Die "wahren Preise" bei Penny: Wie Kunden auf die Aktion reagieren
Preisschock der eigenen Art: Für neun Produkte kassiert Penny seit Montag die "wahren Preise". Bei der Preisgestaltung wurden verdeckte Kosten und verursachte Umweltschäden bei der Produktion berücksichtigt. Wie die Aktion bei Kunden und im Netz ankommt.

Immer mehr Preise im deutschen Lebensmittelhandel geraten ins Rutschen. In den letzten Wochen kündigten Aldi, Edeka, Rewe und Co. dauerhafte Preissenkungen für zahlreiche Molkereiprodukte wie Milch, Quark, Sahne oder Joghurt an.
Ein gewagtes Experiment startet unterdessen Penny ab diesem Montag (31. Juli). Dann verlangt der Discounter für neun seiner mehr als 3000 Produkte eine Woche lang die wahren Preise – also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umweltschäden eigentlich berechnet werden müsste. Wir haben Kunden in Heilbronn gefragt, was sie von der Aktion halten.
Penny-Kunden in Heilbronn: Nicht jeder ist bereit, mehr zu bezahlen
In der Heilbronner Penny-Filiale in der Werderstraße beurteilen die Kunden die Aktion "Wahre Kosten" unterschiedlich. "Das ist sehr interessant, und ich halte das für eine gute Idee", sagt der 65-jährige Valollah Safaei aus Bad Friedrichshall. "Wenn die Qualität stimmt, bin ich durchaus bereit, höhere Preise mitzugehen."
Ganz anders sieht es Inge Beck aus Heilbronn-Sontheim. "In dieser Situation ist das sehr problematisch, es ist sowieso alles teuer", erklärt sie. "Ich würde das nicht mitgehen", erklärt die 74-Jährige bestimmt.
Kundin rätselt: Wem nutzt die Preisschock-Aktion bei Penny?
Eine Kundin, die namentlich nicht genannt werden möchte, fragt sich: "Macht Penny das für die Umwelt, oder macht Penny das für Penny?" denn durch eine solche Aktion zieht der Discounter viel Aufmerksamkeit auf sich. Zudem findet sie, dass die Diskussion um höhere Preise eine höchst sozialkritische Frage sei und nicht so einfach zu beantworten.
Der 25-jährige Samet Adanol ist unentschlossen. "Auf jeden Fall ist die Aktion nicht schlecht. Alles, was das Umweltbewusstsein stärkt, finde ich gut." Doch ob er permanent höhere Preise für die Umwelt mitgehen würde, kann er nicht sicher sagen.
Verständnis der Penny-Kunden in Kirchardt hält sich in Grenzen
Auf geteiltes Echo stößt die Aktion des Discounters Penny, eine Woche lang neun Produkte zum "wahren" Preis zu verkaufen. "Das geht mir eindeutig zu weit", stellt Corinna Seitz fest, "für mich hat diese Aktion einen sehr faden Beigeschmack. Auf der einen Seite wirbt das Unternehmen damit, wer günstig wolle, müsse bei ihm einkaufen, auf der anderen Seite werden jetzt Produkte eine Woche lang zu Preisen verkauft, bei denen ich mir zweimal überlege, ob ich die Sachen kaufe."
Sie ärgere vor allem, "dass das unter dem Deckmantel Umwelt und Klima geschieht. Auch bezweifle sie, "dass nächste Woche wieder alten Preise verlangt werden." Die Sinsheimerin ist Stammkundin, "auf meinem Weg zur Arbeit kaufe ich hier immer ein." Gerne auch Bio, "doch diese Woche habe ich bewusst zu anderem Joghurt und Käse gegriffen."
Wie Corinna Seitz ist auch Ute Albrecht sauer. "Gerade in einer Zeit, in der die Menschen unter der Inflation leiden und Lebensmittel sowieso schon viel teurer geworden sind, braucht es in meinen Augen eine solche Aktion nicht." Auf die Lebensmittel, die diese Woche im Fokus stehen, hat sie bewusst verzichtet. "Meine Enkelkinder sind in den Ferien bei mir und wie viele Kinder lieben sie Würstchen. Die werde ich aber in einem anderen Geschäft kaufen, die sind mir hier viel zu teuer." Und bei Joghurt und Käse hat auch sie zu Alternativen gegriffen, die "vermutlich genauso gut sind, aber im Preis erschwinglich."
