Raus aus der Prostitution: So unterstützt die Mitternachtsmission im Rotlichtmilieu
Die Heilbronner Mitternachtsmission unterstützt Prostituierte bei der Lebensorganisation nach der Tätigkeit im Rotlichtmilieu. Im Kontaktmobil gibt es eine Vielzahl an Hilfsangeboten.

Für Kathrin Geih hat der Beschluss des Heilbronner Gemeinderats zwei Seiten: Seit Ende November ist die Straßenprostitution im gesamten Stadtgebiet dauerhaft verboten. Das mag für mehr Sicherheit sorgen. „Aber andererseits sind die Frauen für unsere Hilfsangebote weniger gut zu erreichen“, sagt die Abteilungsleiterin der Heilbronner Mitternachtsmission.
Einige Frauen bieten nun ihre Dienste in angemieteten Wohnungen oder Zimmern und damit weniger zentral an. Über Anzeigen der Prostituierten rund um ihr Angebot melden sich die Mitarbeiter der Mitternachtsmission bei den Frauen und stellen das Angebot vor.
Mitternachtsmission Heilbronn: Hilfe für Prostituierte bei Krankenversicherung
Generell verrichten Prostituierte ihre Arbeit in einem Milieu, das sehr vom gängigen Sozialleben isoliert ist. Viele sind nicht krankenversichert und nicht gemeldet. Sie wissen weder über das deutsche Sozialsystem Bescheid noch wie sie damit in Kontakt kommen. „Etwa 90 Prozent der Frauen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben einen Migrationshintergrund“, berichtet Geih. Viele kommen aus Rumänien und Bulgarien.
Mit dem Kontaktmobil, einem VW Bus, sucht das Team der Heilbronner Mitternachtsmission seit 2015 die Frauen auf, berät sie, unterstützt in einer Vielzahl von Lebensfragen und hilft auch, sofern sie dem Milieu den Rücken kehren wollen. Seit Anfang dieses Jahres gibt es eine Sprechstunde bei einem ehrenamtlich tätigen Gynäkologen. Geih: „Die Anliegen reichen von Terminvereinbarungen beim Ordnungsamt über ein breites Spektrum an bürokratischer Unterstützung bis hin zu Ausstiegsprogrammen. Die Fälle sind so unterschiedlich wie die Menschen.“
Auch Zwangsprostitution in Heilbronn
In Heilbronn gebe es sowohl freiwillige sexuelle Dienstleistungen als auch Zwangsprostitution. Ein Blick hinter die Milieu-Kulissen sei für das Team der Mitternachtsmission schwierig. Um die Situation zu bewerten, sind die Sozialarbeiter auf die Aussagen der Frauen angewiesen.
Kathrin Geih betont: „Gerade in den Privaträumen sollten sich die Frauen besonders gut schützen. Wo man schwerer hinschauen kann, verfestigen sich prekäre Bedingungen. Von manchen Frauen haben wir die Adresse und die Telefonnummer. Da aber in der Prostitution das Personal ständig wechselt, müssen wir immer wieder aufs Neue den Kontakt zu den Frauen suchen, die derzeit in der Stadt sind.“
Menschen in Not unterstützt Heilbronner Mitternachtsmission
Menschen in Not, der Verein der Heilbronner Stimme, unterstützt die Mitternachtsmission jährlich mit einem mittleren vierstelligen Betrag aus den eingenommenen Spendengeldern. „Diese Summe nutzen wir beispielsweise für das Kontaktmobil oder, um die Ausstiegswohnung zu finanzieren“, berichtet Geih. Dort wohnt vorübergehend beispielsweise eine Frau mit ihrem Sohn, die nicht länger in der Prostitution tätig sein möchte.
„Über Vereinsaktivitäten und Hobbys versuchen wir, Mutter und Sohn sozialen Anschluss zu verschaffen“, berichtet Kathrin Geih. „Wir unterstützen zudem beim Schulbesuch, bei Sprachkursen sowie dabei, über einen neuen Job sowie mit einer dauerhaften Wohnung weniger prekär im Leben Fuß zu fassen.“
Neustart im Leben für ausgestiegene Prostituierte
Dabei gilt zu bedenken: Für einen Neustart im Leben brauchen die Frauen eine gänzlich neue Tagesstruktur. Um beispielsweise einem Bürojob nachzugehen, sind komplett andere Abläufe nötig. Geih: „Wenn man den Frauen empfiehlt: ’Steig doch einfach aus der Prostitution aus’ – das ist leicht gesagt. Es ist eine große Kraftanstrengung notwendig, um dem Milieu den Rücken zu kehren.“
Umso schöner empfindet es die Abteilungsleiterin der Mitternachtsmission, wie vielen Frauen es dennoch gelingt. Kathrin Geih: „Ich kenne Frauen, die seit zehn Jahren nichts mehr mit ihren ehemaligen prekären Lebensverhältnissen zu tun haben. Stück für Stück haben sie sich eine neuen Existenz aufgebaut.“
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