Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen Merken

Richter: Vorgehensweise von Park & Control mehr als umstritten

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Der Heilbronner Richter Alexander Lobmüller bezeichnet die Herausgabe von Halterdaten an Privatfirmen für eine Parkplatz-Überwachung als fragwürdig. Einer 83-Jährigen wurde jetzt trotz bezahlten Knöllchens mit dem Gerichtsvollzieher gedroht.

Wer die AGBs von Park & Control am Heilbronner Kaisersturm lesen will, sollte eine halbe Stunde extra einplanen. Foto: Hoffmann
Wer die AGBs von Park & Control am Heilbronner Kaisersturm lesen will, sollte eine halbe Stunde extra einplanen. Foto: Hoffmann  Foto: Hoffmann, Adrian

Viele Autofahrer, die bereits ein Knöllchen bekommen haben von der Parkraum-Überwachungsfirma Park & Control - weil sie keine Parkscheibe ausgelegt haben -, fragen sich: Wie kommen die überhaupt an die Halterdaten? Alexander Lobmüller, Richter am Heilbronner Amtsgericht, sieht die Rolle des Kraftfahrtbundesamts skeptisch. Denn es sei nicht Aufgabe der Behörde, privaten Firmen beim Eintreiben von Strafgebühren behilflich zu sein.

"Es gibt vertragliche Ansprüche und es gibt gesetzliche", sagt Lobmüller. Es sei eine Gemengelage, aber den Anspruch auf Herausgabe der Halterdaten empfindet er mit seiner Erfahrung als Richter so nicht berechtigt. "Das ist eine Grauzone." Wenn es Park & Control um "die Abwehr des Wiederholungsfalles" ginge, wäre das aus Sicht von Lobmüller anders zu bewerten. Es gehe aber vorrangig darum, vom "Vertragspartner" die 30 Euro einzufordern, also um einen reinen Vertragsverstoß - und nicht, wie vorgesehen bei der Herausgabe von Daten, zur Klärung eines Verkehrsvorgangs.

Kraftfahrtbundesamt: Grundstückseigentümer haben Rechtsansprüche

Wie eine Sprecherin des Kraftfahrtbundesamts (KBA) mitteilt, sei es ausgeschlossen, dass die Herausgabe der Daten nach Ermessen erfolge. Das unberechtigte Abstellen eines Autos auf einem Privatgrundstück stellt eine verbotene "Eigenmacht" dar, gegen die sich der Grundstückseigentümer durch das Verfolgen von Rechtsansprüchen wehren dürfe. Dem KBA liegen nach Angaben der Sprecherin von Parkplatzbesitzern erteilte Vollmachten vor, die Überwachungsfirmen berechtigen.

Der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz, Stefan Brink, sieht kein Problem. "Das ist nach dem Datenschutzrecht zulässig und übliche Praxis."

Autofahrer und Geschäftskunden berichten von Mahnbescheiden trotz Kulanz-Versprechen

Margarethe Conradt (83) hatte nachweislich bezahlt und trotzdem Ärger.
Margarethe Conradt (83) hatte nachweislich bezahlt und trotzdem Ärger.  Foto: Hoffmann, Adrian

Viele "Parksünder" berichten in Schreiben an unsere Redaktion davon, dass sie trotz Kulanz-Versprechungen der Geschäfte, in denen sie einkaufen waren, anschließend Mahnbescheide erhielten - obwohl sie auch die Firma Park & Control mit Kopien von Einkaufsbelegen um die Stornierung ihres Knöllchens gebeten hatten.

Park & Control ging bislang nicht auf Einzelfälle ein. Dort heißt es: "Für eine Stornierung müssen Kriterien erfüllt werden, wie beispielsweise ob der Antrag fristgerecht ( innerhalb von zehn Tagen) gestellt wurde, oder die Beilage eines Kassenbelegs, der in Relation zu der Parkzeit steht." Nicht jeder Antrag könne berücksichtigt werden. In jedem Fall erhielten die Antragsteller eine Rückmeldung.

Margarethe Conradt: "Der Gerichtsvollzieher soll ruhig kommen. Der kriegt eine schöne Tasse Kaffee"

Besonders krass ist der Fall von Margarethe Conradt aus Heilbronn. Sie hat 30 Euro am 26. Juni anstandslos überwiesen - Kontoauszug mit korrekten Überweisungsdaten liegt vor -, und dennoch Mahnpost bekommen. Das war am 2. Juli. "Ich hatte Angst vor denen, die schreiben so aggressiv", sagt die 83-Jährige, die seit Jahren Kundin der Textilpflege und des Biomarkts beim Kaisersturm ist. "Ich finde, die Geschäftsleute müssen informiert werden, was hier vor sich geht."

Inzwischen wurde ihr sogar der Besuch eines Gerichtsvollziehers angekündigt. Sie hatte darauf hingewiesen, die Summe bereits bezahlt zu haben. Die Antwort: Ein Teilbetrag sei eingegangen. Die Mahngebühr und die Gebühr für die Ermittlung der Halterdaten stehen offenbar noch aus. Ermutigt vom aktuellen Widerstand gegen das Gebaren der Firma sagt sie: "Die sollen ruhig den Gerichtsvollzieher schicken. Der kriegt eine schöne Tasse Kaffee. Aber zahlen werde ich nichts." Park & Control äußerte sich zu Conradts Fall bislang nicht.

Bei Jürgen Pfalzer aus Eberstadt war es so, dass jemand anders mit seinem Auto unterwegs gewesen sei. Pfalzer stellte sich auf stur und gab zum Fahrer keine Infos preis. Park & Control drohte ihm eine strafbewehrte Unterlassungserklärung und 600-Euro-Strafen für künftige Verstöße an. Pfalzer bat darum, die Sache gerichtlich klären zu lassen. Seither hat er nichts mehr gehört. Das ist jetzt ein halbes Jahr her.

Anwalt für Verkehrsrecht: Kunden und Händler müssen sich arrangieren

Dieter Roßkopf, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Heilbronn, hält eine rechtliche Klarstellung des Gesetzgebers für unrealistisch. Private Parkplatz-Überwachungsfirmen gebe es in Deutschland seit Jahren. Letztlich sei die doch Frage, wie sich Kunden und Händler miteinander arrangierten - die Händler beauftragen die Unternehmen ja schließlich selbst. Und klar sei, dass Parkflächen immer kostbarer würden. In Zeiten von Personaleinsparungen liegt der Gedanke dem Handel vielleicht fern, aber Dieter Roßkopf berichtet begeistert von USA-Urlauben und Parkplatz-Wächtern. Warum nicht auch in Heilbronn?

Kay Nekolny, Betreiber des Fürfelder Autohofs und kürzlich selbst "Geschädigter" im Knöllchen-Ärger, ist der Ansicht, der Handel schneidet sich ins eigene Fleisch: "Das schadet den Innenstädten und stärkt den Onlinehandel."

Neues Arrangement zwischen Händlern und Überwachungsfirma

Paul-Anton Gratwohl, der auch seine Erfahrung gemacht hat mit den gelben Privat-Knöllchen, fragt: „Wie können seriöse Händler mit solchen Unternehmen zusammenarbeiten?“ Tatsächlich würde Kölle Zoo am liebsten wieder Abstand nehmen von der Kontrolle durch Park & Control, doch die anderen Händler ziehen nicht mit.

„Wenn es zu Unstimmigkeiten kommt, dann ist das natürlich bedauerlich für alle Beteiligten“, sagt Katy Hahn vom Biomarkt denn’s. Sie als Markt vor Ort seien bemüht, dies zu verhindern. Das externe Unternehmen zur Parkraum-Überwachung sei vom Vermieter beauftragt worden – nicht von ihnen.

Eine Sprecherin des Media Markts sagt: „Die Mehrheit unserer Kunden hat für die Parkraumüberwachung Verständnis und freut sich, wieder einen Parkplatz direkt vor dem Markt zu bekommen.“ Daher werde man die Überwachung bis auf Weiteres umsetzen. Thomas Gauß von der Stadtinitiative sagt, es gebe für diese Parkfläche inzwischen ein Arrangement zwischen Park & Control und den Händlern, dass nur unberechtigte Langzeitparker mit Knöllchen zu rechnen haben. „Das finde ich einen guten Ansatz“, sagt Gauß. Auch bei Obi war Park & Control im Gespräch, allerdings wird es „nach interner Prüfung keinen Einsatz geben“, heißt es.