Eppinger Penny-Kunden ebenfalls nicht begeistert
Ähnlich wie in Kirchardt waren auch in Eppingen viele Kunden von der Aktion nicht begeistert. "Es ist undurchsichtig", findet Mandy Schmitt, "ich habe mir die Aufstellung, wie die wahren Preise zustande kommen, zwar durchgelesen, aber nachvollziehbar finde ich das nicht." Sie habe die Befürchtung, dass "das ein Testballon ist, inwieweit Kunden bereit sind, für gängige Lebensmittel einfach einen höheren Preis zu bezahlen." "Grundsätzlich bin ich schon bereit, für gute Qualität mehr zu bezahlen und ich bin auch der Meinung, dass Erzeuger fair bezahlt werden sollten, aber ich stelle mir die Frage, ob das auf dem Rücken der Kunden passieren muss oder ob ein Unternehmen vielleicht auch einfach mal auf Gewinn verzichten sollte."
Ein gewisses Verständnis für die Aktion brachte Siegfried Sieber auf. "Umwelt und Klima sind wichtige Themen und wenn die Mehrerlöse wirklich dahin fließen, dann bin ich auch bereit, die erhöhten Preise zu zahlen." Allerdings, so schränkt der Pensionär ein, "auf Dauer könnte ich mir die Preise auch nicht leisten. Ich habe heute schon nur das Nötigste gekauft und beispielsweise auf Würstchen ganz verzichtet."
Penny-Kunden in Pfedelbach hinterfragen den Zeitpunkt der Aktion
In Pfedelbach bewerten die Kunden die Aktion unterschiedlich. "Wenn man Qualität will, kann es auf Dauer nicht funktionieren, wir haben seither einfach zu billig gelebt", findet eine 72-jährige Pfedelbacherin. Sie hat drei Packungen Mozzarella in ihrem Einkaufskorb, "einfach, weil sie es eben zum Kochen braucht". Dass der Mehrpreis für den Klimaschutz gespendet wird, findet sie gut.
Ob die Wiener Würstchen für sechs Euro an diesem Tag noch in den Einkaufswagen gehen? "Das ist ziemlich teuer, teurer als beim Metzger", meint Tobias Anger, der am Montagvormittag eher nach den Sonderangeboten Ausschau hält. Der Neuenstädter bezweifelt, dass es der richtige Zeitpunkt für eine solche Initiative der Lebensmittelkette ist. Er selbst unterstütze den Klimaschutz nach Kräften, doch "jetzt, wo alles sowieso schon so teuer geworden ist, ist sowas unsinnig." Vor zwei oder drei Jahren hätten es die Menschen mehr noch unterstützt, meint er.
Auch Hans Schniggenberg findet Klimaschutz wichtig, kauft gerne auch mal im Bioladen ein, doch ob die Aktion im Supermarkt viele Befürworter findet, stellt er in Frage. "Ich finde es bei den Großkonzernen etwas schwierig", überlegt der Pfedelbacher. "Viele fragen sich bestimmt, ob der erhöhte Preis dann auch an der richtigen Stelle ankommt." Auch dass derzeit viele Kunden bereit seien, so viel mehr zu bezahlen, kann er sich nicht vorstellen.
Reaktionen aus dem Netz
Wiener Würstchen kosten plötzlich 6,01 Euro statt 3,19 Euro, der Preis für Mozzarella erhöht sich von 89 Cent auf 1,55 Euro: Es ist ein gewagter Schritt von Penny, der in den sozialen Netzwerken für Kritik sorgt. Auf der Facebook-Seite der Heilbronner Stimme machen einige Leute ihrem Ärger Luft. Ein Mann schreibt: "Gibt auch noch andere Discounter. Solche Aktionen unterstütze ich auch nicht. Penny werde ich erst einmal für längere Zeit meiden." Jemand anderes schreibt zynisch: "Na klar, machen ja alle nur Verluste, weil alles so billig rausgehauen wird." Eine Kommentatorin erinnert daran, dass sich viele Menschen höhere Lebensmittelpreise nicht leisten können.
Doch die "wahre Preise"-Aktion findet auch Unterstützer. Jemand schreibt: "Gute Aktion, um mal etwas Bewusstsein zu schaffen." An anderer Stelle heißt es: "Endlich macht das mal jemand. Ich bin dauerhaft für doppelte Lebensmittelpreise, dann würde man auch mit Verstand einkaufen." Ein anderer Kommentator findet die vorübergehende Preiserhöhung lobenswert, zweifelt aber den Erfolg an: "Gute Aktion, aber sie wird wahrscheinlich nichts bringen. Bewusstsein für Umweltschutz oder Ähnliches wird hier nicht geschaffen, sondern es wird ein Angriff auf die eigenen Komfortzone gesehen." Zynisch fügt er hinzu: "Dem Verbraucher auch noch Verantwortung aufbürden, so dass er oder sie sein Konsumverhalten hinterfragt? Wo kommen wir denn da hin?"