Investitionen in Milliardenhöhe für Heilbronner KI-Zukunft
Der Innovationspark für Künstliche Intelligenz in Heilbronn nimmt Gestalt an: Im November soll der erste Spatenstich erfolgen. Mit Milliardeninvestitionen und einem klaren Fokus auf Zukunftstechnologien will die Region ein europäisches KI-Zentrum aufbauen.
Es ist erst ein paar Wochen her, dass sich der KI-Vorreiter OpenAI die größte Finanzierungsrunde gesichert hat, die je an ein Privatunternehmen ging. Doch angesichts der Summen, die Geschäftsführer Sam Altman noch einsammeln will und für die er weltweit gerade Klinken putzt, klingen selbst die 40 Milliarden US-Dollar der jüngsten Finanzspritze für den ChatGPT-Entwickler wie ein nettes Trinkgeld.
Um den Chip-Markt zu revolutionieren und zügig entsprechende Fabriken hochzuziehen, in denen die so wichtigen Prozessoren für KI-Anwendungen hergestellt werden, will Altman bis zu sieben Billionen Dollar einsammeln. Das sind 7000 Milliarden. "Ich habe das mal ausgerechnet: Damit könnten Sie alle Wolkenkratzer in New York City kaufen. Und vermutlich auch ganz Heilbronn", sagt Bilal Zafar bei einem Vortrag vor Kurzem auf Einladung der Sparkasse im Parkhotel.
Heilbronn investiert Milliarden in KI-Zukunft: Baustart für Innovationspark Steinäcker
Der Tech-Unternehmer und gefragte Gastredner wirft noch eine Reihe mehr solcher Zahlen in den Raum, darunter die 500 Milliarden Dollar, mit denen ein Konsortium aus Tech-Unternehmen die größte KI-Infrastruktur der Welt aufbauen will. "Das sind alles Summen, bei denen es einem schwindlig werden kann", ordnet Zafar ein. Ja, die USA schaffen Fakten. Und auch China lässt sich im KI-Wettlauf nicht wirklich lumpen. Und Deutschland? "Politik diskutiert vor den Neuwahlen über Papier-Mangel", wirft Bilal Zafar symbolisch eine Schlagzeile an die Wand. Die Lacher hat der Tech-Experte damit natürlich auf seiner Seite, wenngleich das Bild nicht nur zeitlich verzerrt ist.
Denn auch im Land der Faxgeräte wird in Sachen KI durchaus geklotzt, auf anderem Niveau zwar. Aber immerhin. Heilbronn steht dafür beispielhaft, der neue Campus für Künstliche Intelligenz, der nun in den Steinäckern entsteht, wird nicht aus Papier errichtet und soll ein Hotspot für Künstliche Intelligenz in Europa werden. Seit ein paar Tagen ist das 23 Hektar große Areal eingezäunt, die Bagger ebnen in den nächsten Monaten das Gelände ein, ehe am 11. November ein Spatenstich den offiziellen Beginn des ersten Bauabschnitts markiert. "Da werden alleine 350 .000 Kubikmeter Erde bewegt", gibt auch Tim Roder, Leiter der Geschäftsentwicklung des Innovationspark Künstliche Intelligenz (Ipai), im Parkhotel eine große Zahl zum Besten.

Mobilitäts-Hub dient auf Ipai-Campus in Heilbronn "als zentraler Ankunftsort"
Die Hälfte der Erdbewegungen entfällt auf das Mobilitäts-Hub, das erste von insgesamt sechs Gebäuden, die im ersten Bauabschnitt entstehen. Es dient auf dem Ipai-Campus "als zentraler Ankunftsort und logistischer Knotenpunkt", teilt Sprecher Jan Denia mit. Nach den bisherigen Plänen wird es das größte Gebäude, das zudem mit seiner unterirdischen Logistik tiefer als andere in die Erde gebaut wird.
Parallel entstehen im ersten Abschnitt ein Start-Up-Center für junge Unternehmen und Gründer, ein Bürogebäude für etablierte Akteure aus Wirtschaft und Forschung, Reallabore zur Erprobung von KI-Anwendungen unter realen Bedingungen, ein Restaurant und ein Kommunikationszentrum, das die Funktion des Besucherzentrums aus den Spaces im Wohlgelegen übernimmt und erweitert. "Die ersten Gebäude sollen bis 2027 bezugsfertig sein, das ist weiterhin das Ziel", sagt Jan Denia.
Innovationspark Künstliche Intelligenz: Heilbronns Aufbruch in eine neue Ära
Insgesamt sehen die Planer und Bauherren mindestens drei Bauabschnitte vor. Die Entwicklung des Campus erfolgt modular und bedarfsorientiert, "um flexibel auf technologische Entwicklungen und Bedarfe reagieren zu können", heißt es. Geplant sind aber in der zweiten Bauphase in jedem Fall zusätzliche Büroflächen, temporäre Wohneinheiten für Forscher und Gäste und ein Rechenzentrum. Am Ende entstehen nicht nur 5000 Arbeitsplätze, sondern eine richtige Zukunftsstadt, die frei von der bisher üblichen Mobilität ist.
Am unterirdisch erschlossenen Mobilitäts-Hub, so die Pläne der Verantwortlichen, würden die Menschen auf E-Scooter oder Räder umsteigen − oder zu Fuß weitergehen. Vor ein paar Wochen waren die Pläne, den Innovationspark mit einer Seilbahn an die Innenstadt anzuschließen, konkreter geworden. Passend dazu haben Oberbürgermeister Harry Mergel und Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann erst im Mai eine Absichtserklärung, einen sogenannten Letter of Intent, unterzeichnet. Darin verpflichtet sich das Land, die Hälfte der Planungskosten mit einer Vorfinanzierung von vier Millionen Euro zu übernehmen.
