Nachfrage bei der Schuldnerberatung in Heilbronn steigt
Viel Zulauf bei Awo und Aufbaugilde: Die Fälle werden komplexer, die Verschuldungshöhe steigt. Darüber hinaus gibt es mehr Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Heilbronn.

Die Nachfrage bei der Schuldnerberatung von Awo und Aufbaugilde in der Stadt Heilbronn steigt und mit ihr die Höhe der durchschnittlichen Verschuldung der Betroffenen. Lag die durchschnittliche Verschuldung Ratsuchender 2021 bei 23.800 Euro ist sie in 2022 auf 27.000 Euro geklettert. Das berichteten Vertreter von Awo und Aufbaugilde bei einer ersten Bilanz ihrer gemeinsamen Arbeit.
Energiekrise verschärft die Lage
Die Problematik betreffe zunehmend auch Arbeitnehmer und somit die gesellschaftliche Mittelschicht, die von Inflation und Reallohnverlust betroffen sei, so die Fachleute. Die Energiekrise verschärft die Lage. "Die Vermieter warten derzeit noch auf die Abrechnungen der Hausverwaltungen", sagt Schuldnerberater Ralf Unger von der Arbeiterwohlfahrt Stadtverband Heilbronn (Awo). "Da kommt noch eine Lawine auf uns zu."
Sowohl Awo als auch die Aufbaugilde stellten sich auf das Thema ein, so Anna Dolch, Leiterin des Bildungsparks Heilbronn-Franken der Aufbaugilde.
Die Fälle werden komplizierter
Gleichzeitig werden die Fälle komplexer. Denn die Zahl der Gläubiger ist von durchschnittlich elf im Jahr 2021 auf 17 im Jahr 2022 gewachsen. "Das bedeutet für die Schuldnerberater einen steigenden Zeitaufwand, allein bis sie alle Unterlagen zusammen haben und sich einen Überblick verschaffen können", sagt Tobias Schumacher, Fachbereichsleiter Bildung und Gemeinschaft bei der Awo. Die Folge: "Die Verfahren dauern länger."
Auch Prävention ist wichtig
Es sei darüber hinaus erforderlich, nicht nur zu reagieren, sondern auch vorzubeugen. Schumacher: "Es ist wichtig, den Bereich Prävention auszuweiten, mit Informationsveranstaltungen, etwa in Schulen." Das sei jedoch mit dem bestehenden Stellenpotenzial sehr schwer. "Die Ressourcen sind durch die erheblichen Fallzahlen und die komplizierteren Einzelfälle gebunden." 2021 hatte der Verwaltungsausschuss der Stadt Heilbronn wegen des hohen Bedarfs eine neue Stelle in der Schuldnerberatung, einer kommunalen Pflichtaufgabe, beschlossen. Die Stelle teilen sich Awo und Aufbaugilde je zur Hälfte.
Einer der Gründe war gewesen, dass in der Kommune mit einem Anteil von zwölf Prozent überdurchschnittlich viele verschuldete Menschen leben, deutlich mehr als im Schnitt in Baden-Württemberg (acht Prozent).
Auch das Amtsgericht Heilbronn verzeichnet mehr Privatinsolvenzverfahren
Auch das Amtsgericht Heilbronn verzeichnet mehr Privatinsolvenzen als im Vorjahr. Gab es 2022 von Januar bis April 184 Verbraucherinsolvenzverfahren, sind es nun bislang 206 Insolvenzen im laufenden Jahr. "Das entspricht einem Anstieg von zwölf Prozentpunkten", sagt Dr. Alexander Jörg, Vizepräsident des Amtsgerichts.
Derzeit steigt die Zahl der Insolvenzen im gewerblichen Bereich wesentlich stärker, und zwar aktuell um 32 Prozentpunkte - von 136 auf 179 im jeweils ersten Jahresdrittel. "Das betrifft kleinere Gewerbetreibende, Gastgewerbe, Trockenbau. Da zieht die Lage deutlich an."
Auch Zwangsvollstreckungen werden in Zukunft zunehmen, prognostiziert das Amtsgericht Heilbronn
Dazu komme das Thema Zwangsvollstreckungen. "Baufinanzierungen platzen mit zeitlicher Verzögerung," so Jörg. Noch sei die Lage unübersichtlich, was auch an den langen Vorlaufzeiten liege. "Die Einschätzung der zuständigen Rechtspflegerin geht dahin, dass die Zahl der Zwangsvollstreckungen noch deutlich steigen wird."