Umstrittene Parkplatz-Kontrollen bringen Händler in Zwickmühle
Nach wie vor beschweren sich etliche Kunden des Heilbronner Einzelhandels über Knöllchen. Kölle Zoo möchte die Pflicht zur Parkscheibe sogar wieder abschaffen.
Es ist kurios zu beobachten: Kunden strömen in die Geschäfte am Kaisersturm in Heilbronn, gehen eine halbe Stunde später heraus - und haben gelbe Zettel an der Autoscheibe hängen. Alle paar Meter steht ein Auto, in dem keine Parkscheibe liegt, dafür aber ein Knöllchen unterm Scheibenwischer steckt.

Yulia Gelber sieht den Kontrolleur der Firma Park & Control davonlaufen. "Habe ich etwas falsch gemacht?", fragt sie höflich. Der Kontrolleur reagiert ebenfalls höflich, aber auch deutlich. Sie habe keine Parkscheibe ausgelegt, erklärt er. Und das sei Pflicht. Mit einem Nachweis, Kundin gewesen zu sein, könne sie über die Webseite des Unternehmens eine Stornierung der Strafgebühr beantragen. Er selbst könne das nicht veranlassen, sagt der Mann, der mit dem Handy von jedem Auto Beweisfotos macht.
Überall weisen Hinweisschilder auf Parkscheiben-Pflicht hin
Die Vorgehensweise ist derzeit umstritten in Heilbronn, nicht nur am Kaisersturm. Etliche Kunden beschweren sich. Die Mitarbeiter umliegender Geschäfte haben alle Mühe, damit umzugehen. Am Kaisersturm machen an fast jedem Geschäft Hinweisschilder darauf aufmerksam, dass der Kunde bitte an die Parkscheibe denken möge. Manche Händler geben kostenlos Parkscheiben aus.
30 Euro Strafe für eine vergessene Parkscheibe: Park & Control weist die Vorwürfe von sich (Premium)
Supermärkte in der Region im Kampf gegen Fremdparker (Premium)
Thomas Gauß von der Stadtinitiative Heilbronn sagt, die Händler hätten sich sicherlich nicht für Parkraum-Überwachung entschieden, um Kunden zu verprellen. Der Ansatz sei eher ein positiver gewesen: Parkflächen für Kunden freizuhalten. Während der Bundesgartenschau hatten viele Menschen dort geparkt, ohne Kunde der umliegenden Händler zu sein. Und es könne nicht sein, dass jemand, der beim Media Markt einen Fernseher kaufen wolle, dort deshalb keinen Parkplatz mehr findet, argumentiert Gauß.
Der allerdings auch sagt: "Ich bin nicht der allergrößte Freund dieser Lösung." Mit einer Schranke habe es aber in der Vergangenheit nicht geklappt, diese sei drei Mal umgefahren worden. "Die beste Lösung wäre es, wenn Menschen, die nicht zum Einkaufen wollen, dort die Parkplätze nicht nutzen", so Gauß. "Die Appelle sind alle gescheitert."
Kölle Zoo möchte Parkraum-Überwachung wieder abschaffen
Claudia Gurt von Kölle Zoo merkt man das Unbehagen an. Sie fühle sich in der Zwickmühle, sagt sie. Es sei ihnen sehr wichtig, dass Kunden sich bei ihnen wohlfühlten. In der Vergangenheit seien aber auch Kunden "Sturm gelaufen" - und zwar, weil sie in Zeiten der Buga keinen Parkplatz mehr bekommen hatten. Für Kölle Zoo sei es ein Abwägen des geringeren Übels.
"Glücklich sind wir nicht damit", sagt Claudia Gurt. "Wir werden unsererseits versuchen, in der Zukunft auf die Parkraumüberwachung zu verzichten." Dafür müsste sich aber eine Mehrheit der Vermieter aussprechen. Sie seien ja nur einer der Mieter. Derzeit gebe es nach wie vor viele Beschwerden, Betroffene bekämen Gutscheine in angemessener Höhe. "Es ist eine ganz schlimme Situation", sagt die Kölle-Zoo-Sprecherin.

Kontrolleure werben um Verständnis für ihr Vorgehen
Die Parkplätze seien nach wie vor kostenfrei, sagt der zuständige Gebietsleiter bei Park & Control. Das übersähen Kunden leider häufig. Ihm sei Fairness wichtig. Der Schaden für den Handel durch Fremdparker sei immens. Ihre Kontrolleure wiesen Autofahrer sogar aktiv darauf hin - trotz der nicht zu übersehenden "100 Schilder" -, eine Parkscheibe auszulegen.
Zu Mahnschreiben trotz eingereichter Beschwerde sagt der Mitarbeiter, dass es sich wohl um ein Kommunikationsproblem handle. Eine Sensortechnologie, wie sie manche Supermärkte nutzen und die eine Parkscheibe überflüssig macht, sei nicht auf allen Parkplätzen realisierbar. Wie das Unternehmen Park & Control mit Sitz in Stuttgart mitteilt, sei für die Stornierung einer Vertragsstrafe wichtig, dass der Antrag fristgerecht gestellt werde - innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt. Nicht jeder Antrag auf Stornierung einer Strafe könne berücksichtigt werden.
Besonders hart erwischt hat es Kay Nekolny vor zwei Wochen auf dem Kaisersturm-Parkplatz. Zusammen mit seiner Familie war er im chinesischen Restaurant essen, angereist mit drei Autos: 90 Euro Strafgebühr. Von der Pflicht zur Parkscheibe habe er nichts gewusst, sagt Nekolny. Im Schriftwechsel mit Park & Control erhielt er die Zusicherung, dass "keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden", bis er eine Antwort erhalte - eine Woche später lag ein Mahnschreiben im Briefkasten.
Kommentar von Adrian Hoffmann: Händler sind gefordert
Die Sache ist nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Verständnis kann man für alle Beteiligten im Park & Control-Schlamassel haben. Für die Kunden, die doch bloß etwas einkaufen und ihr Geld im Laden lassen wollten. Für die Händler, die zufriedene Kunden möchten und in der Zwickmühle stecken, dass ihre Parkplätze allzu gerne fremdgenutzt werden. Für die Vermieter der Parkplätze, die ihren Mietern gerecht werden wollen. Selbst für den Kontrolleur der "bösen" Firma vor Ort, der den Auftrag hat, Knöllchen zu verteilen - und mit verärgerten Kunden angemessen umzugehen.
Was aber nicht geht: Kulanz beim erstmaligen Vergessen einer Parkscheibe zuzusichern - und diese nicht zu gewähren. Das kommt offenbar regelmäßig vor. Bei einer halbwegs organisierten Buchhaltung kann das kein Zufall sein. In Antwortmails von Park & Control steht dann: Man werde sich "schnellstmöglich" um die Anfrage kümmern, und sich "unaufgefordert" in Verbindung setzen. Bis dahin würden "keine weiteren Maßnahmen zur Durchsetzung der Forderung ergriffen". Eine Woche später liegt das Mahnschreiben im Briefkasten.
Hier sind die Einzelhändler gefordert, die sich gemeinsam zur Parkraum-Überwachung entschlossen haben. Wenn sie im Interesse ihrer Kunden handeln, wie sie gerne betonen, geben sie entweder großzügige Gutscheine aus, wie Kölle Zoo das bereits macht, oder sie üben Druck auf die beauftragte Firma aus. Über die Vertragsbedingungen zwischen Parkplatz-Besitzer und den Überwachern ist wenig zu erfahren, klar ist: Die Strafgebühr bekommt allein Park & Control. Ein Geschäftsmodell, bei dem Kulanz störend ist.