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Umstrittene Parkplatz-Kontrollen bringen Händler in Zwickmühle

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Nach wie vor beschweren sich etliche Kunden des Heilbronner Einzelhandels über Knöllchen. Kölle Zoo möchte die Pflicht zur Parkscheibe sogar wieder abschaffen.

Es ist kurios zu beobachten: Kunden strömen in die Geschäfte am Kaisersturm in Heilbronn, gehen eine halbe Stunde später heraus - und haben gelbe Zettel an der Autoscheibe hängen. Alle paar Meter steht ein Auto, in dem keine Parkscheibe liegt, dafür aber ein Knöllchen unterm Scheibenwischer steckt.

Yulia Gelber ist am Montag beim Tierarzt am Kaisersturm, danach findet sie an der Scheibe ein gelbes Ticket vor. Foto: Adrian Hoffmann
Yulia Gelber ist am Montag beim Tierarzt am Kaisersturm, danach findet sie an der Scheibe ein gelbes Ticket vor. Foto: Adrian Hoffmann  Foto: Hoffmann, Adrian

Yulia Gelber sieht den Kontrolleur der Firma Park & Control davonlaufen. "Habe ich etwas falsch gemacht?", fragt sie höflich. Der Kontrolleur reagiert ebenfalls höflich, aber auch deutlich. Sie habe keine Parkscheibe ausgelegt, erklärt er. Und das sei Pflicht. Mit einem Nachweis, Kundin gewesen zu sein, könne sie über die Webseite des Unternehmens eine Stornierung der Strafgebühr beantragen. Er selbst könne das nicht veranlassen, sagt der Mann, der mit dem Handy von jedem Auto Beweisfotos macht.

Überall weisen Hinweisschilder auf Parkscheiben-Pflicht hin

Die Vorgehensweise ist derzeit umstritten in Heilbronn, nicht nur am Kaisersturm. Etliche Kunden beschweren sich. Die Mitarbeiter umliegender Geschäfte haben alle Mühe, damit umzugehen. Am Kaisersturm machen an fast jedem Geschäft Hinweisschilder darauf aufmerksam, dass der Kunde bitte an die Parkscheibe denken möge. Manche Händler geben kostenlos Parkscheiben aus.

Thomas Gauß von der Stadtinitiative Heilbronn sagt, die Händler hätten sich sicherlich nicht für Parkraum-Überwachung entschieden, um Kunden zu verprellen. Der Ansatz sei eher ein positiver gewesen: Parkflächen für Kunden freizuhalten. Während der Bundesgartenschau hatten viele Menschen dort geparkt, ohne Kunde der umliegenden Händler zu sein. Und es könne nicht sein, dass jemand, der beim Media Markt einen Fernseher kaufen wolle, dort deshalb keinen Parkplatz mehr findet, argumentiert Gauß.

Der allerdings auch sagt: "Ich bin nicht der allergrößte Freund dieser Lösung." Mit einer Schranke habe es aber in der Vergangenheit nicht geklappt, diese sei drei Mal umgefahren worden. "Die beste Lösung wäre es, wenn Menschen, die nicht zum Einkaufen wollen, dort die Parkplätze nicht nutzen", so Gauß. "Die Appelle sind alle gescheitert."

Kölle Zoo möchte Parkraum-Überwachung wieder abschaffen

Claudia Gurt von Kölle Zoo merkt man das Unbehagen an. Sie fühle sich in der Zwickmühle, sagt sie. Es sei ihnen sehr wichtig, dass Kunden sich bei ihnen wohlfühlten. In der Vergangenheit seien aber auch Kunden "Sturm gelaufen" - und zwar, weil sie in Zeiten der Buga keinen Parkplatz mehr bekommen hatten. Für Kölle Zoo sei es ein Abwägen des geringeren Übels.

