Stimme+
Stimme-Wahlcheck zur Halbzeitbilanz
Lesezeichen setzen Merken

Grünen-Chefin Ricarda Lang betont die neue Harmonie der Ampel-Regierung

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Die Hälfte der Legislaturperiode für die Ampel ist rum. Deshalb hat die Stimme Spitzenpolitiker nach Heilbronn eingeladen. Zum Auftakt stellte sich Ricarda Lang den Fragen von Chefredakteur Uwe Ralf Heer.

Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang im Gespräch mit Moderator Uwe Ralf Heer.
Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang im Gespräch mit Moderator Uwe Ralf Heer.  Foto: Berger, Mario

Wer macht in der Ampel-Koalition den schlechtesten Job? Diese Frage gibt Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer zur Abstimmung ans Publikum. Für die Zuschauer im Forum des Bildungscampus ist die Antwort klar: Es ist die FDP.

Eine Steilvorlage für Ricarda Lang, die als erste zu Gast bei den Stimme-Wahlchecks zur Halbzeit der Ampel-Koalition ist. "Ich könnte jetzt sagen, dass wir ein Tempolimit brauchen." Genau das sei in der Vergangenheit aber das Problem gewesen, zumindest ein bisschen. "Ich höre dauernd, ihr streitet zu viel in Berlin", erzählt Lang. Dabei sei streiten wichtig, solange man sich irgendwann einigt. "Der Kompromiss ist das Lebenselement der demokratischen Politik."

 

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

Streit und Kompromisse seien aber in Verruf geraten. Schnell heiße es, die Grünen hätten sich verkauft. Dabei sei das doch klar, findet Lang: "Wenn ich mich in einer Koalition einige, wird das nicht immer das grüne Wahlprogramm sein." Den Bürgern sei ohnehin nicht wichtig, ob SPD, Grüne oder FDP sich durchgesetzt hätten. "Die fragen: Was bedeutet das für mich?"

Lang: Beim Heizungsgesetz hat die Ampel-Koalition Fehler gemacht

Rund 90 Minuten lang stellt sich die 29-Jährige aus Nürtingen den Fragen von Moderator Uwe Ralf Heer. Mal überlegt, mal schlagfertig führt die Grünen-Politikerin im grünen Kleid durch aktuelle Probleme in Deutschland und der Welt.

 


Der Ampel-Regierung bescheinigt Lang wichtige Erfolge. So sei der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Schiene und auch mancher Straßenbauprojekte massiv beschleunigt worden. "An vielen Stellen ist das, was wir machen, ein Entfesselungsprogramm." Für Lang, die sich auch für weitere zwei Jahre als Parteichefin beworben hat, kann es gerne so weitergehen. "Wir haben noch viel vor."

Natürlich habe die Koalition auch Fehler gemacht, räumt Lang ein, etwa beim Gebäudeenergiegesetz. Dass lange nicht bekannt war, wie der Einbau neuer Heizungen gefördert werden soll, sei ein Problem gewesen. "Die soziale Frage hätte von Anfang an klar sein müssen."

Senkung des Strompreises geht ganz Deutschland an

Als nächstes sei ein Industriestrompreis in Arbeit, den Lang aber an drei Bedingungen knüpfen möchte. Erhalten sollen ihn Firmen, die dem Standort Deutschland treu bleiben, sich an Tarifverträge halten und einen Transformationsplan vorlegen. "Wenn wir staatliches Geld ausgeben, dann muss das im Sinne des Gemeinwesens sein."

 


Mehr zum Thema

Weitere Fotos von der Demonstration in Heilbronn zeigen wir in dieser Galerie.
Stimme+
Grünen-Politikerin in Heilbronn
Lesezeichen setzen

Ricarda Lang beim Stimme-Wahlcheck: Kleine Gegendemo mit Megafon und Trillerpfeifen


Dass sie einmal für Stromsubventionen eintreten werde, hätte sie vor ein paar Jahren nicht gedacht, scherzt sie. Sie seien jedoch wichtig, weil von großen Unternehmen viele Zulieferer abhängen. "Wenn diese Industrie Deutschland verlässt, ist das nicht nur ein wirtschaftliches Problem für ein paar Unternehmen, sondern für uns alle."

Für Investitionen will Lang an die Schuldenbremse ran, selbst wenn sie weiß, dass das mit der FDP nicht zu machen ist. Da ist es dann doch kurz vorbei mit der neuen Harmonie. "Wir haben als Generation Riesenaufgaben." Schulen und Schienennetze könnten nicht mit "finanziellen Spielräumen der 90er" saniert werden. "Mir hilft es wenig, wenn wir in 15 Jahren eine schwarze Null haben, aber eine kaputtgesparte Industrie und Infrastruktur."

Waffen für die Ukraine, Diplomatie für Israel und Gaza

Im Ukraine-Krieg seien die Grünen "überraschenderweise" sehr geschlossen, wenn es um Waffenlieferungen geht. Es sei in einem Krieg aber kaum möglich, Pläne zu machen, stattdessen müsse situationsabhängig reagiert werden, betont Ricarda Lang. "Ich würde auch nicht sagen, es darf auf keinen Fall Verhandlungen geben." Militärisch werde der Konflikt nicht entschieden, wohl aber dann, wenn der Druck auf Putin hoch genug ist. Maßgeblich dafür sei die militärische Stärke der Ukraine.

 


Im Israel-Konflikt brauche es humanitäre Hilfe für die Menschen im Gaza-Streifen. Deutschland müsse seine diplomatischen Kanäle nutzen. "Es muss das Ziel sein, diese Leute da rauszuholen." Gleichzeitig habe Israel das Recht, sich zu verteidigen. "Wir stehen jetzt an der Seite Israels, auch wenn es sich verteidigt." Der Terror der Hamas richte sich nicht gegen die israelische Regierung, sondern gegen jüdisches Leben als solches. Wichtig sei in beiden Fällen, dass die Aufmerksamkeit nicht nachlässt, unterstreicht Lang. "Wir müssen davon wegkommen, dass Menschenrechtsthemen konjunkturell betrachtet werden."

Weniger Bürokratie hilft Kommunen mehr, als schnelle Abschiebungen

"Der Kanzler hat gesagt: Wir brauchen Abschiebungen im großen Stil. Hat er Recht?", will Moderator Heer wissen. Eine Frage, auf die Ricarda Lang viele Antworten gibt. "Wir sollten uns nicht auf die Punkte fokussieren, die möglichst hart klingen, sondern auf die, die möglichst viel bringen." Schnelle Abschiebungen würden vielen Kommunen nicht helfen.

Stattdessen brauche es eine dauerhafte finanzielle Unterstützung vom Bund, damit Städte und Gemeinden nicht ständig mehr Geld fordern müssen. Außerdem brauche es Bürokratieabbau. Die Forderung, Flüchtlingen Sachleistungen statt Geld zu gewähren, sei keine Lösung. "Das schafft sogar noch mehr Bürokratie." Vor allem will Lang Asylbewerbern und Ukraine-Flüchtlingen zu Arbeit verhelfen. "Es kann nicht sein, dass Pflegeheime händeringend nach Fachkräften suchen und wir verlangen, dass die Leute ihr Abschlusszeugnis aus der 9. Klasse suchen."

Beim Migrationsabkommen sind sicheren Herkunftsländer entscheidend

Für diejenigen, die abgeschoben werden müssen, brauche es Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern. Leicht sei das nicht, Iran und Afghanistan etwa seien keine sicheren Herkunftsländer. "Aber es gäbe schon ein paar Länder, für die das möglich wäre." Für Forderungen wie von Jens Spahn (CDU), notfalls Gewalt gegen Migranten anzuwenden, hat Lang allerdings kein Verständnis. "Ich will, dass wir ein Land bleiben, in dem man Humanität nicht einfach zur Seite schiebt."

Darüber, wer in ihrem Heimat-Bundesland Nachfolger von Winfried Kretschmann werden soll, will Lang nicht mutmaßen, genauso wenig über die Ambitionen von Cem Özdemir. Nur, dass sie es selbst nicht machen möchte, sei klar. "Mein Platz ist im Bund, und ich bin sehr glücklich dort, wo ich bin."

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben