Aufbaugilde Heilbronn: Hannes Finkbeiner hat das Schiff durch alle Stürme navigiert
Hannes Finkbeiner, ehemaliger Geschäftsführer der Aufbaugilde, spricht über die Entwicklung des Unternehmens und dessen Zukunft.

Sie haben ihm prognostiziert, dass das schwer wird mit dem Loslassen, die Redner vor einigen Tagen bei seiner Verabschiedung in Heilbronn. Ein Leben für die Aufbaugilde, und jetzt in Rente. Wie geht es einem Hannes Finkbeiner damit, der die Aufbaugilde verkörpert wie sonst vielleicht nur seine Mutter, Mitbegründerin Susanne Finkbeiner? „Gut“, sagt der 68-Jährige, die Brille auf den Kopf geschoben, sein Erkennungszeichen, das blaue Band mit dem Schlüsselbund, wie immer um den Hals. „Der wirtschaftliche Druck ist weg. Die ganze Verantwortung. Und das ist eine riesen Erleichterung.“
700.000 Euro Spenden müssen jedes Jahr hereinkommen
Von zwölf auf 500 Mitarbeiter ist das Haus unter seiner Ägide gewachsen. Mit Gildetreff, Erfrierungsschutz, Sozialbetrieben wie dem Secondhand-Kaufhaus, Susanne-Finkbeiner-Schule, Bildungspark, Lebenshaus in Weinsberg, Appartements für Wohnungslose, Zeitarbeitsfirma und und. 700.000 Euro Spenden müssen Jahr für Jahr hereinkommen, damit der Laden läuft.
Mit einer Achterbahnfahrt hatte er die 39 Jahre beim diakonischen Sozialunternehmen verglichen, vielleicht war auch ein bisschen Wildwasser dabei. Es gab Wellen und Stürme und Hurricans, und manchmal surfte das Aufbaugilde-Schiff am Abgrund haarscharf vorbei. Denn darauf ist der Sozialpädagoge, der zunächst das Jugendhaus Treff 13 im Hans-Rießer-Haus geleitet hatte, stolz: „Dass es die Aufbaugilde noch gibt.“
Die Hälfte der Träger bundesweit sind insolvent gegangen
Schließlich seien 2003, als Gerhard Schröder auch die 300 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) für Langzeitarbeitslose unter Finkbeiners Fittichen strich, und in den Jahren des Auf und Abs danach„ 50 Prozent der diakonischen Träger bundesweit insolvent gegangen“. In Heilbronn war das anders. „Wir haben 2003 die wahnwitzige Entscheidung getroffen, weiterzumachen. Die Leute haben gearbeitet, um eine Tagesstruktur zu haben. Das haben wir aus den Rücklagen gezahlt.“ Die waren eigentlich für Investitionen gedacht. Dann, Monate später, die Option, Modellprojekt für Ein-Euro-Jobs zu werden. Da ging es mit der Achterbahn wieder bergauf.
2012 der nächste Nackenschlag: Als Ursula von der Leyen, damals Arbeitsministerin, Ein-Euro-Jobs einschränkt, trifft das auch die schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen. Finkbeiner: „Ich war oft niedergeschlagen, enttäuscht. Was mich aufrecht gehalten hat, war der Spirit der Mitarbeiter.“
Dabei hatte der geschickte Netzwerker und Lobbyist für Arbeits- und Wohnungslose im Vergleich zur Anfangszeit schon viel erreicht. Einst hatte es lediglich die Fachberatungsstelle, das Übernachtungsheim und eine stationäre Einrichtung mit zwölf Plätzen gegeben.
Ständig an neuen Projekten getüftelt
Weil 1983 aber noch ein Großteil der Wohnungslosen eine berufliche Qualifikation hatte, musste Arbeit her. „Wir haben im Wald Holzlose geholt und kaminfertig geliefert“, erzählt der Mann, den Ungerechtigkeiten schon immer umgetrieben haben und der ständig an neuen Projekten tüftelt. „Anfangs durften wir das Holz bei den Kunden nur vor den Garten legen, im zweiten Jahr in den Garten und im dritten drinnen neben den Ofen.“
Für die mitgegebenen Kleiderspenden wurde die bisherige Garage bald zu klein. Ein Schweinestall in Frankenbach war die Lösung, Vorläufer des jetzigen Secondhand-Kaufhauses in der Austraße, inspiriert von amerikanischem Vorbildern, eins der größten seiner Art in Deutschland. Viele ehemals Langzeitarbeitslose sind hier tätig.
Was ihn im Rückblick schmerzt: „Dass ich keine verlässliche Finanzierung für Arbeit und Bildung hinbekommen habe.“ Das fordere auch die Diakonie schon lange. Seit Jahrzehnten hangelten sich Träger, Agentur für Arbeit und Jobcenter von Reform zu Reform.
Susanne-Finkbeiner-Schule ist eine klare Erfolgsgeschichte
Andere Projekte wurden zur klaren Erfolgsgeschichte: Die Susanne-Finkbeiner-Schule, deren Schülerzahl in acht Jahren von 36 auf 450 gewachsen ist. „Teils sind es lernferne Jugendliche, die anderswo gescheitert sind oder solche ohne Deutschkenntnisse.“ Sie machen hier einen Abschluss mit beruflicher Orientierung. „Das ist wohl einmalig in Baden-Württemberg und hat Zukunft.“
Wie die eigene Zukunft aussieht, weiß der Fußballfan, der auch schon mit legendären Kartoffelsalat-Wettbewerben Spenden akquiriert hat, genau. Engagement bei SPD und VdK, Wandern, Ski- und Radfahren, Projekte anschieben, auch bei der Aufbaugilde, und Yoga. Die Kunst: Sich bei alldem nicht völlig aufzureiben. „Ich muss auch wieder in die Ruhe und Stille finden.“
Einfädeln der Flüchtlinge
Seit 2002 ist die Aufbaugilde auch in Crailsheim und Schwäbisch Hall aktiv. Finkbeiner sieht Aufbaugilde, Agentur für Arbeit und Jobcenter vor großen Herausforderungen. Dazu gehöre unter anderem das Einfädeln der Flüchtlinge, auch aus der Ukraine, in Transferleistungen, was zu weniger Beratungsgesprächen in den Jobcentern führe. Die Politik müsse Abhilfe schaffen. „Die geringe Kontaktdichte führt zu weniger Zuweisungen und Bildungsgutscheinen.“ Sie seien aber sehr wichtig im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit.