Ex-OB vertuschte Nazi-Vergangenheit: Stadt Heilbronn überprüft weitere Personen
Heilbronns ehemaliger OB Hans Hoffmann hat seine Nazi-Vergangenheit vertuscht, ihm soll der Ehrenring der Stadt entzogen werden. Auch bei anderen früheren Persönlichkeiten schaut ein Forschungsprojekt genau hin.

Die Enthüllungen zu Hans Hoffmann, der seine NS-Vergangenheit systematisch vertuscht und dazu gelogen hat, sorgen über Heilbronn hinaus für Aufsehen. Nachdem die Stimme von den Forschungen der Historikerin Dr. Susanne Wein und des Stadtarchivs Heilbronn am Donnerstag berichtete, begab sich das Stadtarchiv Neckarsulm postwendend auf die Spuren seines ehemaligen Bürgermeisters (1955-1967).
Oberbürgermeister Steffen Hertwig (SPD) erklärte dann am Donnerstagabend dem Gemeinderat: Wenngleich Hoffmann die Entwicklung der Audi-Stadt vorangetrieben habe, "sind wir sprachlos. Nur aufgrund dieser Lüge konnte er nach dem Krieg eine politische Karriere machen," so Hertwig. Und: "Ein derartiges Verschweigen eines wichtigen Aspekts seiner Vergangenheit – vor allem im Hinblick auf die aktuell gesellschaftspolitisch herausfordernde Zeit – ist nicht zu verzeihen."
Ehrungen seitens der Stadt Neckarsulm seien Hoffmann nicht zuteil geworden, auch sein Grab auf dem Alten Friedhof an der Steinachstraße ist laut Hertwig – anders als in manchen Städten für ehemalige Bürgermeister üblich – kein Ehrengrab.
Heilbronns aktueller Oberbürgermeister Mergel und SPD gehen auf Distanz zu Ex-OB Hans Hoffmann
In Heilbronn war Hoffmann mit dem Ehrenring geehrt worden. OB Harry Mergel (SPD) will dem Gemeinderat jetzt vorschlagen, seinem Vorgänger (1967-1983) die Auszeichnung posthum zu entziehen. Zudem wird sein Porträt in der OB-Galerie des Rathauses mit einer Info-Tafel versehen.
Die Heilbronner SPD verurteilt Hoffmann "aufs Schärfste", so Vorsitzende Tanja Sagasser-Beil. Er wäre "niemals von der sozialdemokratischen Partei als Kandidat nominiert worden, wäre seine Vergangenheit bekannt gewesen." Der wegen seines preußisch-kühlen Führungsstils umstrittene Stadt-Manager stieß schon 1945 zur SPD. Ohne den Austritt zu erklären, zahlte er mit Ende der Amtszeit als OB aber keine Mitgliedsbeiträge mehr, wie Dr. Schulz-Hanßen in ihrer 24-seitigen Würdigung in Band VII der "Heilbronner Köpfe" schreibt.
Seine HJ-, NSDAP- und SS-Vergangenheit tauchen darin nicht auf, wohl weil es die – von ihm diktierte – Quellenlage nicht hergab. Die ehemalige SPD-Stadträtin erwähnt nur, dass er "Kriegsdienst als Offizier" leistete und für die Verwaltung eines Bergwerks der Rüstungsindustrie bei Kattowitz freigestellt wurde, in dem Zwangsarbeiter "unter sehr schlechten Bedingungen" eingesetzt waren.
Lücken in der Biographie von Heilbronns Ex-OB Hans Hoffmann
Hoffmann war nicht der einzige Heilbronner Würdenträger mit einer braunen Vergangenheit. Susanne Wein dokumentiert in ihrem Bericht weitere ehemalige NSDAP-Mitglieder, die in der Nachkriegszeit mit einem Ehrenring ausgezeichnet wurden. Außerdem wurden vier Ex-Nazis mit Straßennamen gewürdigt.
Um welche es sich dabei handelt, sagt Suse Bucher-Pinell von der Rathaus-Pressestelle nicht, da die Bewertung im Einzelfall noch nicht abgeschlossen sei. Es müsse auch nicht in jedem Fall zum Entzug des Ehrenrings oder des Straßennamens kommen. Je nach Verfehlung oder Kontext könne man auch mit Informationen für Aufklärung sorgen.
Forschungsprojekt überprüft die Namensgeber von Straßen, Plätzen, Brücken und Gebäuden in Heilbronn
Tatsächlich lässt die Stadt Heilbronn seit 2021 in einem beim Stadtarchiv Heilbronn angesiedelten Forschungsprojekt die NS-Vergangenheit aller Namensgeber von Straßen, Plätzen, Brücken und öffentlichen Gebäuden in Heilbronn überprüfen. Das von Wein betreute Vorhaben ist Teil der Aufarbeitung der NS-Geschichte in Heilbronn, speziell zur Rolle der Stadtverwaltung und der späteren Stadtelite. Auf kommunaler Ebene leiste man dabei Pionierarbeit, sagt Historikerin Dr. Susanne Wein, ähnliches sei bisher vor allem in staatlichen Verwaltungen oder Landtagen geschehen.
Zuletzt gab es in Heilbronn zwei Umbenennungen wegen NS-Belastung der Namensgeber: Seit 2011 heißt die Wilhelm-Hofmann-Schule Neckartalschule, weil Hofmann ein Rassist und Judenfeind war. Ähnlich Friedrich Reinöhl, weshalb die Reinöhlschule 2013 in Grundschule Alt-Böckingen umbenannt wurde. Auf dem Prüfstand stehen nach Stimme-Informationen nun weitere vier Honoratioren, darunter der Heimatforscher, Lehrer und ehemalige Museumsleiter Wilhelm Mattes, nach dem ein Weg im Stadtwald benannt ist.


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