Roigheim: Bürgermeister Michael Grimm im Interview zum Amtsaustritt
Bürgermeister Michael Grimm scheidet zum Jahresende vorzeitig aus dem Amt des Roigheimer Bügermeisters aus. Im Interview erklärt er die Gründe und, was ihn im Laufe der vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten gefreut, aber auch geärgert hat.

Nach 22 Jahren und fünf Monaten beendet Michael Grimm zum Jahresende seine Tätigkeit als Bürgermeister in Roigheim – 19 Monate vor dem regulären Ende seiner dritten Amtszeit. Seine Nachfolge in der mit 1.500 Einwohnern kleinsten Gemeinde im Landkreis Heilbronn übernimmt die derzeitige Roigheimer Kämmerin Sandra Schöll.
Im Interview zu seinem Eintritt in den Ruhestand spricht der parteilose 64-jährige Michael Grimm über die Gründe seines vorzeitigen Ausscheidens, den Wandel des Bürgermeister-Amts und die größte Entlastung für ihn ab dem Neujahrstag.
Welche Gründe haben Sie für Ihren vorzeitigen Amtsaustritt?
Michael Grimm: Einen Hauptgrund gibt es nicht, es sind viele kleine Punkte: Immer mehr Bürokratie in der Verwaltung und immer mehr Aufgaben, die an die Kommunen delegiert werden, ohne dass diese gegenfinanziert werden. Solange ich fit bin, möchte ich noch viel von der Welt sehen. Ich halte es für wichtig, über die eigene Umgebung, über den Tellerrand hinauszuschauen. Und einige ehemalige Bürgermeister-Kollegen, die bereits im Ruhestand sind, berichten: Sie bereuen den Ruhestand kein bisschen.
Bürgermeister Michael Grimm: Super Zusammenarbeit im Rathaus
An der Arbeit im Roigheimer Rathaus liegt es aber nicht?
Grimm: Keinesfalls. Die Zusammenarbeit im Rathaus-Team und auch mit dem Gemeinderat war und ist top. Davon können viele Amtskollegen nur träumen.
Heute Bürgermeister zu sein, ist sicher anders als bei Ihrem Amtseintritt 2003, oder?
Grimm: Es ist kaum zu vergleichen. Die Bürokratie hat enorm zugenommen. Früher hat man auch mehr im direkten Austausch, am Stammtisch, miteinander diskutiert. Da konnte man Dinge richtigstellen, wenn aufgrund mangelhafter Kenntnis Sachverhalte falsch bewertet wurden. Heute kann jeder seine Meinung in den Sozialen Medien veröffentlichen und fast jeder meint, dass er es am allerbesten weiß. Aus wenig Wissen und viel Meinung verbreitet sich dabei oft unnötiger Unmut.
Michael Grimm: 20-Jahr-Feier als Höhepunkt der Bürgermeister-Zeit
Hat Sie diese Entwicklung frustriert?
Grimm: Ja, schon ein Stück weit. Aber das betrifft ja nicht nur mich oder den Job des Bürgermeisters allgemein, sondern die gesamte Gesellschaft.
Welcher Tag in Ihrer Amtszeit war für Sie der schönste?
Grimm: Das war im Juli 2023, als es ein Überraschungsfest im Feuerwehrhaus zu meiner 20-jährigen Amtszeit als Bürgermeister gegeben hat. Sogar mein Sohn ist mit seiner Band aufgetreten. Das war eine unvergessliche Wertschätzung.
Was betrachten Sie als Ihren größten Erfolg in den vergangenen zwei Jahrzehnten?
Grimm: Das wichtigste Projekt war sicher, Ende der Nullerjahre das Wasserversorgungskonzept der Gemeinde umgesetzt zu haben. Wir setzen dabei wie zuvor auf die eigenen Quellen der Gemeinde. Dieses 2,4 Millionen Euro teure Vorhaben mit neuem Hochbehälter, der mit Ultra- und Nanofiltration ausgerüstet ist, hat in der Versorgung unsere Unabhängigkeit gesichert. Bedeutsam war auch die Ortskern-Sanierung und das damit verbundene Schaffen bzw. sanieren von 37 Wohneinheiten und der Ausbau der Hauptstraße.
In Roigheim legen die Feuerwehrleute auch selbst Hand an
Sicher haben Sie auch Fehler gemacht...
Grimm: Ich habe zu häufig versucht, es allen recht zu machen. Das geht nun mal nicht. Das hatte zur Folge, dass ich manche Themen zu nah an mich herangelassen habe. Da nimmt man manche Dinge gedanklich mit ins Bett, wacht morgens um vier Uhr auf und grübelt bis zum Aufstehen darüber nach.
Wie betrachten Sie die derzeit viel diskutierte Finanz-Situation der Kommunen?
Grimm: Das ist natürlich ein Riesenthema. Es war schon manchmal frustrierend, dass für viele gute Ideen das Geld gefehlt hat. Teilweise hat das Ehrenamt in Roigheim aber Manches ausgeglichen.
Zum Beispiel?
Grimm: Wenn wir Pläne aus finanziellen Gründen bei der Feuerwehr nicht umsetzen können, legen die Feuerwehrleute, die super Handwerker sind, selbst Hand an. Das ist vorbildlich.
Roigheim: Ein Bürgermeister braucht auch Zeit für Privates
Was wünschen Sie der Gemeinde Roigheim und Ihrer Nachfolgerin Sandra Schöll?
Grimm: Roigheim wünsche ich viel sachlichen Dialog, um Vorurteilen und Halbwissen entgegenzuwirken. Auch ein Gasthaus wäre schön. Mit dem Dönerimbiss, der im neuen Jahr kommt, ist ein Anfang gemacht. Und Frau Schöll wünsche ich ein dickes Fell und, dass sie, trotz der vielen Aufgaben, und ihres Engagements noch Zeit für Privates hat.
Werden Sie Roigheim auch ohne das Amt des Bürgermeisters verbunden bleiben?
Grimm: Selbstverständlich. Ich bin ja noch im Vorstand des Heimatvereins und des DRK. Und die Feste werde ich auch zukünftig gerne besuchen.
Wie gestalten Sie das Mehr an Freizeit im Ruhestand?
Grimm: Ich möchte mehr Zeit mit meiner Frau und allgemein mit meiner Familie verbringen. Das Reisen ist ein großes Thema. Costa Rica und Panama interessieren mich. Es ist auch mehr Zeit für Hobbys. Eventuell packe ich meine Tuba wieder aus.
Lebendiges Miteinander als schöne Seite des Bürgermeister-Amts
Was werden Sie vermissen, wenn Sie nicht mehr Bürgermeister sind?
Grimm: Die vielen Begegnungen und das tolle, lebendige Miteinander. Sowohl mit bekannten Persönlichkeiten als auch im Kleinen. Man bekommt in diesem Amt wahnsinnig viele Anregungen, erweitert stetig seinen Horizont. Schön ist auch die Dankbarkeit, die man erlebt, wenn man beispielsweise Senioren an Geburtstagen besucht. Diese Herzlichkeit ist wunderbar.
Und was wird Ihnen sicher nicht fehlen?
Grimm: Die permanente Verantwortlichkeit. Ich freue mich darauf, in den Augen mancher nicht mehr an allem schuld zu sein, was angeblich falsch läuft.
Kommentare öffnen
Stimme.de
Kommentare