Entwarnung in Böckingen: Vermeintliche Bombe ist ein Blitzableiter
Kampfmittelexperten fördern auf einer Baustelle in Böckingen ein ungefährliches Verdachtsobjekt zutage. Die Erleichterung ist groß, dass keine Evakuierung anlaufen muss. Bei jedem zweiten Verdachtsfall sei es ein Sprengkörper, sagt der Bergespezialist vor Ort.

Als die zwei metallenen Stäbe an der Greiferschaufel aus dem tiefen Grubenschacht nach oben gehievt werden, ist die Anspannung mit einem Schlag vorbei. Sprengmittelexperten haben am Freitag dicht an einem bewohnten Hochhaus in Böckingen auf einer Baustelle einen Bombenverdachtspunkt aus dem Zweiten Weltkrieg überprüft. Entwarnung für ein ganzes Wohnviertel: Es ist ein alter Blitzableiter, der in 4,50 Meter Tiefe lag. Eine Evakuierung im Falle eines Bombenfundes mit gefährlichem chemischen Langzeitzünder muss nicht anlaufen.
Alte Luftbilder legen Einschlag in dem Areal nahe
Feuerwehr, Polizei, Verkehrsbetriebe und Mitarbeiter einer Kampfmittelbergefirma stehen am Morgen gegen 8 Uhr schon um einen ausgehobenen Erdschacht. Auf dem Lehmboden in der Tiefe sind zwei rote Kreuze markiert. Gut zwei Meter tiefer, schätzt Bergeexperte Stephan Zimmermann aus Stadtroda in Thüringen, liegt ein metallenes Objekt. Das haben Messungen mit einer Magnetsonde ergeben. "Die Werte sprechen eher nicht für eine Bombe", sagt er. Aber: Das nahe Hochhaus an der Güglinger Straße könne die Messdaten beeinflussen. Und: Alte Luftbilder haben gezeigt, dass in dem Areal im Weltkrieg Bomben eingeschlagen sind. Jetzt will man auf Nummer sicher gehen.

Mit dem Klappspaten an die Feinarbeit in der Tiefe
Als Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Baden-Württemberg gegen 8.30 Uhr dazustoßen, gräbt der Thüringer Bergeexperte mit dem Greiferbagger vorsichtig in die Tiefe. Die Kampfmittelexperten messen mehrfach per Metallsonde nach, das Gerät zeigt weiter ein Objekt an. Mit einem kleinen Klappspaten setzt Mitarbeiter Heiko Niebisch die Feinarbeit in der Grube fort, legt die Metallstäbe frei - bis die Greiferschaufel gegen 9.15 Uhr den alten Blitzableiter in die Höhe zieht. Solche Fehlfunde kämen häufiger bei Einsätzen vor, stellt Christoph Rottner fest, Feuerwerker beim Kampfmittelbeseitigungsdienst. Mit der Technik könne man nur feststellen, ob Metallisches im Untergrund liegt. Die Form, der Körper, sei nicht zu bestimmen. "Man muss graben."
Stephan Zimmermann erklärt nach getaner Arbeit, dass seine Firma etwa bei jedem zweiten Bombenverdachtspunkt eine alte Bombe zutage fördere. Zehn bis 20 Bomben im Jahr "holen wir schon raus". Er war schon bei Grabungen in Heilbronn auf der Buga oder bei anderen Großbaustellen bei Audi oder der Schwarz-Gruppe dabei. "Heilbronn hat ja viele Bomben abbekommen."

Erleichterung ist groß, auch im nahen Seniorenheim
Jetzt steht fest: Es muss keine Evakuierung von maximal 3500 Menschen anlaufen. Auf bis zu 400 Meter hatten die Kampfmittelräumer den Schutzradius festgelegt, der bei der Entschärfung einer Bombe hätte geräumt werden müssen. Die Stadt Heilbronn hatte Turnhallen vorbereitet, um Anwohner übergangsweise aufzunehmen. Feuerwehrsprecher Jürgen Vogt ist froh, dass es nur ein Blitzableiter war. Ein Einsatz mit Evakuierung sei immer "ein Riesenaufwand" - und für die Einsatzkräfte vor Ort sei es immer ein Risiko.
Das Seniorenheim der Drautz-Stiftung hätte im Fall eines Falles geräumt werden müssen - samt 140 Bewohnern plus Personal. "Es sind alle sehr erleichtert", sagt Heimleiterin Elisabeth Palinkas. Obwohl man alle auf einen "Ausflug" in eine Gemeindehalle samt Programm mit Clown vorbereitet hatte. "Wir hätten das Beste draus gemacht." Sie sieht auch einen Vorteil in der Aktion. Den Evakuierungsplan habe man für die Praxis ausgearbeitet. "Der steht."
Kampfmittelexperte Stephan Zimmermann räumt zusammen. "Ein Verdachtspunkt weniger in Heilbronn", sagt er trocken. Er ist überzeugt, dass er "demnächst" hier wieder einen Einsatz haben wird.
Jüngste Funde in Heilbronn
Größere Bombenfunde aus dem Zweiten Weltkrieg gab es in Heilbronn zuletzt auf den Baustellen von Bildungscampus und Experimenta. Dabei entschärften die Kampfmittelexperten zwei 250 und 500 Kilo schwere Sprengkörper. Auch auf dem entstehenden Buga-Gelände rückten die Kampfmittelspezialisten mehrfach an. Dort fanden sie tonnenweise verrostete Kanonen, Granaten, abgebrannte Brandbomben. Zudem wurden alte Tellerminen kontrolliert gesprengt.