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Unterbringung von Flüchtlingen: Kommunen kommen an ihre Grenzen

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Bei der Unterbringung der ihnen zugewiesenen Flüchtlinge haben die Kommunen in der Region oft nur noch wenig Spielraum. Die finanzielle Mehrbelastung und eine dünne Personaldecke verschärfen die Lage.

Geflüchtete aus der Ukraine laufen nach ihrer Ankunft durch die Eingangshalle eines Bahnhofs.
Geflüchtete aus der Ukraine laufen nach ihrer Ankunft durch die Eingangshalle eines Bahnhofs.  Foto: dpa

Nach dem Flüchtlingsgipfel in Berlin war die Enttäuschung der Städte und Gemeinden fast greifbar. Die Kommunalen Spitzenverbände begrüßen zwar weitgehend die Ergebnisse, auf die sich die Ministerpräsidenten einigen konnten - was bleibt ist aber der Eindruck, dass die Probleme an der Basis von der Bundespolitik nicht ernst genommen werden.

Doch da gärt es, etwa bei der Frage der Flüchtlingsunterbringung. Hier sind die Kommunen zunehmend mit Gegenwind seitens der Bürger konfrontiert, wie Vertreter des Baden-Württembergischen Gemeindetags schildern. Wir haben uns die Lage in der Region einmal stichprobenartig angeschaut.

Belegung von Hallen vielerorts kaum noch zu vermeiden

In der Christian-Schmidt-Schule in Neckarsulm wurde eine Unterkunft für Flüchtlinge eingerichtet.
In der Christian-Schmidt-Schule in Neckarsulm wurde eine Unterkunft für Flüchtlinge eingerichtet.  Foto: Gajer, Simon

Um eine Belegung öffentlicher Hallen, die lange als Ultima Ratio galt, kommt der Landkreis Heilbronn nicht mehr umhin. Seit Dezember 2022 wird auch die Sporthalle der Christian-Schmidt-Schule in Neckarsulm genutzt und beherbergt aktuell 48 Menschen. Zurzeit leben rund 1380 Personen in den 35 Unterkünften zur Erstunterbringung im Landkreis, davon 116 Menschen aus der Ukraine. Zusammen mit den Personen in eigenem Wohnraum sowie in der Anschlussunterbringung der Kommunen haben rund 4200 Ukrainer Schutz gefunden.

 


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Bei der unteren Aufnahmebehörde des Landkreises kümmern sich aktuell neun Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit einzig um die Verteilung der Flüchtlinge. "Primär geht es nur um Verwaltungsaufgaben wie Aufnahmen, An- und Abmeldungen sowie Zuweisungen in die Anschlussunterbringung in den Kommunen", sagt Landratsamts-Sprecher Michael Brand.

Platz pro Person deutlich reduziert

Viel Spielraum hat Heilbronn nicht mehr. Anfang März waren von den 820 verfügbaren Plätzen der vorläufigen wie der Anschlussunterbringung an den sechs großen Standorten im Stadtgebiet 724 belegt. Für die unerwarteten Zugänge aus der Ukraine wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der Stadt die Halle Augärtle und die Alte Turnhalle in Horkheim genutzt. Um den hohen Zugangszahlen rasch Rechnung tragen zu können, waren 2022 alle Unterkünfte verdichtet oder überbelegt.

Waren vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine pro Bewohner noch sieben Quadratmeter pro Platz angesetzt, hat das Land diese Fläche auf vier Quadratmeter reduziert. Die Zahl der Unterbringungsmöglichkeiten wurde durch weitere 48 Liegenschaften um rund 477 Plätze erhöht. Insgesamt gibt es in den städtischen Unterkünften derzeit gut 1680 Plätze. Nach den aktuellsten verfügbaren Zahlen waren 1461 Personen in Heilbronn untergebracht, davon 579 in der vorläufigen und 882 in Anschlussunterbringung.

 


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Kommunen müssen viele Kosten selbst tragen

In den städtischen Unterkünften in Weinsberg waren Ende Mai 67 Geflüchtete untergebracht, der Großteil davon kommt mit 27 Personen aus der Ukraine und mit 23 aus Syrien. Darüber hinaus wohnen 70 Ukrainer in Privatunterkünften. 2022 wurde eine Turnhalle umgebaut und eine Containeranlage gestellt. Die Kosten dafür lagen laut Verwaltung "im oberen sechsstelligen Bereich" - eine Förderung gab es nicht. Auch die Ausgaben für Mobiliar zahlt die Stadt aus eigener Tasche. In diesem Jahr sollen zwei weitere Containeranlagen aufgestellt werden, in die noch einmal 310.000 Euro investiert werden. Das Land schießt 275.000 Euro zu.

