Stadtbahnausbau: Ein Jahr Sperrung der S4-Strecke ist vielen zu lange
Wie hart trifft es Schüler und Pendler? Verkehrsclub und Bürgermeister sind für eine kürzere Vollsperrung der S4 beim für 2024 geplanten Ausbau. Der Stadtbahnbetreiber AVG soll nun Alternativen prüfen, am Ende entscheidet die Nahverkehrsgesellschaft über das Vorgehen.

In manchen Amts- und Verbandszimmern haben neue Pläne der Albtalverkehrsgesellschaft (AVG) für den zweigleisigen Ausbau der Stadtbahnstrecke zwischen Leingarten und Schwaigern für weit hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Ein zweites Gleis für die 3,2 Kilometer lange Nadelöhr-Strecke, um den Verkehrsfluss zu verbessern und Verspätungen zu verringern, wollen alle in der Region.
Für den VCD-Sprecher ist ein Jahr Vollsperrung für eine Strecke von 3,2 Kilometern "ein Unding"
Die Nachricht, dass der Stadtbahnbetreiber Albtalverkehrsgesellschaft (AVG) den Ausbau ab 2024 unter einer einjährigen Vollsperrung in Angriff nehmen will - und Pendler, Schüler, Azubis sowie weitere Stadtbahn-Fahrgäste zwölf Monate mühsam auf Schienenersatzverkehr mit Bussen umsteigen müssten - hat viele überrascht. "Ein ganzes Jahr Sperrung für den Ausbau von 3,2 Kilometer Strecke - das ist ein Unding", findet Hans-Martin Sauter, Sprecher im Regionalverband des Verkehrsclub Deutschland VCD.
Er befürchtet, dass man mit so einer langen Sperrzeit auch die Stammkunden vergraule. Und: Kurz zuvor soll der neue Regionalexpress von Heilbronn nach Karlsruhe an den Start gehen. Dann gleich wieder eine Vollsperrung mit Schienenersatzverkehr? "Das wäre doch ein Schuss ins Knie für das neue Angebot." Er ist überzeugt, dass es Alternativen gibt, um die Anliegen der Stadtbahnnutzer stärker zu berücksichtigen. Unter rollendem Rad eine Baustelle einzurichten "funktioniert", so Sauter. Er hält es für vorstellbar, dass die Hauptarbeiten auch in sechs oder sieben Monaten zu schaffen seien.
Nahverkehrsgesellschaft war von den Plänen "erschrocken". Jetzt gibt es einen Prüfauftrag an den Stadtbahnbetreiber zu alternativen Baukonzepten
"Erschrocken", dass die AVG ein Jahr eine Vollsperrung machen will, war auch Markus Kempf von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW). Man sei davon ausgegangen, dass der Ausbau unter laufendem Betrieb erfolgen könne. Nach Angaben der AVG müsse aber der Gleisunterbau zunächst komplett saniert werden; auch Bahnübergänge müssten angepasst werden. Nun hat die Nahverkehrsgesellschaft der AVG einen Prüfauftrag erteilt. Sie soll prüfen, welche Alternativen es noch gibt. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, sagt Kempf. Eine Sperrung über eine gewisse Zeit werde unumgänglich sein. Man wolle aber wissen, welche Auswirkungen eine andere Bauplanung mit kürzerer Sperrzeit auf Kosten und Zeitdauer habe.
Der künftige Regionalexpress Heilbronn-Karlsruhe soll in der Zeit der Sperrung umgeleitet werden
Beim Regionalexpress, der ab Ende 2022 zwischen Heilbronn und Karlsruhe in 70 Minuten fahren soll, hat die NVBW schon Vorschläge für die Phase der Vollsperrung. Der Express könnte dann über Bad Rappenau oder Bietigheim geleitet werden, so Kempf. Hier müsse man sich mit Betreiber DB Regio abstimmen.
Für Schüler, Azubis und Berufspendler sei es "von größtem Interesse", dass die Bauzeit mit Vollsperrung möglichst kurz werde, sagt Schwaigerns Bürgermeisterin Sabine Rotermund auf Anfrage. Es sei wichtig, dass man Pendler im Nahverkehr durch so eine lange Maßnahme "nicht verliert". Die Stadt werde ein Auge darauf haben, wie die weitere Planung im Detail gestaltet wird - man werde sich "für unsere Pendler einsetzen".
Auch Leingartens Bürgermeister Ralf Steinbrenner sagt: Ein Jahr Vollsperrung "gefällt uns nicht". Ein konkretes Ausbaukonzept habe er noch nicht gesehen. Ein guter Schienenersatzverkehr müsse dann "auf jeden Fall" organisiert werden. Die bestmögliche Lösung für die Pendler möchte auch er erreichen.
Dass ein Gleisausbau unter Vollsperrung die kürzeste und einfachste Bauvariante sei, stellte ein AVG-Sprecher gestern auf Anfrage fest. Man befinde sich derzeit intensiv in Abstimmung mit der Nahverkehrsgesellschaft - die am Ende die Entscheidung treffe, nach welchen Vorgaben gebaut wird. Ohne Vollsperrung werde es in etwa sechs bis neun Monate länger dauern - weil Bauen unter Betrieb "deutlich komplexer" sei.
AVG müsste einen Bus-Dienstleister für den Ersatzverkehr suchen
Schüler und Pendler, die früh morgens vielleicht eine halbe Stunde früher aufstehen müssen, ein ganzes Jahr lang? Ist dieses Szenario realistisch bei einem einjährigen Schienenersatzverkehr auf der Strecke Leingarten-Schwaigern? Wie lange und wie oft Ersatzbusse auf der Strecke fahren würden, darüber kann Stadtbahnbetreiber AVG in diesem Stadium noch keine Angaben machen.
Aber: Die Albtalverkehrsgesellschaft würde in dem Fall den Schienenersatzverkehr organisieren und einen Dienstleister mit den Busfahrten beauftragen. "Das soll so optimal wie möglich abgestimmt werden", teilte AVG-Sprecher Michael Krauth mit. Dazu gehörten auch Gespräche mit den Stadtverwaltungen, um optimale Haltestellen ohne große Zeitverluste einzurichten.



Stimme.de