Strom weg, Wasser knapp: Landkreis Heilbronn plant verschiedene Szenarien
Corona-Pandemie, der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Energiekrise – die Auswirkungen sind weltweit spürbar. Was passiert im Ernstfall, wenn gar nichts mehr geht, der Strom fehlt, die Infrastruktur lahmliegt und das Wasser knapp wird?
Marc Hoffmann, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung beim Landratsamt Heilbronn, macht im Gespräch deutlich, dass die Lage ernstzunehmen sowie die Planung und Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und dem Landkreis essenziell ist. Zudem sei es wichtig, dass jeder Bürger ein Maß an Eigenverantwortung und Vorsorge an den Tag lege.
Bereits vor etlicher Zeit hat Landrat Norbert Heuser die Stabstellen aller Fachbereiche des Landratsamts Heilbronn zusammengerufen, um sich mit dem Bevölkerungsschutz und der Energieversorgung auseinanderzusetzen. Ein wichtiger Fokus liegt dabei auf den Städten und Gemeinden vor Ort.
„Es gab in allen Kommunen Infoveranstaltungen im Beisein der Feuerwehren, des DRK, THW, ASB, um das Lagebild zu klären: Wo stehen wir, welche Vorbereitungsmaßnahmen müssen abgeleitet werden?“, berichtet Hoffmann. So habe man beispielsweise die Ärzte und die stationären Pflegeeinrichtungen dafür sensibilisiert, ihre Prozesse hinsichtlich verschiedener Szenarien kritisch zu beleuchten, um Fallstricke abzumildern. Leicht sei das nicht.
„Das Grundproblem ist, dass niemand sicher sagen kann, welches Szenario eintreten kann und wird.“ Es gebe zwar bestimmte Parameter vonseiten der Bundesnetzagentur sowie der Strom- und Gasversorger, aus denen sich Prognosen ableiten lassen. „Doch es gibt viele Faktoren, die nicht vorausgeplant werden können: Wird es Sabotageaktionen geben, gelingt es der Politik, weitere Energiequellen zu erschließen?“
Mögliches Szenario
Hoffmann kann sich eines am ehesten vorstellen: Dass es zu punktuellen Abschaltungen von Strom und Gas für eine gewisse Zeit – einige Stunden – kommt. „Das wäre nicht angenehm, aber nicht lebensbedrohlich.“
Eine Apokalypse, bei der dauerhaft Strom fehlt, die alles lahmliegt und die Wasserversorgung nicht mehr gewährleistet ist, hält Hoffmann für unwahrscheinlich. „Wenn die Zulieferung der Hochbehälter mit Wasser ausfällt, reicht die Versorgung je nach Füllmenge noch zwischen ein bis x Tagen.“ Da zeitgleich aber auch Unternehmen nicht mehr produzieren können und deshalb kein Wasser beziehen, würde sich die Situation nivellieren. Der Landkreis Heilbronn wird über drei Anbieter mit Trinkwasser versorgt. „Die Bodensee-Wasserversorgung hat versichert, auch bei Stromausfall noch 70 Prozent des Wasserbedarfs liefern zu können.“
Vollkasko-Mentalität in der Bevölkerung
Hoffmann betont, dass die Gefahrenabwehr in Deutschland schon immer im Zeichen der Eigenvorsorge der Bevölkerung stehe. Gefahrenabwehr sei nur punktuell ausgerichtet, nämlich darauf, wo es akut kritisch ist. „Doch das Bild in der Gesellschaft hat sich im Laufe der Zeit verschoben: Es hat sich eine Vollkasko-Mentalität eingestellt. Ein Anspruchsdenken, dass für jeden Fall vorgesorgt sein muss. Das ist aber für Kommunen, Land und Bund nicht leistbar.“ In Bezug auf den Landkreis heiße das: „Kreiskommunale Mittel sind freiwillige Mittel. Was der Landkreis leisten kann, leistet er. Es ist aber nicht möglich, dass er für alle 350.000 Bürger Feldbetten in einem Lager vorhält“, stellt Hoffmann klar.
Mit den Kommunen sei man derzeit in der Planung, Notfalltreffpunkte auszumachen. „Es wird geschaut, welche öffentlichen Gebäude geeignet sind.“ Eine Rolle spiele dabei auch die Beheizung des Objekts. „Wenn ich in einer Halle ausschließlich mit Gas heize, bringt sie in diesem Fall nichts.“
Eigenvorsorge ja, aber keine Hamsterkäufe
Hoffmann weist zudem auf Checklisten hin, mit denen jeder Eigenvorsorge betreiben kann: „Wenn man sich einen kleinen Lebensmittel-Vorrat anschafft, kommt man erstmal über die Runden.“ Bevorratung müsse aber mit Augenmaß sein. „Sonst haben wir kein Angebotsproblem, sondern ein Verteilungsproblem.“ Grundsätzlich empfehle er, die Lage mit Ernst zu betrachten. „In Panik zu verfallen, wäre aber kontraproduktiv.“
Der Landkreis hat seit 2018 sechs Millionen Euro in den Bevölkerungsschutz investiert. Zudem wurde kürzlich ein Investitionspaket von rund drei Millionen Euro beschlossen. „Für 2023 ist ein weiteres Paket geplant“, berichtet Amtsleiter Marc Hoffmann.



Stimme.de