Wie die Polizei versucht, im Kampf gegen Kinderpornografie riesiger Datenmengen Herr zu werden
Im Polizeipräsidium Heilbronn wertet die Ermittlungsgruppe Hydra Unmengen von Daten aus. Sie kämpft gegen sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. 300 Fälle haben die Ermittler bisher in der Region bearbeitet.

Die Bekämpfung von Kinder- und Jugendpornografie ist eine absolute Herausforderung", sagt Thomas Schöllhammer, stellvertretender Präsident des Heilbronner Polizeipräsidiums. Die Opfer litten teilweise ihr ganzes Leben. Seit März gibt es bei der Kriminalpolizei eine Ermittlungsgruppe (EG) Hydra, die unfassbar viele Bilder und Videos auswertet, um Täter aufzuspüren. Seitdem hat die Hydra-Gruppe in der Region Heilbronn und Hohenlohekreis 300 Fälle mit zig Tausenden Motiven bearbeitet.
Material aus allen Teilen der Welt und von hier
Was die Ermittler zu sehen bekommen, übersteigt mitunter das Vorstellungsvermögen. "Es ist belastend zu wissen, dass Kinder betroffen sind", sagt Schöllhammer. Zu wissen, dass einige von ihnen immer noch weiter schwer sexuell missbraucht werden. Die Bilder und Videos, die sich Tatverdächtige hin- und herschicken, stammten aus allen Teilen der Welt. Doch auch Kinder von hier werden Opfer. Das Heilbronner Landgericht verurteilte im Januar einen Vater aus Schwäbisch Hall, der seinen Sohn missbrauchte und Aufnahmen davon in einem Väter-Chat tauschte.
Es kommt vor, dass die Ermittler bei einer verdächtigen Person 100.000 Bilder und Videos finden, erklärt Schöllhammer. Angesichts dieser Datenmengen sei es wichtig, strukturiert an die Ermittlungen heranzugehen. 90 Prozent der vorliegenden Infos stammen aus den USA. Dort seien Internetbetreiber dazu verpflichtet, verdächtige Inhalte an das Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder zu melden. Führen Spuren nach Deutschland, gibt die Organisation Hinweise an die hiesigen Behörden.
Sexuelle Gewalt melden
Auch in Deutschland müssen Internetbetreiber sexuelle Gewalt, Volksverhetzung oder Hasskommentare melden. Polizeioberrat Michael Kraft, im Heilbronner Präsidium zuständig für Kapital- und Sexualdelikte, erwartet, dass sich dies in einer weiter steigenden Fallzahl in der Region bemerkbar macht. "Es ist eine Aufhellung des Dunkelfelds", sagt Schöllhammer. Dass die Polizei seit zwei Jahren mit immer mehr Fällen zu tun hat, liege auch daran, dass davor eine Zentralstelle in Frankfurt mögliche Fälle vorab sichtete. Jetzt kommen alle Hinweise ungefiltert in Heilbronn an. Bisher sei in der Region kein Pädophilenring wie etwa in Münster bekannt. Bei den Beschuldigten handele es sich um Einzelpersonen.
Ins Visier der Ermittler geraten überwiegend Männer jeden Alters. Der bislang älteste sei 77 Jahre alt. Es gibt auch weibliche Verdächtige. Häufig seien das zum Beispiel Schülerinnen, die entsprechende Bilder und Videos über Chatgruppen weiterleiten, erklärt Kraft.
In Schülerchats kursieren zum Beispiel Katzenvideos, die harmlos anfangen, und plötzlich, von einer Sequenz zur nächsten, geht es mit verstörenden pornografischen Inhalten weiter. Wer solches Material besitzt oder weiterleitet, macht sich strafbar. Die jüngsten Tatverdächtigen seien deshalb auch Kinder mit einem internetfähigen Gerät, sagt Kraft. Er rät Eltern eindringlich, sich darum zu kümmern, was ihre Kinder auf dem Handy haben und was das strafrechtlich bedeutet. "Man kann die Verantwortung dafür nicht nur auf die Schulen schieben."
Bilder löschen und sich distanzieren
Viele Menschen jeden Alters sind in Chat- und Facebookgruppen. Wer entsprechende Bilder oder Videos zugeschickt bekommt, sollte das unbedingt löschen und sich in der Gruppe äußern, dass man so etwas nicht haben will, sagt Kraft. Die klare Distanzierung von derartigen Inhalten lasse die Staatsanwaltschaft in die Bewertung einfließen.
Die EG Hydra arbeitet die Datenberge systematisch nach einem fünfstufigen Punktesystem ab. Dabei geht es um Fragen wie: Hat die Person beruflich mit Kindern zu tun? Wird auf dem Bild ein angezogenes Kind in Pose gezeigt, oder wird schwere sexuelle Gewalt dargestellt? So kann die Polizei die Fälle besser einschätzen, sagt Kraft. Die Zahl der Beschuldigten wird durch die Arbeit der EG Hydra steigen.
Die Fälle in der Region
Die Ermittlungsgruppe Hydra ist im März im Polizeipräsidium Heilbronn eingerichtet worden. 13 Ermittler gehören ihr an. Seit ihrem Bestehen sind in der Stadt Heilbronn 71 Fälle von Kinder- und Jugendpornografie bearbeitet und zum Teil auch abgeschlossen worden. Die Akten liegen der Staatsanwaltschaft vor. Im Landkreis Heilbronn zählen die Ermittler bisher 198 Fälle, im Hohenlohekreis sind es 31 Fälle. Wie viele Fälle aus der Region auf Halde liegen, weil weitere Daten erst noch ausgewertet werden, sei nicht bekannt, sagt Thomas Schöllhammer, stellvertretender Präsident des Polizeipräsidiums.