Die Not frisst sich auch in der Region Richtung Mittelschicht
Durch Energiekrise, Inflation und hohe Mieten nimmt die Not in der Region zu. Probleme bereiten auch Rückforderungen von Sozialleistungen. Wie können Berater von Aufbaugilde und Awo in dieser Situation nachhaltig helfen?

Von 2,5 auf 3,5 Vollzeitstellen: Dass die Schuldnerberatung wegen des hohen Bedarfs aufgestockt wird, hatte der Sozialausschuss der Stadt Heilbronn schon 2021 für das kommunale Pflichtangebot beschlossen.
Auch die Mittelschicht muss kämpfen
Aktuell verschärft sich die Lage erneut. Energiekrise, Inflation und hohe Mieten tragen ihren Teil dazu bei. In ihrer inzwischen gemeinsamen Anlaufstelle in der Olgastraße 19 stellen die Berater von Aufbaugilde und Awo fest, dass die Not zunimmt. "Das geht Richtung Mittelschicht, die wegen der steigenden Preise kämpfen muss", sagt Anna Dolch, Leiterin des Bildungsparks Heilbronn-Franken der Aufbaugilde. Bis zu drei Wochen dauere es, bis Ratsuchende einen Termin erhielten. "Wir haben in Heilbronn keine lange Wartezeit. Wichtig ist aber vor allem, dass die Qualität stimmt."
Auch Altersarmut wird zunehmend ein Problem
Schuldnerberaterin Andrea Büttner von der Awo bestätigt: "Die Nachfrage, vor allem auch bei den Arbeitnehmern, ist deutlich gestiegen." Der Reallohnverlust habe im vergangenen Jahr bei vier Prozent gelegen, so Christoph Boss von der Aufbaugilde. Grundsätzlich steht die Schuldnerberatung allen Privathaushalten offen. Doch vor der Personalaufstockung konnten Arbeitnehmer und Selbstständige mit geringem Einkommen nicht mehr beraten werden, weil die Kapazitäten nicht ausreichten. Aktuell sei zudem Altersarmut ein Thema, das immer größeres Gewicht bekomme.
Besonders wegen Arbeitslosigkeit geraten Menschen in Schulden
Arbeitslosigkeit, Unfälle und Krankheiten seien mit die Hauptgründe, warum Menschen in die Schuldenfalle gerieten, sagt Tobias Schumacher, Fachbereichsleiter Bildung und Gemeinschaft bei der Awo. Dazu kämen Suchterkrankungen und Depressionen. Die Fälle seien sehr unterschiedlich. Es handele sich nicht zwangsläufig und klischeehaft um Menschen, die nicht in der Lage seien, mit Geld umzugehen.
Wichtig ist den Trägern nachhaltige Arbeit
Probleme bereiteten auch immer wieder falsch berechnete Sozialleistungen. "Dann gibt es Rückforderungen, etwa beim Bürgergeld", so Ralf Unger, Awo-Schuldnerberater. Mancher nehme auch eine Arbeit auf, werde erst Ende des Monats bezahlt und habe trotzdem Anfang des Monats eine Sozialleistung erhalten, die er dann zurückzahlen müsse, ergänzt seine Kollegin Andrea Büttner. Oder er werde in der Probezeit gekündigt.
Wichtig ist es den Trägern, nachhaltig zu helfen. Dazu gehört, so Boss, dass die Leute mitarbeiteten. Die Ratsuchenden müssen schauen, welche Forderungen anhängig sind, sich ums Kindergeld kümmern und darum, ob der richtige Kinderfreibetrag auf dem Lohnzettel vermerkt ist. "Wir versuchen, eine Struktur zu schaffen, damit die Menschen ein Verständnis dafür bekommen, was sie hierher geführt hat."
Das Thema hat viel mit Scham zu tun
Lieber bar bezahlen, um den Überblick zu behalten, das empfehlen die Berater. "Schuldner neigen dazu, Löcher zu stopfen", sagt Andrea Büttner. In der Budgetberatung arbeitet sie intensiv mit den Betroffenen, motiviert sie, ihre Post genau durchzuarbeiten. "Das Thema hat viel mit Scham zu tun."
Schuldnerberatung im Landratsamt
Zusätzlich zur Beratung von Awo und Aufbaugilde gibt es auch die des Landkreises im Jobcenter Heilbronn.