Wie zwei Männer in Heilbronn dank Schuldnerberatung wieder eine Perspektive finden
Vom Rand des Abgrunds zurück ins Leben: Zwei Männer berichten, wie ihnen die Schuldnerberatung von Awo und Aufbaugilde nach Trennung und Geldnot auf die Beine half.

Roter Hoodie, ein offenes, freundliches Gesicht, ein jungenhaftes Auftreten: Jörg M. (Name von der Redaktion geändert) sieht man seine 57 Jahre nicht an. Der gelernte Medizintechniker ist wohlbehütet aufgewachsen, wie er sagt. 25 Jahre hat er im väterlichen Betrieb gearbeitet, zwölf, 16 Stunden am Tag, oft unter Missachtung der eigenen psychischen und physischen Grenzen, was eine Belastung war, auch für seine Beziehungen.
Jörg M. hat einen Scheidungsmarathon hinter sich
Er hat bewegte Jahre hinter sich, Jahre, die ihn in manchen Abgrund blicken ließen. Depressionen, ein Zusammenbruch. Zwölf Wochen Klinikaufenthalt. Zwei Scheidungen, ein Kind aus erster Ehe, zwei aus zweiter Ehe und ein zermürbender Scheidungskrieg, der sich mit 32 Gerichtsverhandlungen über sieben Jahre zieht.
Er hat die Hölle durchgemacht, sagt er
Auch die nächste Beziehung, aus der drei Kinder hervorgehen, zehn, zwölf und 14 Jahre alt, zerbricht und hinterlässt tiefsten Schmerz. "Diese Frau war mein Stern, der mich auf Kurs hielt", sagt Jörg M. "Mein Anker. Wir haben, gerade durch die Scheidung der zweiten Ehe, gemeinsam die Hölle durchgemacht. Und dann, als alles unter Dach und Fach war, hab ich Blödsinn gebaut. Sie hat Blödsinn gebaut. Und auf einmal war alles vorbei. Das hat mir den Rest gegeben."
Finanziell läuft das Fass über, als er den Führerschein verliert
Finanziell läuft das Fass über, als er den Führerschein zwei Monate abgeben muss, durch seinen Job in der mobilen Krankenpflege aber dringend auf das Auto angewiesen ist. "Ich dachte, jetzt bricht alles zusammen, ich kann die Miete nicht mehr zahlen." Den Mann, der im Unternehmen des Vaters das Credo verinnerlicht hatte, dass man jede Rechnung schnell begleicht, dass man sich zusammenreißt und keine Schwäche zeigt, kostet es eine riesen Überwindung, an der Tür der Schuldnerberatung zu klingeln.
Die Schuldnerberatung hat ihm "unendlich geholfen"
Heute ist er froh, den Schritt geschafft zu haben und mit Schuldnerberater Christoph Boss von der Aufbaugilde eine Perspektive entwickeln zu können. "Das hat mir unendlich geholfen."
Über die Jahre rutschte er massiv ins Minus
Wie er so massiv ins Minus gerutscht ist? Mit jeder Trennung sei ein Batzen dazugekommen, sagt Jörg M. "Ich hab Konten mit Miesen übernommen, verliehenes Geld nicht zurückgekriegt, ich hab versucht, alles auszugleichen, bin aber nie auf Null gekommen."
Zwischendurch dann ein kleiner Urlaub mit den Söhnen, teure Rechnungen für das alte Auto, Angebote unseriöser Banken, den Dispo weiter zu erhöhen. "Das ist verlockend, oft auch für junge Leute", sagt Schuldnerberater Boss. Selbst wenn das Konto gesperrt ist, kann es sein, dass Werbung für einen 20.000-Euro-Kredit in den Briefkasten flattere.
Die Schulden belaufen sich auf rund 30.000 Euro
Aktuell erarbeitet er mit Jörg M. einen Plan, auf rund 30.000 Euro belaufen sich die Schulden. Womöglich droht Privatinsolvenz.
"Er hat zwei Arbeitsplätze, ist unterhaltspflichtig und sehr kooperativ," sagt Boss, der auch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt lobt. Potenziell zu pfänden bleibt nicht viel. Zu den 1450 Euro, die Jörg M. als pädagogische Fachkraft in der Ganztagsbetreuung einer Schule verdient, kommen 560 Euro aus der mobilen Krankenpflege. Minus 410 Euro Unterhalt für die Kinder, mit denen er Kontakt hält.
Er hofft, eine bezahlbare Wohnung zu finden
Sein großer Wunsch derzeit: Sie öfter zu sehen und eine bezahlbare Wohnung zu finden, wo sie ihn auch besuchen können. Er fühlt sich stabiler, konnte die Medikamente gegen die Depressionen absetzen, öffnet alle Briefe, auch die unangenehmen. Was er noch nicht überwunden hat: "Dass ich so ein Arsch war. Ich hatte noch nie jemanden, der so an meiner Seite stand wie die Mutter meiner drei Kinder."
Alex F. ist nach der siebten Klasse nicht mehr zur Schule gegangen
Auch Alex F. (38) versucht, sein Leben auf die Reihe zu bekommen. Zur Zeit arbeitssuchend macht er aktuell den Führerschein, um als Kurier- und Servicefahrer anzufangen. Davor war er geringfügig beschäftigt, auch er stand nach dem Ende seiner Beziehung "kurz vor dem Burnout". Teils im Heim aufgewachsen hat er keinen Schulabschluss und keine Ausbildung. "Nach der siebten Klasse bin ich nicht mehr in die Schule gegangen", sagt er. "Ich war relativ schwer erziehbar."
Schulden sind bei der Krankenkasse aufgelaufen
Alex F. hat schon eine zeitlang auf der Straße gelebt, Schulden sind primär bei der Krankenkasse aufgelaufen. "Die Schulden haben alle mit der Gesundheit zu tun", sagt er. "Wegen einer Operation beim Zahnarzt und weil ich Nierenkoliken bekommen habe und nicht versichert war." Christoph Boss half, die Höhe der Rechnung von 6000 auf 3600 Euro zu senken, es gab eine außergerichtliche Einigung.
"Es ist wichtig, Lösungen zu finden, damit die Leute den Kopf frei bekommen, um eine Perspektive zu entwickeln und einen Job zu finden, sagt Boss. Was Alex F. auch aus der Beratung mitgenommen hat, ist, dass er seine Post öffnet und bearbeitet. Sein Zukunftswunsch: Keine Schulden mehr machen. "Ich will ein geregeltes Leben und auf niemanden angewiesen sein. Einen Platz für mich, wie jetzt im WG-Zimmer in der Wilhelmstraße und vielleicht später sogar eine eigene Wohnung."