 

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung

Andre Nowroth am 10.09.2021 21:27 Uhr

Park und Controll hat mir ein Knöllchen an die Windschutzscheibe geheftet. Die Parkscheibe lag aus und war richtig eingestellt. Ich bin mit meiner Freundin für ca. 15 Minuten im Rewe gewesen. Und schon hatte ich Ticket. Aus welchem Grund????? Ein Beweisfoto zeigt nur die Front meines Wagen mit dem Ticket. Die Parkuhr, die an der Windschutzscheibe hängt wurde angeblich nicht gut fotografiert. Ein Beweisfoto von mir und meiner Freundin belegten, das die Parkuhr richtig gestellt ist und wir noch 105 Minuten übrig hatten. Auf Kulanz dieser Firma konnte man nicht bauen. Die Sache liegt jetzt beim Anwalt, der mir gute Hoffnung macht. Die Firma kann nichts belegen. Das Beweisfoto ist nicht aussagekräftig.

Antworten
lädt ... Gefällt Nutzern Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()

am 16.11.2020 18:08 Uhr

Berlin Altglienicke, fünf Minuten brauchte ich um im Laden nach einem Produkt zu fragen, welches längere Zeit vergriffen war. Das reichte dem Bußgeldpiraten mir das Knöllchen zu 30,00 Euro anzuheften. Mein Eindruck, der Typ hat irgendwo gelauert um sich auf mein Fahrzeug zu stürzen. Was für ein armseliges Gewerbe. Ich wünsche dem Kerl, das er nicht in den Schlaf kommt.
Ausserdem werde ich ab jetzt auch das Internet den Ladengeschäften vorziehen. Dann geht der Einzellhandel eben vor die Hunde. MfG. K.Krüger

Antworten
lädt ... Gefällt Nutzern Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()

Iris Pienabarca am 24.11.2019 18:14 Uhr

Auch ich bin im Kreis der Abzocke .Mir ist schon klar das die Parksituation schlecht ist ,aber für das vergessen der Parkscheibe eine Strafe von 30€ zu kassieren ist eine Unveschämtheit. Man könnte auch Parkautomaten aufstellen die Dauerparker abhalten .War immer dafür nichts im Internet zu bestellen ,um die Händler zu unterstützen aber bei so einer Ignoranz gegenüber Kunden werde ich nicht mehr in diese Geschäfte gehen .Meine Tochter war leider mit meinem Auto einkaufen beim Mediamarkt und ich im Urlaub sonst hätte ich sofort ihre Einkäufe wieder zurück gebracht.Kann nur den „ Knölchen Geschädigten raten sofort ihre Einkäufe wieder zurück bringen das sie in solchen Geschäften nichts mehr kaufen . Da man Sich gegen das Unternehmen Park Control nicht wehren kann ,sehen ich leider nur diese drastische Masnahme diese Geschäfte zu meiden , vielleicht überdenken sie die Situation dann noch mal

Antworten
lädt ... Gefällt Nutzern Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()

Walter Müller am 23.10.2019 13:25 Uhr

Zitat von Zitat
„Die Mehrheit unserer Kunden hat für die Parkraumüberwachung Verständnis und freut sich, wieder einen Parkplatz direkt vor dem Markt zu bekommen.“


Klar woher wollen die das wissen? Mich als ehemaligen Kunden können sie nämlich nicht mehr fragen!
Denn ich komme nicht mehr

Ich werden so etwas wie diese P&C Firma und ihre Geschäftspraktiken nicht hinnehmen!

dann kaufe ich eben online..... hilft auch der Umwelt, wenn nur einer (Paketdienst) fährt anstatt viele (Kunden)...

Antworten
lädt ... Gefällt Nutzern Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()

Joachim Homm am 22.10.2019 20:56 Uhr

Immer mehr stationäre Händler klagen über Käuferschwund und das Abwandern ins Internet, dabei sind sie doch meist mit ein Teil der Misere.
Parkplatzsuche, hohe Parkgebühren, Zeit und Aufwand um schließlich immer öfter zu hören:
"Haben wir gerade nicht da, aber wir können es Ihnen bestellen!" Also nochmals Parkplatzsuche, hohe Parkgebühren, Zeit und Aufwand in Kauf nehmen?
Hier fehlt es meiner Meinung nach an pfiffigen Ideen.
Parkgebühren sollten zumindest zum Teil von den Händlern mitfinanziert werden, dann wird ein Schuh draus.

Wen wundert es da, daß sich viele Ihre Waren im Internet bestellen?
Lieferung von heute auf morgen, meist Versandkostenfrei, keine Parkgebühren ....

Ganz zu schweigen von diesen Parkplatz-Geiern.

Antworten
lädt ... Gefällt Nutzern Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
  Nach oben