Unterricht für Geflüchtete: Schulsystem stößt an seine Grenzen
Kinder und Jugendliche werden häufig in Vorbereitungsklassen an Regelschulen auf den Unterricht vorbereitet. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft betont: Viele Standorte stoßen dabei an ihre Grenzen. Und Lehrer sind offenbar zunehmend ernüchtert.

Die Herausforderungen an Schulen sind groß: Viele geflüchtete Kinder und Jugendliche kommen zunächst in Vorbereitungsklassen (VKL), um Deutsch zu lernen und aufs Schulsystem vorbereitet zu werden. Das System stößt dabei an seine Grenzen. Davon berichtet ein Lehrer, der als Beamter weder seinen Namen noch seine Schule in der Stimme lesen will. Er unterrichtet im Regierungsbezirk Stuttgart, sein Bericht deckt sich mit Erfahrungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Das schildert ein Lehrer aus dem Regierungsbezirk Stuttgart
Die Schule des Mannes hatte bis vor wenigen Wochen keine Erfahrungen beim besonderen Unterricht mit Geflüchteten. Wie ihnen Deutsch beibringen, können sie überhaupt das Alphabet? Den Verantwortlichen an der Schule sei aber damals wenig Zeit geblieben. Die Unterstützung aus Stuttgart habe damals kaum gereicht, um sich gut vorzubereiten.
Stattdessen habe sich das Kollegium bei anderen Schulen umgehört, wie die den Unterricht bestreiten. Der Unterricht, wenn man ihn als solchen überhaupt bezeichnen kann, sei kompliziert. "Es ist schwierig auf der Sprachebene", sagt der langjährige Lehrer. 20 Kinder, fünf verschiedene Sprachen, ein Lehrer - wie der Unterricht läuft? Nicht auf Englisch. "Auf Deutsch und mit einer guten Übersetzungs-App." Immer mal wieder könnten auch Jugendliche übersetzen, die an der Schule in den normalen Klassen sind. Nur: Stets auf sie zugreifen, gehe nicht. "Sie haben ja auch ein Recht auf Bildung."
Als seine Schule erstmals eine Vorbereitungsklasse bekommen sollte, sei er motiviert gewesen. Kindern helfen, etwas Neues unterrichten: So nahm er die Herausforderung an. Die Begeisterung sei weg, auch bei seinen Kollegen. "Dann kam schnell die Ernüchterung."
Kollegen seien überfordert
Das System stoße an seine Grenzen. Geflüchtete Kinder und Jugendliche müssten schnell an Schulen verteilt werden, "ruck, zuck", sagt er. Alle Lehrer an seiner Schule seien enttäuscht. Man wolle jeden Schüler fördern, aber das gelinge nicht. "Man resigniert, man ist komplett überfordert." Das sei das Tragische. Rückhalt hätten ihm mittlerweile aber Eltern der Kinder gegeben. Sie hätten die Lehrer sogar darum gebeten, die Kinder stärker zu fordern. "Das hat mir den Druck genommen. Wir können in eine Richtung gehen."
Das Land hat seine Unterstützung für Lehrer ausgebaut, bei ihm an der Schule aber setzen die Pädagogen auf die ersten eigenen Erfahrungen. "Man wächst rein und entwickelt sein eigenes System."
Die Gewerkschaft kennt die Situation
Harald Schröder von der GEW kennt solche Schilderungen aus der Region Heilbronn, es gebe nur noch ganz wenige Schulen ohne eine VKL. "Die Lehrer ächzen, die Schulleiter ächzen", sagt der GEW-Kreissprecher. Viele Schulen wüssten nicht mehr, wie sie die Kinder räumlich und personell unterrichten sollen. Viele seien "ziemlich frustriert". Auch ohne VKL fehlten Lehrer an Schulen. Wenn dann ein Pädagoge für Geflüchtete krank sei, kämen die Kinder in die normale Klassen. Davon habe niemand etwas.