"Es muss etwas passieren": Katzen vermehren sich unkontrolliert
Pflanzen sich Katzen ungehindert fort, können über einen kurzen Zeitraum riesige Populationen entstehen. Dagegen hilft nur eine Kastration. Tierschützer fordern eine Katzenschutzverordnung, doch viele Kommunen stellen sich quer.

"Es muss etwas passieren, wir werden der Situation sonst nicht Herr." Anja Fischer, stellvertretende Vorsitzende des Heilbronner Tierschutzvereins, wirkt fast schon resigniert, wenn sie über die Situation im Tierheim spricht. Fast 200 Katzen leben derzeit in den verschiedenen Bereichen der weitläufigen Anlage. Viele wurden von ihren Besitzern aus den unterschiedlichsten Gründen abgegeben.
Doch unter den tierischen Bewohnern sind auch viele Mütter mit ihren Kitten, also noch sehr jungen Katzen, die eingefangen wurden. Sie stammen aus Kolonien, wo sie sich unkontrolliert vermehren können. Denn die Tiere sind nicht kastriert. Eine Katzenschutzverordnung, wie sie in Möckmühl erfolgreich umgesetzt wurde, könnte das Leid zumindest eindämmen. "Wir haben das Prinzip in einer Bürgermeisterversammlung vorgestellt", sagt Fischer. Aber die meisten Verwaltungen würden sich nach wie vor sträuben. "Und ich weiß einfach nicht, warum."
Auch Nicole Ritter, Tierschützerin aus Sinsheim, wird immer wieder persönlich in den Rathäusern vorstellig. Sie hat eine Präsentation erarbeitet, um die Vorteile einer solchen Verordnung zu erläutern. "Es geht ja nicht darum, die Kommunen finanziell zu belasten", erklärt sie. "Sondern darum, dass die Tiere kastriert werden."
Bad Rappenaus OB schließt Katzenschutzverordnung nicht aus
Wenn ein Streuner aufgegriffen wird, der nicht über einen Chip oder eine Tätowierung gekennzeichnet ist, könnten Tierschutzvereine das nachholen und die Katze kastrieren lassen. Tierheime hätten eine rechtliche Handhabe und könnten schnell reagieren. Besitzer von Freigängern, die sich nicht an die Regeln der Verordnung halten, könnten mit einem Bußgeld belangt werden. Doch all das wird im Kreis Heilbronn bis auf wenige Ausnahmen im Konjunktiv formuliert.
"Ich kann den Zweck nachvollziehen", sagt etwa Bad Rappenaus Oberbürgermeister Sebastian Frei. Ausschließen wolle er eine solche Verordnung nicht. "Das Ordnungsamt ist aber derzeit stark belastet." Dabei müsste das nur im äußersten Notfall aktiv werden. Nämlich dann, wenn sich Besitzer weigern, ihre Freigängerkatzen zu kastrieren. "Das würden wir nur im Einzelfall machen", betont auch Anja Fischer. Sie würde sich mehr Offenheit für das Thema wünschen. Denn die unkontrollierte Vermehrung bedeutet viel Leid für die Tiere: "Krankheiten, Hunger, Unterversorgung: Die Katzen machen keinen Unterschied zwischen Bruder und Schwester", erklärt Fischer. Laut der Tierschutzorganisation Peta können innerhalb von sieben Jahren aus einem unkastrierten Tier 370.000 Katzen hervorgehen.
Fortpflanzungstrieb bei Katzen führt zu einem großen Bewegungsradius
Die werden oft mit Lebendfallen eingefangen, zu denen auch Emily Züntel aus Ilsfeld greift. "Ich hätte früher nie gedacht, dass es hier so viele Streuner gibt", sagt sie. "Man sieht sie ja kaum, weil sie sehr scheu sind." Viele große Hotspots seien mittlerweile dank Kastrationsaktionen ausgemerzt. Doch die Gebiete, in denen sich Katzen bewegen, seien riesig. Denn der Sexualtrieb treibt besonders Kater an, die einen großen Bewegungsradius haben, um sich fortzupflanzen.
Wenn ein Tier in eine Lebenfalle geht, fällt ein durch ein Trittbrett ausgelöstes Gitter herunter. Auch Fallen zum Selbstauslösen werden eingesetzt. Doch es dauert oft lange, bis eine Katze hineingeht. Zwischen zehn Sekunden und einem Jahr könne es dauern, sagt Anja Fischer. Thunfisch, Hähnchen oder Dönerfleisch werden zum Locken eingesetzt. So schnell wie möglich wird auf den Käfig eine Decke geworfen, damit die Tiere nicht panisch werden.
"Kastration ist die einzige Lösung, denn Katzen haben in unserer Natur nichts verloren", betont Emily Züntel, die ehrenamtlich Tauben pflegt und deshalb auch die heimische Natur im Blick hat. "Sie jagen Vögel und Reptilien und sind damit auch für die sinkende Population mancher Arten verantwortlich."
Seit zehn Jahren gibt es in Baden-Württemberg eine Kastrationspflicht
Generell ist die Kastration von freilaufenden Hauskatzen bundesweit verpflichtend. 2013 wurde das Tierschutzgesetz um den Paragrafen 13b, die sogenannte Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen, ergänzt. Wenn davon Gebrauch gemacht werde, entspreche die Regelung "de facto einer Kastrationspflicht für Haus- und Hofkatzen mit Freigang", heißt es im Tierschutzbericht der Bundesregierung.
Baden-Württemberg hatte 2013 als erstes Bundesland eine Kastrationspflicht beschlossen. Allerdings kann jede Kommune im Südwesten selbst entscheiden, ob sie einen solchen Schritt für notwendig erachtet oder nicht. Katzen können zwei- bis drei Mal pro Jahr durchschnittlich fünf bis sechs Kitten zur Welt bringen. Katzen, die nicht befruchtet oder kastriert werden, sind dauerrollig. Sie sind permanent paarungsbereit und großen hormonellen Belastungen ausgesetzt.




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