Die Personalkosten trägt die Stadt finanziell ebenso wie den Betrieb der Anlagen. Die Kosten für Strom, Heizung und Reinigung sind jedoch bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt. In Weinsberg werden die Geflüchteten wie in vielen anderen Kommunen als Obdachlose untergebracht. "Hierfür fällt pro Person und Monat eine Gebühr von 261 Euro an, die sich nach der städtischen Satzung für die Benutzung von Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften richtet", erläutert Daniela Wenninger, Abteilungsleiterin der Verwaltung. Diese Gebühr übernimmt bei Minderjährigen und Rentnern das Landratsamt, bei allen anderen das Jobcenter.

 


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Unterschiedlich hohe Pauschalen

Insgesamt drei Millionen Euro sind im Finanzhaushalt der Stadt Leingarten für 2023 angesetzt, um Gebäude für Flüchtlinge zu kaufen. 398 Menschen sind dort zum Stichtag 22. Mai in Anschlussunterbringung - 155 aus der Ukraine und 243 Regelflüchtlinge, von denen wiederum 130 Personen aus Syrien stammen. In die Erstausstattung der Unterkünfte wurden 2022 laut Bürgermeister Ralf Steinbrenner 120.000 Euro investiert.

Von ihren Ausgaben bekommt die Stadt Miet- und Nebenkosten erstattet. Außerdem erhält sie vom Landratsamt Heilbronn eine Verwaltungskostenpauschale von aktuell 152 Euro pro Person für die Zuweisung von Flüchtlingen. Die Höhe dieser Pauschale fällt je nach Kommune und Kreis unterschiedlich aus, Kupferzell etwa erhält für jede aufgenommene und untergebrachte Person knapp 143 Euro, in Öhringen sind es 2023 einmalig gut 154 Euro.

In Lauffen leben momentan über 300 Geflüchtete. Etwa die Hälfte dieser Menschen wohnt in Unterkünften der Stadt. Die andere Hälfte ist privat untergekommen. Rund 50 Prozent der Aufgenommen stammen aus der Ukraine, von ihnen leben wiederum rund 40 in städtischer Unterbringung.

In Ilsfeld sind aktuell 159 Menschen untergekommen, von denen 77 fast ausschließlich aus der Ukraine in Erstunterbringung leben. 82 Personen befinden sich nach Angaben von Bürgermeister Bernd Bordon in Anschlussunterbringung. Die Gemeinde plant für 2023 mit Aufwendungen von gut 363.000 Euro, dazu kommen Leistungsverrechnungen von mindestens 25.000 Euro. "Wir gehen davon aus, dass die Nettoaufwendungen am Jahresende bei über 250.000 Euro liegen werden", so Bordon.

Zuständigkeit wechselt mit Form der Nutzung

In der vorläufigen Unterbringung des Hohenlohekreises in der Alten Turnhalle in Öhringen waren Mitte Mai 42 Ukraine-Flüchtlinge untergebracht. Menschen anderer Herkunft sollen künftig in einer Containeranlage unterkommen. Wenn das Gebäude nach Ablauf des sechs Monate geltenden Mietvertrags wieder an die Stadt Öhringen zurückfällt, wird aus der vorläufigen Unterbringung in Zuständigkeit des Landkreises wieder eine kommunale Anschlussunterbringung, für die die Stadt zuständig ist.

Dann müssen die dort Untergebrachten die Nutzungsgebühr pro Platz von 195 Euro - in der Regel übernimmt diese das Jobcenter - wieder an die Stadt zahlen. Derzeit wohnen dort 90 Menschen aus 16 Nationen in Anschlussunterbringung, davon neun aus der Ukraine. 54 Ukrainer leben in durch die Stadt angemieteten Wohnungen, privat sind rund 200 von ihnen untergekommen.

Von den 155 Plätzen zu je sieben Quadratmeter sind in den zehn Unterkünften in Öhringen aktuell 100 belegt. "Trotz der freien Plätze müssen wir uns schon jetzt Gedanken um den Ausbau machen", sagt Monika Pfau, Referentin von OB Thilo Michler. Da die Gebäude mit unterschiedlichen Nationalitäten, Geschlechtern, Familien oder Einzelpersonen belegt seien, könnten die freien Betten nur wieder belegt werden, wenn "passende" Personen zugewiesen würden.

 
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