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Arme Familien fragen in Heilbronn in der Schule nach Essen

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Die Kinderarmut bei Ausländern ist in der Stadt um 36 Prozent gestiegen, bei deutschen Kindern geht sie zurück.

Fehlende Teilhabe, Not im Alltag: Stadt und Landratsamt Heilbronn versuchen sich auf die große Gruppe bedürftiger Kinder einzustellen. Teilweise kommen die Angebote aber nicht bei den Adressaten an. 
Foto: dpa
Fehlende Teilhabe, Not im Alltag: Stadt und Landratsamt Heilbronn versuchen sich auf die große Gruppe bedürftiger Kinder einzustellen. Teilweise kommen die Angebote aber nicht bei den Adressaten an. Foto: dpa  Foto: Jens Kalaene

Die Kinderarmut in der Region steigt. In der Stadt Heilbronn insgesamt um 12,7 Prozent, von 2605 Kinder auf 2937 junge Menschen. Bei den Ausländern beträgt der Anstieg sogar 36 Prozent. Waren im Dezember 2021 noch 1117 ausländische Kinder in Bedarfsgemeinschaften, sind es im Jahr darauf 1528. Das teilt das Jobcenter auf Anfrage der Heilbronner Stimme mit.

Statistik verzeichnet weniger arme deutsche Kinder

Primär handelt es sich um Geflüchtete aus der Ukraine. 419 Kinder aus dem Kriegsgebiet leben vom Bürgergeld. Die Zahl der deutschen Kinder ist dagegen um fünf Prozent zurückgegangen, so Jobcenter-Leiter Wolfgang Söhner.

Noch eklatanter sind die Zahlen im Landkreis Heilbronn: Hier hat die Zahl armer Kinder insgesamt um 28 Prozent zugenommen, von 3518 (Ende 2021) auf 4508 (Ende 2022). Dass auch hier in erster Linie ausländische Kinder betroffen sind, zeigt die Statistik. Waren 2021 im Dezember 1672 ausländische Kinder in Familien mit Bürgergeldbezug ist die Zahl im Dezember 2022 auf 2809 gewachsen: Das bedeutet eine Steigerung um 68 Prozent und liegt auch hier primär an 1154 Kindern aus der Ukraine.


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Schulleiterin stellt fest, dass die Armut gestiegen ist

Susanne Kugel, Leiterin der Neckartalschule in Böckingen, hat subjektiv nicht das Gefühl, dass die Bedürftigkeit nur geflüchtete Familien trifft. "Wir merken, dass die Armut krass gestiegen ist. Viele Familien fragen mehrmals die Woche, weil sie keine Lebensmittel mehr haben."

Mehl, Nudeln, Reis, gehen im Sekretariat weg, noch bevor die Pädagogin sie an den Gabenzaun hängen kann. Der Förderverein habe schon einige Nebenkostenzahlungen und andere Rechnungen übernommen.

Eltern sind mit den Anträgen für Leistungen überfordert

Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz (BUT), Kindergeld-Zuschlag oder Wohngeld: Menschen mit Sprachschwierigkeiten oder Analphabeten, darunter auch deutsche Eltern, seien mit den Anträgen überfordert. Dazu kommt Scham. "Die Familien wissen, dass sie sich an uns wenden können", so Kugel. Sich aber an einer externen Stelle zu offenbaren, das sei schwer.

Mit den 15 Euro, die im BUT für Hobbys vorgesehen sind, komme keiner weit. "Zum Fußball braucht man Kickschuhe, Stulpen, muss zum Turnier und die Trikots der Mannschaft waschen. Wie geht das, wenn man keine Waschmaschine hat?" Während sich in der Pestalozzischule Kinder mit einer Laugenstange durch den Tag schlügen, weil das Geld nicht mehr für die Mensa reicht, kämpft sie für kostenlose Bustickets für Schüler. "Wir haben hier die Ärmsten der Armen. In manchen Klassen ist kein einziges Kind aus der Mittelschicht."

 


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Nur 4,4 Prozent der Abiturienten sind in Heilbronn Ausländer

Auch Bärbel Hetzinger, Leiterin der Wartbergschule, weiß: "Das Leben mit Kindern ist teuer. Die Inflation merkt man überall." Auch sie hat immer Reserve-Kleidung im Rektorat und ist dankbar für externe Unterstützung der Förderer. "Manche Eltern sind knapp über dem Bürgergeldbezug und müssen eisern haushalten." Die Heterogenität habe zugenommen. Nur 4,4 Prozent der Abiturienten sind nach Auskunft der Stadt Ausländer.

Bildungschancen hängen immer noch stark vom Elternhaus ab, sagt Bürgermeisterin Agnes Christner

Wie wichtig das Elternhaus ist, wissen die Heilbronner Sozialbürgermeisterin Agnes Christner und Schulamtsleiterin Karin Schüttler. "Bildungschancen hängen immer noch stark von der Herkunft ab, das zu durchbrechen ist schwer", sagt Christner. Deshalb sei der in Heilbronn kostenlose Kindergartenbesuch essenziell, auch zur Sprachförderung. 70 ukrainische Kinder, vor allem künftige Erstklässler, wurden zur Schulvorbereitung in Kitas eingefädelt, bis zu 40 verblieben in Spielgruppen.

 


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Personalmangel in Kitas ist ein Problem

Kitas im Kreuzgrund, in Horkheim: Die Stadt baut massiv aus. "Wir können den Rechtsanspruch einigermaßen umsetzen." Ein großes Problem bleibt der gravierende Personalmangel. Manche Träger hätten deshalb schon ihren Ganztagsbetrieb reduziert, was wieder die Berufstätigkeit der Eltern erschwert. Ein Teufelskreis. Zwar versucht die Stadt Abhilfe zu schaffen, doch ein weiteres Thema komme dazu. "Wir haben viele Angebote.

Es ist schwierig, die Hilfe zu den Menschen zu bringen

Aber die Schwierigkeit ist, die Hilfe auch zu den Menschen zu bringen, die sie brauchen." Ein Lichtblick, zumindest für die Neckartalschule: Dass der ehrenamtliche Ausfüllhelfer Guido Rebstock dort bald Eltern beim Antrag fürs Wohngeld hilft.

 


Alleinerziehende

Armutsbetroffen sind besonders auch Alleinerziehende. So hat die Zahl der alleinerziehenden Bürgergeldempfänger etwa mit zwei Kindern in Heilbronn im Dezember 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 27 Prozent zugenommen. Die Fälle, in denen das Sozialamt Unterhaltszuschuss zahlt, ist um 26 Prozent gestiegen, von 1201 Ende 2021 auf 1521 im März 2023.Als arm gilt auch, wer weniger als 60 Prozent des Median-Nettoeinkommens hat. Es ist das Einkommen desjenigen, der in der Mitte stünde, wenn sich die Menschen nach ihrem Verdienst gestaffelt aufstellten.

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