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Eine der letzten Heilbronner Videotheken schließt

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Nach einem langen Rechtsstreit mit dem Vermieter geben die Pächter einer der letzten großen Videotheken im Heilbronner Raum frustriert auf. Auf dem Areal soll ein Neubau mit 47 Eigentumswohnungen entstehen.

von Helmut Buchholz
Herbert Huth vor der Videothek in der Weinsberger Straße in Heilbronn: Schweren Herzens schließen er und seine Frau das Geschäft für immer.
Foto: Mario Berger
Herbert Huth vor der Videothek in der Weinsberger Straße in Heilbronn: Schweren Herzens schließen er und seine Frau das Geschäft für immer. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Eine der letzten großen Videotheken weit und breit schließt bald für immer. Zurzeit läuft der Totalausverkauf. Spätestens Ende September ist endgültig Schluss. Das Pächterpaar Irene und Herbert Huth geben ihr Cinema Home an der Weinsberger Straße/Ecke Allee nach mehr als 20 Jahren frustriert auf. Nach jahrelangem Rechtsstreit um Mängel an dem Gebäude mit ihrem Vermieter - der GbR Susanne Krueger und Ulrich Käß - müssen die Huths ihre Videothek aufgeben. Eine Räumungsklage zwingt sie dazu.

Das Objekt soll abgerissen werden

Das Objekt soll abgerissen werden. Stattdessen will die Böhringer Kreativbau GmbH auf dem Areal ein siebengeschossiges Gebäude mit 47 Eigentumswohungen bauen. Susanne Krueger ist Geschäftsführerin des Immobilienunternehmens. Die Huths machen ihrem Vermieter nun schwere Vorwürfe, sprechen von "Geldgier". Rechtsanwalt Hansjörg Krueger vertritt die GbR in der Angelegenheit und erklärt hingegen, dass Herbert Huth "die Rechtssprechung nicht annimmt". Das sei sein Problem.

Der Konflikt entzündete sich an dem Zustand des Objekts. "Das Gebäude war total heruntergekommen, vernachlässigt", erklärt Herbert Huth. Er und seine Frau hätten 320 000 Euro investiert, etwa in die Elektrik, einen Treppenaufgang und den Estrichboden. Doch es habe unter anderem an den Kundentoiletten einen Wassereinbruch gegeben, bei starkem Regen seien die Paletten von der Decke gefallen, die Fassade habe gebröckelt. Die Mängelliste sei lang, so Herbert Huth. Darum hätten sie die Miete erst um zehn, dann um zwölf Prozent einbehalten und auf ein anderes Konto eingezahlt.

Der Fall kam vor Gericht. Doch es wurden nur drei Mängel anerkannt, "die wir auch beseitigt haben", versichert Rechtsanwalt Hansjörg Krueger. Da die Huths aber nach wie vor Miete einbehalten hätten, folgte die Räumungsklage. Erst gegen Irene Huth als Pächterin. Dieser Räumung habe man sich entzogen, so Krueger, indem plötzlich Herbert Huth als Pächter auftrat. "Doch der ist da illegal drin, es gibt keinen Mietvertrag mit ihm." Zuerst habe der Vermieter keine Räumungsklage gegen Herrn Huth angestrengt, doch "seit einigen Monaten zahlt er keine Mietschulden mehr", darum folgte auch die Räumungsklage gegen ihn, aus der die Huths jetzt die Konsequenzen ziehen.

Auch eine Unterschriftenaktion verhinderte nicht die Schließung

Für die Huths ist das Vorgehen der Vermieter "moralisch verwerflich". Die Mängel seien geschäftsschädigend gewesen, sagt Herbert Huth. "Wenn der Vermieter sie nicht mehr richten will, kann man sich doch mit seinem Mieter einigen." Doch es habe keine Kommunikation mit ihnen gegeben. Das Paar ist ebenso vom Rechtsstaat enttäuscht.

Zwar war den Huths ohnehin klar, dass sie spätestens 2021 die Videothek aufgeben müssen, solange läuft der Mietvertrag noch. "Aber wir hätten uns gern anständig von unseren Kunden verabschiedet", betont Irene Huth. "Das ist uns leider genommen worden. Das geht unter die Haut." Die Kunden kämen teilweise schon seit ihrer Kindheit in die Videothek und seien jetzt fassungslos, würden mit Tränen in den Augen dastehen. 450 Unterschriften haben die Huths gesammelt, auch die Stadträte haben sie angeschrieben. Alles vergeblich.

Rechtsanwalt Krueger erklärt: "Wir hätten locker warten können, wenn die Miete bezahlt worden wäre, hätten sie drin bleiben können." Erst als die Zahlungen ganz eingestellt wurden, sei die Räumung eingeklagt worden. Über die Mängel hätten die Gerichte entschieden. "Doch wenn man denkt, ich weiß es besser als das Oberlandesgericht, dann habe ich dafür kein Verständnis." Rechtsanwalt Krueger zieht einen Vergleich: "Wenn ich ein Auto mit drei Rädern vermiete, und der Mieter weiß das, dann hat er ein Auto mit drei Rädern gemietet." Man schulde dem Mieter keinen Neubau.

Die Huths wollen sich jetzt in ihr Haus im Hohenlohischen zurückziehen. Für einen Neuanfang seien sie zu alt, meint das Paar. Er ist 69 Jahre alt, seine Frau 68. Das Geschäft habe immer noch gut Geld gebracht, so Herbert Huth. Für ihn sterbe mit der Schließung der Videothek ein Stück Kulturgut.


Branche stirbt

Eine der ältesten Videotheken der Welt wurde Mitte der 1970er Jahre in Kassel gegründet. Ende 1980 waren es schon tausend. Filme oder PC-Spiele auszuleihen, lag im Trend. Allerdings hielt der Siegeszug nicht an. Die Online-Ausleihe im Internet und zuletzt Streaming-Dienste wie zum Beispiel Netflix und Amazon machten der Branche nach und nach den Garaus. Gab es laut dem Internetlexikon Wikipedia 2007 immerhin noch 3000 Videotheken in Deutschland, waren es zehn Jahre später 2017 nur noch 600.

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