Lehrer unterrichten deutlich mehr Geflüchtete in Vorbereitungsklassen als im Vorjahr
Viele Schulen beklagen eine Überlastung: Landesweit befinden sich derzeit 42.000 Kinder und Jugendliche in speziellen Vorbereitungsklassen. Vor einem Jahr waren es weniger.
Schulleiter und Lehrer stoßen an ihre Grenzen, was den Unterricht von immer mehr geflüchteten Kindern und Jugendlichen in speziellen Vorbereitungsklassen (VKL) angeht. Derzeit werden fast 42.000 Schüler in 2200 VKL an öffentlichen Schulen unterrichtet. Das teilt das Kultusministerium auf Anfrage unserer Zeitung mit. Davon stammen etwas über 29.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine. Im gleichen Zeitraum im Vorjahr waren es laut Ministerium 1500 Vorbereitungsklassen mit etwas über 28.300 Schülern.
So schildert ein Lehrer die Situation
Viele Lehrer fühlen sich überfordert, weil sie Geflüchtete nicht so unterrichten können, wie sie es gern würden. Ein langjähriger Pädagoge aus dem Regierungsbezirk Stuttgart, der namentlich nicht genannt werden will, erzählt von seinem Alltag: Schon sprachlich sei es schwierig. 20 Kinder mit fünf Sprachen träfen auf einen Lehrer, der seit wenigen Monaten erstmals mit geflüchteten Kindern in diesen speziellen Klassen zu tun hat. Er setze eine App ein, damit die Gruppe miteinander reden könne. Das Kollegium sei frustriert. Es sei tragisch, dass er den Geflüchteten nur unzureichend helfen könne.
So schätzt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Lage ein
Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist das kein Einzelfall, auch in der Region ist es eng. "Die Lehrer ächzen, die Schulleiter ächzen", sagt Harald Schröder, GEW-Sprecher im Kreis Heilbronn. Viele Schulen sähen kein Land mehr, stießen räumlich und personell an ihre Grenzen. Nicht nur bei den Lehrern fehle Personal. Es gebe für die Anzahl an geflüchteten Familien zu wenige Übersetzer beziehungsweise Eltern, die den Job übernehmen könnten. "Es ist ziemlich frustrierend", sagt Harald Schröder. Fielen Lehrer für Geflüchtete aus, kämen die Kinder in die Regelklassen. Das sei aber für alle schwierig.
Bis vor wenigen Monaten habe es feste Standorte mit Vorbereitungsklassen gegeben, erzählt Harald Schröder. Dort seien Kollegen mit Erfahrung eingesetzt worden. Das ist längst nicht mehr der Fall. Es gebe kaum noch eine Schule ohne eine solche Klasse. Die Fortbildungen reichten nicht. "Viele sind damit überfordert", so Harald Schröder.
Darauf legt das Land einen großen Wert
Das Kultusministerium hat nach eigenen Angaben keine abschließenden Informationen vorliegen, an wie vielen Schulen spezielle Vorbereitungsklassen erstmals neu eingerichtet wurden. Seit März 2022 seien aber landesweit fast 900 neu gebildet worden, so Alessa Waltz, Mitarbeiterin in der Pressestelle des Ministeriums. Pauschal lässt es sich fürs Ministerium nicht sagen, wie viel Vorbereitungszeit Schulen vor Beginn der Vorbereitungsklassen bekommen. Das hänge von der jeweiligen Situation vor Ort ab. Schulen und Schulverwaltung würden das Vorgehen erarbeiten. "Die jeweiligen Schulen erhalten demnach Unterstützung." Darüber hinaus bekämen die Lehrer noch Material und Fortbildungen, unter anderem beim Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung.
"Für die Landesregierung hatte und hat die Aufnahme und Integration der geflüchteten Kinder und Jugendlichen oberste Priorität", betont Alessa Waltz. "Der steigenden Zahl an Schülerinnen und Schülern, die aufgrund ihres Sprachförderbedarfs in Vorbereitungsklassen aufzunehmen waren und noch immer sind, wurde und wird durch die rasche Bildung neuer VKL- und VABO-Klassen an allen Schularten begegnet." VABO steht dabei für "Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen".



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