Pflegemitarbeiterinnen fürchten das berufliche Aus
Ungeimpft und in Gesundheitsberufen beschäftigt - vier Frauen aus der Region schildern, wie sie mit der ungewissen beruflichen Zukunft angesichts der Impfpflicht umgehen

Vier Frauen aus der Region, alle mittleren Alters, alle nicht geimpft, lieben ihre Berufe, wie sie sagen. "Ich möchte nicht aufhören", sagt Anja Müller, Mitarbeiterin eines Heilbronner Pflegedienstes. Seitdem Bundestag und Bundesrat eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für medizinisches Personal beschlossen haben, befürchten sie, ab März über kurz oder lang arbeitslos zu werden.
Situation belastet sie
Die Namen der Frauen sind der Redaktion bekannt und in dem Bericht geändert. Dass sie sich nicht impfen lassen, hat vielerlei Gründe. Letztlich, so ihr Tenor, sei es die Entscheidung eines jeden einzelnen, die respektiert werden sollte.
Rita Schneider freut sich, wenn ein Patient, dem es vorher schlecht ging, die SRH-Reha-Klinik in Bad Wimpfen verlässt. In ihrem Beruf stecke Herzblut. "Zu Beginn der Pandemie sind wir beklatscht worden, jetzt erhalten wir einen Tritt in den Hintern." Schneider hat sich nach eigenen Angaben beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet. Die Ungewissheit, wie sich die Impfpflicht ab Mitte März auf ihr Leben auswirken wird, belaste sie, sie leide unter Schlafstörungen. "Es geht mir nicht gut."
Von den Kollegen akzeptiert
Kathrin Maier arbeitet im SLK-Krankenhaus im Plattenwald. Dass sie nicht geimpft ist, werde von den Kollegen akzeptiert. Einen Brief habe sie vom Arbeitgeber erhalten, in dem auf die Impfpflicht hingewiesen werde. Mehr nicht. "Ich will meine Arbeit nicht verlieren." Soweit sie wisse, gebe es die Order, alle Mitarbeiter im Plattenwald auch über den 16. März hinaus im Dienstplan einzuteilen.
Mathias Burkhardt, Sprecher der SLK-Kliniken, berichtet von zahlreichen Gesprächs-, Beratungs- und Impfangeboten in den Krankenhäusern. "Der Dialog geht ganz klar in die Richtung zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Und damit erreichen wir auch nach wie vor einige."
Zusammenhalt im Team wackelt
Beate Schütz arbeitet wie Schneider in der Wimpfener Reha-Klinik. Sie fühlt sich unter Druck gesetzt. Kollegen schauten sie schräg an, wenn sie sich vor Arbeitsbeginn testen lasse. Der Zusammenhalt im Team bröckle. "Die anderen, geimpften Kollegen haben ja auch Ängste", meint Rita Schneider. Diese befürchteten, dass Personal ausfällt und die Arbeit an ihnen hängen bleibe. Sie kritisiert, dass es zwar Gespräche mit dem Arbeitgeber gebe, in denen werde aber ausschließlich Druck aufgebaut mit dem Ziel, dass sie sich impfen lasse. "Es wird nie gefragt, was ich brauche." Zudem würde jedem ungeimpften Mitarbeiter etwas anderes erzählt, so ihr Eindruck aus Gesprächen mit anderen Betroffenen.
SRH-Holding steht zur Impfung, aber auf freiwilliger Basis
Die Beschäftigten würden in Einzelgesprächen und über das Intranet über neueste Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten, sagt Martin Kussler, Sprecher der SRH Holding. SRH ermutige zur Impfung "als effiziente Bekämpfung der Pandemie". Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sieht Kussler allerdings kritisch. "Um es klar zu sagen, wir wollen nicht einen einzigen Kollegen verlieren." SRH hoffe auf weitere Impfungen. "Es sollte aber die freie Entscheidung der Mitarbeiter sein."
Vorgesetzter interessiert sich nicht für Impfstatus seiner Mitarbeiter
Anja Müllers Arbeitgeber eines Pflegedienstes in Heilbronn möchte nicht wissen, wer geimpft ist und wer nicht. Das nimmt ihr nicht die Existenzängste. "Ich bin überhaupt nicht entspannt." Der Chef werde wie vorgeschrieben dem Gesundheitsamt die Ungeimpften melden. Wie es für die Frauen weitergeht, ist offen. Eine Schutzimpfung ist für sie keine Option. "Wir können nur hoffen und abwarten", sagt Kathrin Maier. Vielleicht werde die Impfpflicht ausgesetzt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder stellt das zumindest für sein Bundesland in Aussicht.
Gesetzliche Regelung
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht tritt in fünf Wochen am Dienstag, 15. März, in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen Beschäftigte von Kliniken, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen einen Nachweis als Geimpfte, Genesene oder ein Attest vorlegen. Wer dem nicht nachkommt, wird dem Gesundheitsamt gemeldet. Es entscheidet in jedem Einzelfall, ob ein Bußgeld verhängt oder ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden soll. Zu sofortigen Kündigungen soll es nach dem Willen der Bundesregierung nicht kommen, damit sich der Personalnotstand nicht weiter verschärft.