Württemberger Wengerter schlagen Alarm wegen EU-Papier zu Spritzmitteln
Die EU will Pflanzenschutz in "sensiblen Gebieten" ab 2030 total verbieten. Der Weinbauverband Württemberg sagt, 30 Prozent der Rebflächen drohe dann die Stilllegung. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Die EU will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter reduzieren: bis 2030 im Prinzip um die Hälfte. In "sensiblen Gebieten" droht sogar das Total-Verbot, auch für Öko-Betriebe. Hermann Hohl, der Präsident des Weinbauverbands Württemberg, hatte dies im Herbst auf Stimme-Anfrage noch relativ gelassen kommentiert. "Es handelt sich nur um einen Entwurf." Man hoffe über "die politische Schiene" und Lobbyarbeit auf einen tragbaren Kompromiss, so wie dies in Baden-Württemberg im Zuge der Pro-Biene-Initiative schon gelungen sei.
Rebanlagen werden schon gerodet
Doch nun schlägt der in Weinsberg ansässige Verband Alarm. Unter vielen seiner rund 11.500 Mitglieder herrsche große Verunsicherung. Rebanlagen in Schutzgebieten würden deshalb jetzt schon teilweise gerodet und nicht mehr neu bepflanzt, berichtet Geschäftsführer Hermann Morast. Hohl und Morast fürchten existenzielle Auswirkungen für Weinbaubetriebe, aber bald auch für die von Reben geprägte Kulturlandschaft in der Region.
Auf 30 Prozent der 11.300 Hektar Rebflächen in Württemberg drohe die Stilllegung, in erster Linie Steillagen. Die Folge wären "brachliegende, verbuschende und schließlich überwaldete Flächen". Mit dem Verfall der Trockenmauern gingen Lebensräume für Pflanzen und Tiere verloren, aber auch Naherholungs- und Tourismusgebiete verlören ihren Reiz. Kurzum: "Die mühsame Arbeit von Generationen würde zunichte gemacht", Jungwinzer hätten keine Zukunft.
Politiker sind eingeschaltet
Auf das drohende Szenario hat der Verband regionale Politiker in Brandbriefen aufmerksam gemacht. Der Heilbronner Bundestagsabgeordnete Alexander Throm (CDU) ist postwendend auf Bundesagrarminister Cem Özdemir zugegangen. Er fordert von ihm, sich für eine "Abschwächung" des Entwurfs der EU stark zu machen und "ganz klar für eine praxistaugliche Umsetzung" einzutreten. Throm warnt davor, Klima-, Umwelt- und Artenschutz gegen Landwirtschaft und Weinbau auszuspielen. Beide Seiten seien sehr wohl vereinbar. Dies zeige Baden-Württemberg, wo man sich schon 2020 nach langen Verhandlungen darauf verständigt habe, bis 2030 den Einsatz von chemisch-synthetischen Mitteln bis 2030 um 40 bis 50 Prozent zu reduzieren. Ein völliges Verbot aller Spritzmittel träfe im Übrigen auch ökologische Betriebe, was das Ziel, Öko allgemein zu stärken und konventionelle Landwirte zum Umstieg zu bewegen, konterkariere.
Auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, der nicht zuletzt Unsicherheiten im Bereich Ernährung und Landwirtschaft mit sich bringt, warnt Throm vor einer Schwächung der heimischen Landwirtschaft. Grundsätzlich sollten deutsche Winzer gestärkt und gefördert werden, "statt Supermärkte zu zwingen, auf ausländische Weine umzustellen".
Kritik an Agrarminister Özdemir
Der aus Urach stammende Bundesagrarminister Cem Özdemir gibt nach Throms Anfrage zu verstehen: Die Verhandlungen über die EU-Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln" stünden noch am Anfang. "Der Abstimmungsprozess wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen." Deshalb könne es "an der Flächenkulisse der sensiblen Gebiete noch Änderungen geben". Auch die Bundesregierung sehe bei "verschiedenen Details noch Änderungsbedarf". Eine finale Festlegung werde in einem "Trilog" zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat erfolgen. Im übrigen werde sich sein Ministerium dafür einsetzen, "die Anwendung von Pestiziden durch verschiedene Maßnahmen ambitioniert zu reduzieren". Throm ist mit dieser pauschalen Antwort nicht zufrieden. Er fürchtet, Özdemir habe den Ernst der Lage nicht erkannt.




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