Winzer betreten mit robusten Rebsorten namens Piwis Neuland
Immer mehr Württemberger Weingärtner setzen auf robuste Rebsorten, sogenannte Piwis. Sie sind besonders pilzwiderstandsfähig, müssen weniger gespritzt werden und schonen dadurch Umwelt und Geldbeutel.
Piwi? Klingt irgendwie nach einem indogenen Stamm, nach einer tropischen Frucht - exotisch eben. Winzer wissen: Piwi steht für pilzwiderstandsfähige Rebsorten, also für solche, denen schädliche Mehltaupilze im Weinberg wenig anhaben können, - im Gegensatz zu empfindlichen Traditionssorten, die deshalb mit Pflanzenschutzmitteln gespritzt werden müssen: im konventionellen Weinbau mit chemischen, im biologischen mit natürlichen. Je nach Witterung ist das rund zehn mal pro Jahr der Fall. Bei Piwis reichen dagegen meist nur zwei, drei Spritzungen.
Ökonomische und ökologische Gründe
Vor dem Hintergrund des Klimawandels, der Reben anfälliger für Krankheiten und Schädlinge macht, aber auch aus ökologischen und ökonomischen Gründen, nicht zuletzt aber wegen strengerer politischen Vorgaben zum Umweltschutz erleben die besonders robusten Piwis gegenwärtig eine regelrechte Blüte. Freilich auf niederigem Niveau. Innerhalb von sieben Jahren haben die Robusten um 90 Prozent auf 204 Hektar zulegt, weiß Magdalena Dreisiebner, die an der Weinbauschule Weinsberg die Weinbaukartei führt. In Württemberg liegt ihr Anteil mit 204 Hektar bei zwei Prozent, in Deutschland mit 2713 Hektar bei 2,7 Prozent. "Da ist noch viel Luft nach oben, aber sie werden weiter Boden gut machen", prognostiziert die Expertin.
Am Bodensee schon drei komplette Piwi-Güter
Derweil berichtet Wolfgang Keicher von der Rebschule der Genossenschaftskllerei (GK) Heilbronn, dass dort schon ein Drittel der jährlich 400.000 produzierten Pfropfreben Piwis sind. In Regionen, wo der Weinbau in den Kinderschuhen steckt, etwa in Norddeutschland oder Skandinavien, "gibt es gar nichts anderes". Am Bodensee setzen schon drei Güter voll auf Piwis: Lanz, 2H und Deufel, in Freiburg zudem das Weingut Dilger. "Bei uns sind derzeit die Hälfte der Neupflanzungen Piwis", berichtet Thomas Eberbach von den Weingärtnern Stromberg-Zabergäu. Das Weingut Gemmrich aus Beilstein vermarktet eine ganze Serie unter der Marke "Unkaputtbar", wofür die Junioren Anja und Simon 2019 sogar vom Weinbauverband Württemberg zu Jungwinzern des Jahres gekürt wurden. Auch Nebenerwerbswengerter haben das Thema entdeckt. Jürgen Spohrer zum Beispiel, der in Binswangen knapp ein Hektar umtreibt, will "die Hälfte auf Piwis umstellen".
Nicht so viel mit dem Schlepper fahren
Der Heilbronner Öko-Pionier Andreas Stutz, der den Ecovin-Verband Württemberg führt und im Vorstand des Vereins Piwi Deutschland sitzt, hat 30 Prozent seiner Rebflächen so bestockt. "Piwis sind in vielerlei Hinsicht nachhaltiger", betont er. "Man spart 80 Prozent der Pflanzenschutzmittel und muss damit nicht so oft mit dem Schlepper rausfahren. Das schont den Boden, die Umwelt insgesamt und nicht zuletzt den Geldbeutel." In kritischen Jahren wie 2021 schlage das besonders zu Buche.
In Steillagen gute Alternative
Die Prädikatswinzer Ernst und Christian Dautel aus Bönnigheim nennen ihren Piwi-Bestand "sehr überschaubar". "Wir sind noch in der Phase, wo wir Erfahrungen sammeln müssen." Aus arbeitstechnischen Gründen taste man sich in Steillagen an das Thema heran. Gleichzeitig spielt für die Top-Winzer der Terroir-Gedanke eine große Rolle, also die Idee vom idealen Zusammenspiel zwischen Rebsorte, Standort, Klima, Traubenverarbeitung und Weinprofil. "Mit Traditionssorten hat man Erfahrung, mit Piwis betrittst du Neuland", erklärt Christian Dautel.
So spielen neben weinbaulichen Fragen, auch geschmackliche eine wichtige Rolle, und damit auch die Kundschaft, betonten Benyamin und Sugg aus Weinsberg-Gellmersbach. Sie probierten sich dieser Tage mit etlichen anderen Kollegen in der GK Heilbronn durch einen Parcour von 35 verschiedenen Piwis. Einhellige Meinung: In Aroma und Geschmack haben sie inzwischen an Qualität gewonnen. Teils erinnern sie an bekannte Sorten, teils haben sie ein eigenes Profil.
Piwis schmecken immer besser
"Früher schmeckten manche mostig, mäuselten oder hatten einen Fuchston, inzwischen gibt es richtig gute Sachen", weiß GK-Geschäftsführer Daniel Drautz. Um sich "nicht zu verzettelen" konzentriere sich die GK vorerst auf drei Sorten mit zusammen fünf Hektar: Sauvitage, Souvignier Gris und We 94-26-37. Während der "neue Namenlose" wohl in Cuvées einfließen dürfte, feierte bei der Messe Prowein ein reiner Sauvitage aus der Triebwerk-Jungwinzer-Serie Premiere. Provokanter Name: Kreuzweise.
Aufgabe von Generationen
Am Rande der Verkostung in Heilbronn ließ Jürgen Sturm von der Weinbauschule Weinbergs durchblicken, wie er den neuen Roten gerne taufen würde: Levitage. Mit der Namensfindung sei es "immer so eine Sache": vom Klang über bestimmte Assoziationen bis zur Zulassung beim Bundessortenamt. Wobei die Namensfindung nur der kleinste Teil eines 25 bis 30 Jahre dauernden, sehr komplizierten Züchtungsverfahrens sei: von der Kreuzung bestimmter Reben über die Aussaat und Kultivierung neuer Sorten in Versuchsanlagen und Versuchskellern bis zur Zulassung vergehe eine ganze Generation. "Meist erlebt es der Züchter gar nicht mehr, wenn sein Zögling Lorbeeren erntet."