ein. Ein Messer wurde gezogen. "Diese kriminellen Aktivitäten beeinträchtigen massiv das Sicherheitsempfinden der Allgemeinheit und sorgen gerade in der City für eine Verstärkung der latent vorhandenen Kriminalitätsfurcht", heißt es dazu in der Verfügung der Stadt zum Verbot der Straßenprostitution. Weiter kam es zu Raubdelikten, bei denen zwei Freier verletzt wurden.
Die Skrupellosigkeit der Akteure im Milieu zeigt der Fall einer Prostituierten, die nach Angaben der Polizei aussteigen und in ihr Heimatland zurückkehren wollte. "Zur Strafe" sei sie von ihren Zuhältern festgehalten und am Oberkörper mit einer säureartigen Flüssigkeit verätzt worden.
Keine ausreichenden Gründe für Untersuchungshaft
Die Ermittlungen und Strafverfahren laufen. Trotz der massiven und anhaltenden Gewalt, befindet sich kein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft, teilt Polizeisprecher Fessler auf Anfrage mit. Dafür reichten die Haftgründe nicht aus. Untersuchungshaft wird etwa bei Flucht- oder Verdunklungsgefahr verhängt. Selbst wenn sich jemand beispielsweise nach Bulgarien absetzen würde, seien die Anschriften bekannt und es bestehe ein Auslieferungsabkommen zwischen den Ländern.
Um die zurückliegenden Ermittlungen der Polizei in diesen Fällen der organisierten Kriminalität nicht zu gefährden, wurden die Vorkommnisse nicht publik gemacht, erklärt Fessler. Die Polizei müsse stets abwägen zwischen ihrer Aufgabe der Strafabwehr und dem Informieren der Öffentlichkeit.
Wer das Verbot umgeht, soll zahlen
Das von der Stadt per Allgemeinverfügung erlassene Verbot der Straßenprostitution gilt seit Mittwoch (14. August). Nach Angaben von Polizeisprecher Daniel Fessler scheinen sich die Prostituierten an die Bestimmung zu halten. Bei Kontrollen in der Nach auf Mittwoch sei die Straße nach Mitternacht wie ausgestorben gewesen, sagt Fessler. Die Polizei wird die Einhaltung des Verbots weiter kontrollieren. Es endet am 13. Dezember. Wer gegen das Verbot verstößt, dem drohen Strafen zwischen 500 und 1000 Euro.
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