"Glücklich sind wir nicht damit", sagt Claudia Gurt. "Wir werden unsererseits versuchen, in der Zukunft auf die Parkraumüberwachung zu verzichten." Dafür müsste sich aber eine Mehrheit der Vermieter aussprechen. Sie seien ja nur einer der Mieter. Derzeit gebe es nach wie vor viele Beschwerden, Betroffene bekämen Gutscheine in angemessener Höhe. "Es ist eine ganz schlimme Situation", sagt die Kölle-Zoo-Sprecherin.

Händler weisen auf die Pflicht zur Parkscheibe hin, hier die Bäckerei Eibauer. Foto: Adrian Hoffmann
Händler weisen auf die Pflicht zur Parkscheibe hin, hier die Bäckerei Eibauer. Foto: Adrian Hoffmann  Foto: Hoffmann, Adrian

Kontrolleure werben um Verständnis für ihr Vorgehen

Die Parkplätze seien nach wie vor kostenfrei, sagt der zuständige Gebietsleiter bei Park & Control. Das übersähen Kunden leider häufig. Ihm sei Fairness wichtig. Der Schaden für den Handel durch Fremdparker sei immens. Ihre Kontrolleure wiesen Autofahrer sogar aktiv darauf hin - trotz der nicht zu übersehenden "100 Schilder" -, eine Parkscheibe auszulegen.

Zu Mahnschreiben trotz eingereichter Beschwerde sagt der Mitarbeiter, dass es sich wohl um ein Kommunikationsproblem handle. Eine Sensortechnologie, wie sie manche Supermärkte nutzen und die eine Parkscheibe überflüssig macht, sei nicht auf allen Parkplätzen realisierbar. Wie das Unternehmen Park & Control mit Sitz in Stuttgart mitteilt, sei für die Stornierung einer Vertragsstrafe wichtig, dass der Antrag fristgerecht gestellt werde - innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt. Nicht jeder Antrag auf Stornierung einer Strafe könne berücksichtigt werden.

Besonders hart erwischt hat es Kay Nekolny vor zwei Wochen auf dem Kaisersturm-Parkplatz. Zusammen mit seiner Familie war er im chinesischen Restaurant essen, angereist mit drei Autos: 90 Euro Strafgebühr. Von der Pflicht zur Parkscheibe habe er nichts gewusst, sagt Nekolny. Im Schriftwechsel mit Park & Control erhielt er die Zusicherung, dass "keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden", bis er eine Antwort erhalte - eine Woche später lag ein Mahnschreiben im Briefkasten.


Kommentar von Adrian Hoffmann: Händler sind gefordert

Die Sache ist nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Verständnis kann man für alle Beteiligten im Park & Control-Schlamassel haben. Für die Kunden, die doch bloß etwas einkaufen und ihr Geld im Laden lassen wollten. Für die Händler, die zufriedene Kunden möchten und in der Zwickmühle stecken, dass ihre Parkplätze allzu gerne fremdgenutzt werden. Für die Vermieter der Parkplätze, die ihren Mietern gerecht werden wollen. Selbst für den Kontrolleur der "bösen" Firma vor Ort, der den Auftrag hat, Knöllchen zu verteilen - und mit verärgerten Kunden angemessen umzugehen.

Was aber nicht geht: Kulanz beim erstmaligen Vergessen einer Parkscheibe zuzusichern - und diese nicht zu gewähren. Das kommt offenbar regelmäßig vor. Bei einer halbwegs organisierten Buchhaltung kann das kein Zufall sein. In Antwortmails von Park & Control steht dann: Man werde sich "schnellstmöglich" um die Anfrage kümmern, und sich "unaufgefordert" in Verbindung setzen. Bis dahin würden "keine weiteren Maßnahmen zur Durchsetzung der Forderung ergriffen". Eine Woche später liegt das Mahnschreiben im Briefkasten.

