Phänomen "Hosentaschenanrufe": Wenn das Handy von selbst den Notruf wählt
Laut dem Innenministerium nehmen versehentliche Notrufe zu. Das Phänomen "Hosentaschenanrufe" ist auch bei der Polizei in Heilbronn bekannt. Was die Beamten in so einem Fall raten.

Wer das Smartphone in der Hosentasche trägt, kennt vielleicht diese Situation: Das Handy entsperrt sich von selbst und landet im Notfallmodus. Susanne Schumann-Harzheim ist das schon öfter passiert. Zum Glück habe sie es immer noch rechtzeitig bemerkt und den SOS-Knopf nie gewählt. "Es wurde angezeigt, aber nicht angerufen", sagt sie. Nun trägt die 59-Jährige ihr Handy lieber in der Jacken- oder Handtasche. "Das ist sicherer."
Das Innenministerium nennt dieses Phänomen "butt-dials". Im Deutschen wird häufig der Begriff Hosentaschenanrufe verwendet. Der Notfallmodus ermöglicht es Smartphone-Nutzern, in Not schneller Hilfe zu bekommen. Wählt das Handy in der Hosentasche von selbst die Notrufnummer 110, wird dies als Fehlanruf bezeichnet. Als Fehlanruf gilt es auch, wenn sich jemand verwählt und dadurch beim Notruf landet. Zudem kann es vorkommen, dass das Smartphone oder die Smartwatch fälschlicherweise von einer Notlage des Nutzers ausgeht und den Notruf wählt. Wenn jemand die Notrufnummer missbraucht, also absichtlich die 110 wählt, obwohl keine Notlage besteht, zählt das nicht dazu.
Versehentliche Notrufe bei der Polizei nehmen zu
In diesem Jahr ist die Anzahl der Fehlanrufe beim Notruf stark angestiegen. Im Jahr 2022 wurden landesweit 89.230 solcher Fehlanrufe erfasst. Im aktuellen Jahr waren es bis einschließlich Juli bereits etwa 105.200 Fehlanrufe. Diese Zahlen gab das Innenministerium bekannt. Rein rechnerisch würden pro Stunde etwa zwei Fehlanrufe in jedem Führungs- und Lagezentrum der 13 regionalen Polizeipräsidien bearbeitet, erklärt eine Sprecherin.
Auch im Polizeipräsidium Heilbronn ist dieses Problem bekannt. "Die Anzahl von Notrufen, bei denen der Anrufer offensichtlich nichts vom Zustandekommen der Verbindung weiß, hat zweifelsohne zugenommen", erklärt Pressesprecher Daniel Fessler. Solche Anrufe würden etwa acht Prozent der Notrufe ausmachen. Zwischen Januar und Juli dieses Jahres seien pro Monat durchschnittlich 12.500 Notrufe eingegangen. Unter 1000 seien Fehlanrufe gewesen.
Versehentlich den Notruf gewählt – und jetzt?
Es sei nicht strafbar, aus Versehen die 110 zu wählen. Nur wer willentlich den Notruf missbraucht, mache sich strafbar. Der Einsatzsachbearbeiter erkennt Fehlanrufe meist schnell. Etwa wenn der Anrufer nicht spricht und nur Stille zu hören ist, erklärt Fessler. Trotzdem empfiehlt die Polizei, versehentliche Notrufe zu melden. "Falls man merkt, dass sein Smartphone eigenständig den Notruf wählte, wäre ein kurzer Rückruf bei der 110 schön." Denn wenn im Hintergrund Streit oder Hilfeschreie zu hören sind, könnte es passieren, dass die Polizei eine Streife vorbeischickt.
Die Erreichbarkeit des Notrufs sei durch Fehlanrufe nicht gefährdet, erklärt die Sprecherin des Innenministeriums. Statistisch würden jeden Tag durchschnittlich etwa 5400 Notrufe bei der Polizei Baden-Württemberg eingehen. Die Fehlanrufe machen davon nur einen kleinen Teil aus. Die Fehlanrufe seien verkraftbar, solange sie keine Ermittlungen zur Folge haben, erklärt auch Daniel Fessler. Die Polizei verfüge über mehrere parallele Notrufleitungen und es seien immer mehrere Beamte im Dienst.




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