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"Maximale Schieflage": Was den Weinbau in Württemberg in Schwierigkeiten bringt

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Der Weinbauverband Württemberg kann Wengertern in der Krise wenig Hoffnung machen. Die Schieflage auf dem Weinmarkt ist ein globales Problem: Es wird immer weniger Wein getrunken und zu viel produziert.

Vor allem der Steillagen-Weinbau wie hier in Lauffen am Neckar ist in Schieflage geraten.
Vor allem der Steillagen-Weinbau wie hier in Lauffen am Neckar ist in Schieflage geraten.  Foto: Archiv/Veigel

Viel Schatten und kleinere Lichtblicke waren am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz des Weinbauverbands Württemberg angesagt. Die erfreulichste Nachricht tischte Verbandsvize Peter Albrecht in Vertretung des erkrankten Hermann Hohl ganz am Ende auf: Die Vereinigung Triebwerk der Genossenschaftskellerei Heilbronn darf sich mit dem Titel Württemberger Jungwinzer des Jahres schmücken. "Junge Gesichter und Gedanken", so Albrecht, ließen ihn trotz der aktuellen Krise, die im übrigen auch Chancen biete, zuversichtlich nach vorne blicken.

Nicht nur der Württemberger oder der deutsche Weinbau seien in eine "maximale Schieflage geraten", betonte Verbandsgeschäftsführer Hermann Morast. Vielmehr handle es sich um ein globales Problem: weltweite Überproduktion, sinkender Weinkonsum, steigende Produktionskosten, zunehmende politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Dies führe nicht nur zu den aktuellen Protestaktionen, sondern auch dazu, dass immer mehr Winzer aufhörten und bald immer mehr Flächen brach liegen werden.

Weinbau in Württemberg: Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf Ökologie

"Wir als Verband müssen dafür Sorge tragen, dass dieser Strukturwandel nicht zum Strukturbruch führt", warnte Morast sogar. Vor diesem Hintergrund kritisierte er zunächst die "ruinöse Preispolitik des Handels", aber auch teils überzogene politische Vorgaben, wie die - inzwischen gekippte - EU-Pflanzenschutz-Verordnung, die den Weinbau auf 30 Prozent der Fläche unmöglich gemacht hätte. Nachhaltigkeit, dies gab Morast zu bedenken, dürfe sich nicht nur auf Ökologie beziehen, sie müsse auch wirtschaftliche Aspekte der Betriebe und die soziale Situation der davon lebenden Familien beachten.

Innerhalb weniger Jahre dürften 2000 der derzeit noch 11.151 Hektar Rebfläche in Württemberg wegbrechen, vor allem Steillagen und Terrassen, was nicht nur die Landschaft verändere und dem Tourismus schade, sondern auch zu einem Verlust an Biodiversität führe, so Albrecht. Um einer wilden Verbuschung entgegenzuwirken sei ein geordneter Rückbau mit Rodung, Begrünung und Konzentration der Rebflächen wichtig. Dies berge auch die Chance der Biotopvernetzung und der Schaffung neuer Habitate. Der Rückgang führe irgendwann aber auch zu einem Gleichgewicht von Produktion und Konsum.

Kritik an Marktmarkt des Einzelhandels

Angesichts globaler Überproduktion sei Deutschland als größter Weinimportmarkt besonders stark umkämpft, wusste der zweite Verbands-Vize Bernhard Idler. Gleichzeitig herrschten im Lebensmittelhandel nach dem Wegfall von Real durch die Konzentration auf Rewe, Schwarz-Gruppe, Edeka und deren Marktmacht inzwischen "oligopole Strukturen", so Idler.


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Angesichts des Kostendrucks habe man 2023 zwar leichte Preissteigerungen durchgesetzt, doch reichten diese nicht aus, um Winzern einkömmliche Erlöse zu garantieren. Trotz aller Bekenntnisse zur Regionalität würden die meisten Verbraucher "über eine bestimmte Preisschwelle nicht mehr mitgehen" und gerade in Krisenzeiten verstärkt zu Billigprodukten aus dem Ausland greifen. So sei der Anteil deutscher Weine auf dem heimischen Markt auf 42 Prozent gesunken, manche sagten sogar auf 40.

Probleme mit Arbeitskräften und Nachwuchsmangel

Ein weiteres Problem sei der Arbeitsmarkt: wegen "abstruser Forderungen" beim Mindestlohn und durch den Fachkräftemangel, der sich verschärfen werde, wie ein Blick in die Weinbauschule zeige.

Der Verband geht deshalb davon aus, dass perspektivisch auch viele Haupterwerbsbetriebe keine Nachfolger finden. "Doch die landwirtschaftliche Altersvorsorge beruht vorrangig auf der Weitergabe des Betriebs, weniger auf einer gesetzlichen Rente", erklärte Morast. Der Verband fordert deshalb "im Kontext der sozialen Nachhaltigkeit" zwingend die Anpassung von Renten- und Steuerrecht, um jungen und älteren Winzern ein sicheres Alterseinkommen zu garantieren.

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