Verpackungssteuer bald im Raum Heilbronn und Hohenlohe? – "Mülleimer quellen über"
Das Bundesverfassungsgericht hat die Tübinger Kommunalsteuer auf Einwegverpackungen in der Gastronomie für rechtens erklärt. Andere Städte wollen dem Beispiel folgen. Auch im Raum Heilbronn und Hohenlohe?
Die Diskussion um die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer ist in Heilbronn nicht neu. SPD und Grüne hatten bereits vor rund anderthalb Jahren einen entsprechenden Antrag im Gemeinderat gestellt. Damals hatte das Gremium das Thema wegen Rechtsunsicherheit vertagt. Die Stadt Tübingen und eine Fastfood-Kette stritten sich durch die Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Tübingen erhebt die Steuer seit Anfang 2022.
Städte dürfen Verpackungssteuer erheben: Wie reagiert Heilbronn?
Mit dem Spruch der Karlsruher Richter herrscht jetzt Rechtssicherheit. Städte dürfen eine kommunale Steuer auf Einwegverpackungen erheben. „Der Eisbrecher ist durch“, sagt Rainer Hinderer, SPD-Fraktionsvorsitzender im Heilbronner Gemeinderat. „Das Thema muss neu behandelt werden.“
Seine Fraktionskollegin Tanja Sagasser-Beil streckt derweil die Fühler in Richtung Tübingen aus. Die Universitätsstadt hat wegen der vielen Anfragen seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mittlerweile eine Musterantwort auf ihre Homepage gestellt. Demnach, so Tanja Sagasser-Beil, sei dort der Verpackungsmüll im öffentlichen Raum deutlich zurückgegangen.
Verpackungssteuer hat für die Stadt Heilbronn nicht oberste Priorität
Für die Heilbronner Stadtverwaltung hat das Thema nicht oberste Priorität. „Wenn die Steuer käme, dann nicht von heute auf morgen“, so Claudia Küpper, Sprecherin der Stadtverwaltung. Prüfen werde die Verwaltung die verschiedenen Aspekte der Verpackungssteuer dennoch. Denn einem hohen bürokratischen Aufwand stünde das Ziel gegenüber, „die Sauberkeit in der Innenstadt weiter zu optimieren“, so die Pressesprecherin.
„Die Mülleimer quellen über“, beklagt Thomas Aurich, Heilbronner Stadtverbandsvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Die Überlegungen aus Tübingen seien deshalb nicht grundsätzlich falsch. Aurich hält es dennoch für zielführender, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von derzeit 19 Prozent auf sieben Prozent zu reduzieren. „Dann gehen die Leute wieder in die Lokale.“
Verpackungssteuer auch im Raum Heilbronn? Regionale Industrie- und Handelskammer rät vom Tübinger Modell ab
Elke Döring, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken, rät davon ab, dem Tübinger Modell einer Verpackungssteuer zu folgen. „Gerade die kleinen Unternehmen im Handel und in der Gastronomie leiden bereits übermäßig unter bürokratischen Auflagen und Nachweispflichten“, sagt Döring. „Eine zusätzliche, noch dazu komplizierte und unübersichtliche Steuer bedeutet einen Mehraufwand, der in keinem Verhältnis zu den Einnahmen steht und in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Müllvermeidung.“
„Das Urteil ist ein gutes Signal für Mensch und Natur und ein wichtiger Schritt hin zu einer bundesweiten Regelung“, sagt Andrea Hohlweck, Regionalgeschäftsführerin des BUND Heilbronn-Franken. Es müsse Schluss sein mit der Vermüllung von Städten und Natur, so Hohlweck. Freiwillige Appelle würden kaum fruchten. Deshalb solle das achtlose Wegwerfen die Verursachenden auch etwas kosten.
Die Stadt Neckarsulm betrachtet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verpackungssteuer in Tübingen mit Interesse, so Pressesprecher Andreas Bracht. Aktuell plane die Stadt aber nicht, eine Verpackungssteuer in Neckarsulm einzuführen. Grundsätzlich unterstütze die größte Stadt im Landkreis Heilbronn „alle Initiativen, die darauf abzielen, Einwegverpackungen zu reduzieren und den Anteil von Mehrwegbehältern zu steigern“. Das Für und Wider müsse sorgfältig abgewogen werden, so Bracht.
Hohenlohe uneinig bei Verpackungssteuer
Künzelsaus Bürgermeister Stefan Neumann hält wenig von der Einführung einer Verpackungssteuer. „Erstens ist es fraglich, ob sich der Aufwand für die Stadtverwaltung in vertretbarem Rahmen hält und im Verhältnis zum Effekt lohnt. Zweitens wird aktuell über Bürokratieabbau geredet. Wie sollte hier eine neue Steuer ins Bild passen?“
Dennoch sei es sinnvoll, Müll und damit auch Einwegverpackungen zu reduzieren. In Künzelsau würde man das im Rahmen des neuen Klimaschutzkonzeptes angehen. Dieses ziele vor allem auf private Haushalte ab, die aktiv zur Klimawende beitragen könnten. „Die Stadtverwaltung unterstützt mit Informationskampagnen, Vorträgen und Mitmachaktionen. Lokale Angebote, Projekte und Initiativen sollen dabei zusätzlich sichtbar gemacht werden“, so Neumann.
Öhringens Bürgermeister Thilo Michler hingegen teilt auf Nachfrage, ob die Stadt eine Verpackungssteuer einführen wolle, lediglich vage mit, dass die Stadt Öhringen sich „in der Prüfungsphase befindet“.
Verwaltungen informieren über Mehrwegsysteme in der Gastronomie
Hohenlohe war im Juni 2022 einer der ersten Landkreise, der ein eigenes Mehrwegsystem für Speisen und Getränke zum Mitnehmen eingeführt hatte. Die ersten 100 Unternehmen die mit den markanten schwarzen Gefäßen arbeiteten, die die Aufschrift „Hohenlohe to go“ tragen, wurden von der Wirtschaftsinitiative des Landkreises und der Sparkasse gesponsert. Zudem gaben einige Kommunen weitere Gelder dazu.
Um das System – bei dem die To-Go-Gefäße in allen teilnehmenden Gastrobetrieben auch außerhalb des Landkreises abgegeben werden können – bekannter zu machen, fuhr im Hohenlohekreis ein Jahr lang ein Bus mit Werbung für „Hohenlohe-to-to“ durch den Kreis.
Auch der Landkreis Heilbronn unterstützt „die Einführung von Essen in Mehrweg“. Auf seiner Internetseite hat das Landratsamt Informationen zu verschiedenen Mehrwegsystemen zusammengestellt. Die Stadt Heilbronn informiert auf ihrer Internetseite über die Regeln, die mit dem deutschlandweit geltenden Verpackungsgesetz vom 1. Januar 2023 für Betriebe unterschiedlicher Größen gelten.