Hier sind die Einzelhändler gefordert, die sich gemeinsam zur Parkraum-Überwachung entschlossen haben. Wenn sie im Interesse ihrer Kunden handeln, wie sie gerne betonen, geben sie entweder großzügige Gutscheine aus, wie Kölle Zoo das bereits macht, oder sie üben Druck auf die beauftragte Firma aus. Über die Vertragsbedingungen zwischen Parkplatz-Besitzer und den Überwachern ist wenig zu erfahren, klar ist: Die Strafgebühr bekommt allein Park & Control. Ein Geschäftsmodell, bei dem Kulanz störend ist.

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Kommentare

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Frederik Schulze am 16.10.2019 11:20 Uhr

Der große Elektrofachmarkt am Europaplatz könnte dieses Autozubehör ja in sein Sortiment aufnehmen.
Dann wäre die Parkplatzüberwachung auch gleichzeitig eine Umsatzsteigerungsprogramm.

Ob dies der Kunde jedoch Honorieren wird oder eher als "dreist" empfindet, bleibt jedem Betrachter selbst überlassen.

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Frederik Schulze am 16.10.2019 10:47 Uhr

Automatische Parkscheibe

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am 16.10.2019 10:16 Uhr

Beste Maßnahme. Wirkt ohne Plaketten, Maut, etc.

Wer braucht schon Einzelhandel?

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am 16.10.2019 08:54 Uhr

Mich hat es im Juli ebenfalls auf dem Kaiserturm Parkplatz erwischt, ich war für 20 Minuten bei Köllezoo um Tierfutter zu kaufen und als ich zum Fahrzeug zurück kam hatte ich den gelben Zettel am Wischer.
Mir war nicht bewusst das hier jetzt eine Parkscheibe ausgelegt werden muss, und die Hinweisschilder hatte ich nicht wahrgenommen. Nach kurzer Aufregung über den Strafzettel, der übrigens höher ausgefallen ist wie mein Einkauf beim Kölle, habe ich für mich ein Entschluss gefasst, dass ich zukünftig meine Einkäufe im Bereich Tiernahrung und Elektronik übers Internet (Online) einkaufe.
Amazon freut sich, ist bequemer, bekomme meine Einkäufe an die Haustüre geliefert und teilweise sogar noch günstiger wie in den Läden. Und zudem habe ich noch etwas für die Umwelt getan in dem ich mein Fahrzeug stehen lassen kann.
S. Müller

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Frauke Baumert am 16.10.2019 00:27 Uhr

Es wäre ja schön, wenn Park & Control die Sachlage eines jeden Einzelnen tatsächlich prüfen würde. Mein Mann parkte vor Kurzem vor Media Markt um einen E-Book Reader zu kaufen. Keine 20 Minuten später fand auch er ein gelbes Knöllchen über 30 Euro an der Autoscheibe. Die Aufforderung eine Parkscheibe zu hinterlegen hatte er schlichtweg übersehen, zumal wir bereits mehrere Jahre Kunde bei Media Markt sind und es seither auch ohne erlaubt war. Auf Anfrage im Media Markt erhielt er ein Schreiben das er inkl. Kassenzettel einreichen sollte, man wäre sicher bereit bei einem ersten Vergehen Kulanz zu gewähren. Der Antrag wurde noch am selben Tag gestellt. Nach fast zwei Wochen erhielten wir die Rückinfo, daß eine Kulanz nicht gewährt wird und wir den Betrag umgehend zu überweisen hätten. Die Heilbronner Händler wollen ihre Parkplätze ausschließlich ihren Kunden zur Verfügung stellen, dann sollten sie auch selbst Personal zur Überprüfung abstellen, um zu vermeiden, daß daraus Profit gezogen wird. Als nichts anderes sehe ich die Praktiken von Park&Control an. Wir werden zukünftig nicht mehr bei Media Markt einkaufen. Nicht weil eine Parkscheibe angebracht werden muss, sondern weil es Media Markt im Endeffekt egal ist, ob ihre Kunden von einer Fremdfirma abgezockt werden. Und den Onlinehandel freut es...

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