Heilbronn denkt über Verpackungssteuer nach
Weil bei dem Tübinger Modell jetzt Rechtssicherheit besteht, steigt die Stadt in den Entscheidungsprozess ein. Die Gastronomen befürchten bei der Steuer jedoch zu viel Bürokratie.

Es ist ein bundesweit einzigartiges Modell: Um Abfall zu vermeiden, erhebt die Stadt Tübingen seit dem 1. Januar 2022 eine kommunale Steuer auf Einwegplastik. Behälter und Geschirr werden mit 50 Cent besteuert, Besteck mit 20 Cent. Mit den Einnahmen sollen auch die Kosten für die jährliche Plastikmüllbeseitigung gesenkt werden.
Richtig umgesetzt wird die Verpackungssteuer dort aber erst, seit das Bundesverwaltungsgericht Leipzig festgestellt hat, dass sie "im Wesentlichen rechtsmäßig" ist. Dementsprechend groß war die Freude von Claudia Patzwahl, der Verantwortlichen für das Verpackungssteuer-Projekt bei der Stadt Tübingen.
Städte überlegen, bei der Verpackungssteuer nachzuziehen
Jetzt, da beim Tübinger Modell Rechtssicherheit besteht, werden andere Städte hellhörig. Auch in Heilbronn denkt man über eine Verpackungssteuer nach, bestätigt die städtische Pressestelle auf Nachfrage. "Wir begrüßen, dass jetzt Rechtssicherheit besteht und intensivieren nun den Entscheidungsprozess", teilt Suse Bucher-Pinell mit. Zu den weiteren Schritten könne man sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern.
In Tübingen soll die Verpackungssteuer zumindest dem subjektiven Eindruck nach für ein saubereres Stadtbild gesorgt haben, die Alternative aus Mehrweg schon zum guten Ton gehören. Aus den Reihen der rund 440 Händler, die Getränke oder Speisen zum Mitnehmen in Einwegverpackungen verkaufen und die Steuer deshalb entrichten sollen, kommen jedoch auch kritische Töne. Vor allem an der zusätzlichen Bürokratie. Ein Punkt, den auch der Stadtverbandsvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Thomas Aurich, bemängelt.
Diskussion über Verpackungssteuer bei Dehoga
Im Verband wurde die Verpackungssteuer noch nicht diskutiert. Grundsätzlich begrüßt Aurich den Grundgedanken, das Einwegproblem mit einer Abgabe in den Griff zu bekommen. Eine Verpackungssteuer für Heilbronn hält er allerdings für einen "gnadenlosen Weg", um aus den Heilbronner Gastronomen "Buchhalter zu machen".
Es gebe schlicht zu wenig Personal, das zusätzlich noch die entsprechenden behördlichen Unterlagen für die Steuer ausfüllt, sagt Aurich. Sollte die Verpackungssteuer in Heilbronn kommen, müsste sie außerdem "so günstig sein, damit die Gastronomen überleben können".
Aurich: Steuer killt die Gastronomie
Gerade in einer Zeit, in der viele Betriebe rote Zahlen schreiben, wäre die Verpackungssteuer ein "Instrument, um die örtliche Gastronomie endgültig zu killen", meint der Stadtverbandsvorsitzende. Er sieht vielmehr die Hersteller der Einwegverpackungen in der Pflicht, die Abgabe zu leisten. "Die Wirte haben kein Interesse, für die Verpackungen zu zahlen." Während Plastiktüten allmählich aus dem Einzelhandel verschwinden, würde dagegen von der Gastronomie erwartet, Plastik aus Hygienegründen einzuführen, wenn beispielsweise auf Vorrat gekocht wird.
Viel lieber, sagt Thomas Aurich, würde er abwarten wollen, wie sich die seit Anfang des Jahres eingeführte Mehrwegpflicht in der Region etabliert. Schließlich laufe die Umsetzung der Mehrwegalternativen im To-Go-Verkauf in Heilbronn gut. "Von den Gastronomen hat es keine Kritik gegeben."
Kein weiteres Interesse an der Steuer in der Region
In der Region gibt es neben Heilbronn keine Städte, die ihre Überlegungen, das Tübinger Modell auch bei sich einzuführen, öffentlich machen. Die Stadt Künzelsau bleibt auf Nachfrage vage: "Einwegverpackungen zu reduzieren und mit Mehrwegverpackungen zu arbeiten, macht Sinn", sagt Pressesprecherin Elke Sturm. "Mit welchen Mitteln das geschafft werden kann, ist sicher regional unterschiedlich." Für Öhringens Oberbürgermeister Thilo Michler ist bei einer Gebühr wichtig, dass sie für die Kommune "unkompliziert" ist.
Die Stadt Stuttgart bezweifelt, dass sich mit einer Verpackungssteuer Verpackungsmüll reduzieren lässt, sagte ein Sprecher der Zeitung für Kommunale Wirtschaft und beruft sich auf eine Studie der Uni Tübingen. Auch OB Frank Nopper sieht die Steuer kritisch.

