Von Lumbe und Neigschmeckte in Eppingen und Kleingartach
Eppingen und sein heutiger Ortsteil Kleingartach schauen auf eine lange Tradition der Frotzeleien zurück. Ob das an einer gefällten Eiche liegt, um die ein Streit entbrannt war, ist allerdings nicht sicher.

Einst war Kleingartach die kleinste Stadt in Baden-Württemberg. Doch damit war es am 1. Dezember 1971 vorbei: Der Ort wurde genauso wie Richen oder Rohrbach nach Eppingen eingemeindet. Zu diesem Zeitpunkt waren Hermann Schnabel und seine Frau schon vier Jahre verheiratet. Ein Ehepaar von vielen? Mitnichten, denn der heute 84-Jährige ist gebürtiger Eppinger, das damals noch junge Mädchen kommt aus Kleingartach. Ein Badener hatte sich also mit einer Württembergerin verheiratet und ging ins Exil.
Völkerverständigung auf der Leinburg
"Ich bin ein echter badischer Migrant", sagt der ehemalige Stadtrat lachend. Denn für seine Zukünftige zog Schnabel in die damals noch selbstständige Gemeinde. Kennengelernt haben sich die beiden in der Wirtschaft auf der Leinburg. "Wir Badener sind da schon als Jugendliche immer durch den Wald hin marschiert", erinnert sich Schnabel. Das Vesper war günstig, die Strecke schön. Und geschmeckt habe es dazu auch noch, besonders der Wein, für den Kleingartach noch heute bekannt ist. Und dann, eines Tages, traf der Ur-Badener Hermann, wie er sich selbst bezeichnet, auf die Württembergerin Brigitte.
Auch wenn noch heute viele Menschen Wert darauf legen, aus welchem Teil des Bundeslandes sie kommen: "Mir fallen mindestens fünf Familien ein, bei denen das auch so war: Einer aus Baden, einer von der anderen Seite", erzählt der pensionierte Lehrer.
Als Badener in Württemberg in den Ortschaftsrat
In seinem neuen Wohnort, der keine zehn Kilometer von seinem alten entfernt liegt, war Schnabel lange Jahre aktiv im Turnverein. Eines Abends habe es an der Tür geklingelt. "Und dann war ich recht schnell Jugendübungsleiter." So ähnlich wurde er auch Mitglied im Ortschaftsrat. 1971 sei das gewesen, erinnert er sich. Damals konnte jeder, der im wahlfähigen Alter war - zu diesem Zeitpunkt musste man 21 statt wie heute 18 Jahre alt sein - auf einer Liste eingetragen werden. Obwohl er ein Neigschmeckter war, wurde Schnabel gewählt. "Das muss man sich mal vorstellen", sagt er auch über 50 Jahre später noch.
Bis 1999 saß er im Ortschaftsrat Kleingartachs, genauso lange im Eppinger Stadtrat. Mehrere Jahre war er stellvertretender Bürgermeister. Von seiner Wahl erfuhr Schnabel übrigens von der Wirtin der Leinburg, die er am Tag der Wahl gemeinsam mit seiner Frau besucht hatte. Noch heute komme es ab und an zu Frotzeleien zwischen Württembergern und Badenern. "Man setzt nach wie vor kleine Nadelstiche", bestätigt Eppingens Oberbürgermeister Klaus Holaschke. Aber das sei mittlerweile mehr ein Necken und nicht wirklich ernst gemeint.
Wem gehört die Eiche?
In der Grenzregion Eppingen liegt der Ursprung mit Sicherheit in zahlreichen Vorkommnissen in der Vergangenheit begründet. Einer der Höhepunkte war wohl das als "größtes Verbrechen" in die Geschichte eingegangene Schlagen einer Eiche im Eppinger Wald. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts müsse das gewesen sein, erzählt Reinhard Ihle. "Direkt am Grenzweg, zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden, stand dieser große, mächtige Baum", sagt der Erste Vorsitzende der Heimatfreunde Eppingen. Immer wieder habe es Streit darum gegeben, wem die Eiche denn nun gehöre.
Eines Tages machte der Eppinger Stadtrat wieder einmal eine Waldbegehung und ging an den Grenzweg, um nach der Eiche zu schauen. "Aber man war schockiert", sagt Ihle. Denn der Baum stand nicht mehr, sondern war abgesägt worden. Das Perfide: Der Stamm lag auf Kleingartacher Gemarkung, die Wurzeln auf der anderen Seite der Grenze.
Die Krönung war dann allerdings ein Schild, auf dem sich über die Eppinger lustig gemacht wurde. "So ihr badischen Lumbe, mir hen d'Stomm un ihr d'Stumbe!"
Auch Badener können sich in Württemberg wohlfühlen
Auf dem Papier gehören Eppingen und Kleingartach seit über 50 Jahren zusammen. Immer wieder haben die Anwohner es gewagt, die Grenze zu überschreiten und Wurzeln im jeweils anderen Ort zu schlagen. Neben Hermann Schnabel, der der Liebe wegen nach Kleingartach gekommen ist, hat auch der ehemalige Ortsvorsteher Friedhelm Ebert diesen Schritt gewagt. "Beide sind gute Beispiele dafür, dass man sich auch in Württemberg wohlfühlen kann", sagt Eppingens OB Klaus Holaschke augenzwinkernd.