Hightech trifft Stadtentwicklung: Heilbronn plant urbane Seilbahn für KI-Campus
Für Mergel ist die urbane Seilbahn eine Chance, Heilbronn als Zukunftsstadt weiterzuentwickeln. Nach den bisherigen Plänen soll die Strecke in der Nähe des Hauptbahnhofs beginnen und über insgesamt fünf Haltestellen nach Norden führen. Angebunden würden damit auch der erweiterte Bildungscampus, auf dem sich zuletzt international renommierte Hochschulen angesiedelt haben, der Zukunftspark Wohlgelegen als Standort für Start-up-Unternehmen und eben der neue Campus in den Steinäckern.
Auch die Anbindung des Areals in den Steinäckern ans Verkehrsnetz hat Anfang Mai eine weitere wichtige Hürde genommen. Im Zuge der vom Gemeinderat abgesegneten Nordumfahrung für Frankenbach und Neckargartach und des vierstreifigen Teilausbaus der Neckartalstraße zwischen dem Autobahnanschluss Untereisesheim und der Neckargartacher Brücke ist auch die Neubaustrecke zum Innovationspark für Künstliche Intelligenz vorgesehen. Eine wichtige Bedingung für den Bauablauf ist eine möglichst frühzeitige Fertigstellung der Zufahrt zum neuen Campus. In der Summe lässt sich Heilbronn das Verkehrsprojekt satte 44 Millionen Kosten.
KI-Campus in Heilbronn wächst: Erste Gebäude des Ipai bis 2027 bezugsfertig
Das ist nichts im Vergleich zu jenen Summen, die die Gesellschaften der Schwarz-Gruppe in den Bau des Campus und die Entwicklung kommerzieller Projekte investieren. Genaue Zahlen werden öffentlich keine genannt, Schätzungen gehen aber von Gesamtkosten zwischen ein und zwei Milliarden Euro aus. Es wird also durchaus geklotzt in Heilbronn. Zumal schon seit 2020, als Heilbronn den Zuschlag für den Innovationspark erhalten hat, mit Tempo an der KI-Zukunft gearbeitet wird. Einer der vielleicht wichtigsten Meilensteine auf dem Weg wurde im vergangenen Jahr erreicht, als der Innovationspark für Künstliche Intelligenz im Wohlgelegen sein erstes eigenes Zuhause bezog, das in der Zwischenzeit immer mehr zu einem Ort des Austauschs geworden ist. Parallel ist die Community, bestehend aus Mitgliedern und Partnern, deutlich gewachsen. Mehr als 70 zählte sie zuletzt, Tendenz weiter steigend. "Es kommen jeden Monat zwischen zwei und sechs Unternehmen dazu", sagt Tim Roder. Kleine Firmen, Mittelständler, große Konzerne − und aus allen Branchen. "Darin liegt das Salz in der Suppe", sagt der Leiter Geschäftsentwicklung.
Es gehe darum, über den Tellerrand zu schauen, Parallelen zu anderen Unternehmen zu sehen und Synergien zu nutzen, die ohne einen Ort wie den Ipai nicht sichtbar geworden wären. Eine Art moderne Partnersuche, die durchaus erfolgreich matcht. "Da treffen unsere introvertierten Entwickler auf andere introvertierte Entwickler − die können sich sehr gut austauschen", sagt Jann Swyter augenzwinkernd. Als Geschäftsführer transformiert er den Fahrschulfahrzeug-Ausstatter Veigel in Öhringen von einem Maschinenbauer hin zu einem Softwareunternehmen, das den Fahrschulmarkt mit seiner digitalen, adaptiven Lernplattform revolutionieren will. "Dafür brauchten wir einen Sparringspartner, den haben wir mit dem Ipai gefunden." Inzwischen haben die Öhringer ein Vier-Mann-Büro im Wohlgelegen, befinden sich dort in bester Gesellschaft. Die Autobauer Audi und Porsche sind hier, die Hohenloher Weltmarktführer Würth sowie EBM-Papst, der Software-Riese SAP, Hochschulen, das Fraunhofer-Institut, sogar die Landespolizei Baden-Württemberg. Auf den Fluren und in den Büros findet ständig Wissensaustausch über die Grenzen einzelner Unternehmen hinaus statt.
Zukunftsstadt Heilbronn: Wie der Ipai-Campus den Wirtschaftsstandort transformiert
Mut statt Angst: Das wichtigste Credo für die Transformation hin zu einer KI-Gesellschaft wird in Heilbronn bereits gelebt, bei der auch die Menschen in der Region mitgenommen werden. Das Gebäude im Wohlgelegen bietet Besuchern im Erdgeschoss die Möglichkeit, sich mit KI auseinanderzusetzen. Das werde gut angenommen, sagt Tim Roder. Selbst unter der Woche kämen mehr als 200 Neugierige ins Wohlgelegen, machen erste Erfahrungen mit dem Themenfeld. "Wir erfahren sehr viel Zuspruch und spüren, dass die Bevölkerung große Lust auf das Thema hat." Veränderung beginne nun mal im Kleinen, im Privaten. Dafür biete das Ipai die richtige Umgebung.
"Das KI-Thema darf man auch nicht zu sehr in den Unternehmen alleine sehen. Jeder kann dazu beitragen, dass die KI-Transformation auch gesellschaftlich funktioniert", sagt Tim Roder. Er rät allen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und die Zügel in die Hand zu nehmen. Denn: "Das wird nicht mehr vorbeigehen, KI wird bleiben." Angesichts der riesigen Summen, die investiert werden, ist das anzunehmen.



Stimme.de
Kommentare