Müssen Kommunen im Raum Heilbronn Flüchtlinge wider Willen aufnehmen?
Vor Kurzen hieß es, dass es keine Obergrenzen für die Aufnahme Geflüchteter geben wird. Und dass Baden-Württemberg Flüchtlingsunterkünfte bauen lassen kann, wo es will. Was hat es mit Winfried Kretschmanns Drohung auf sich?

Während in einigen Kommunen im Landkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis heftig über die weitere Aufnahme Geflüchteter debattiert wird, erhöhte der Landeschef vor Kurzem noch den Druck: Das Land wolle Kommunen notfalls zum Bau von Flüchtlingsunterkünften zwingen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und das Justizministerium kündigten an, dass, als letzte Möglichkeit, Einrichtungen auch gegen den Willen von Städten und Gemeinden entstehen könnten. Und dies kurz nachdem sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegen Obergrenzen für die Aufnahme Geflüchteter ausgesprochen hatte.
Meldungen klingen alarmierend
Doch die für viele zunächst alarmierend klingenden Meldungen betreffen nur solche Standorte, in denen das Land selbst größere Flüchtlingsunterkünfte plant. Und in denen, wie zuletzt in Pforzheim, Ellwangen oder Tamm, die kommunale Ebene heftig dagegen opponiert hatte. Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigt: Kretschmanns Aussage bezog sich nur auf die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes (Lea), nicht generell auf Sammelunterkünfte für Flüchtlinge, die in die Zuständigkeit der Kreise und Städte fallen.
Sollte das Land aber über die zehn oder elf bestehenden Leas hinaus eine neue einrichten wollen, gebe es gesetzliche Möglichkeiten, dies gegen den Mehrheitswillen eines Gemeinderats zu erzwingen.
Landrat Heuser bleibt gelassen
Norbert Heuser bleibt gelassen: "Ich kenne keine Planungen zu einer Erstaufnahmeeinrichtung im Landkreis", sagt der Heilbronner Landrat. Doch hatte er von den Überlegungen Kretschmanns noch nicht gehört, gegebenenfalls Erstaufnahmeeinrichtungen über den Kopf von Gemeinderäten hinweg zu bauen. Zur Faesers Ablehnung von Obergrenzen für die Aufnahme von Geflüchteten, zitiert Heuser den früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck: "Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich."
Stadt Heilbronn stellt sich ihrer Verantwortung
Zur Einrichtung einer Lea möchte auch die Stadt Heilbronn nicht gezwungen werden. Ihr Oberbürgermeister öffnet dennoch die Arme: "Die Stadt Heilbronn stellt sich ihrer Verantwortung, geflüchtete Menschen aufzunehmen und in besonderen Krisen wie in den Jahren 2015/16 und seit Ausbruch des Ukrainekrieges die Unterbringungskapazitäten flexibel auszuweiten", so Harry Mergel. Die Einrichtung einer Lea durch das Land sei in der Stadt aber noch nie Thema gewesen.
Allerdings, findet er, sei die Absicht des Landes, neue Kapazitäten in Leas zu schaffen, auch im Interesse der Kommunen. Im konkreten Fall könne die Einrichtung aber "selbstverständlich nur im Einvernehmen mit der jeweiligen Kommune erfolgen".
Probleme der Kommunen kommen nicht in Berlin an
Björn Steinbach vom Kreisverband im baden-württembergischen Gemeindetag sieht das Problem hingegen woanders. "Das Schwierige ist aus meiner Sicht", sagt er, "dass die Probleme, die die Kommunen haben, nicht bei der Bundespolitik ankommen". Den Ärger, den die erzwungene Unterbringung Geflüchteter mit sich bringe, "den kriegen wir vor Ort ab". Steinbach, auch Bürgermeister von Obersulm, verweist auf die Proteste in Wüstenrot und Pfedelbach: "Die Bevölkerung wird sensibler."
Spitzenverbände fordern realitätsbezogene Flüchtlingspolitik
Um die Politik auf die angespannte Situation in den Kommunen aufmerksam zu machen, haben der baden-württembergische Gemeindetag, der Landkreistag und der Städtetag gemeinsam einen "12-Punkte-Plan für eine realitätsbezogene Flüchtlingspolitik" verfasst. An erster Stelle steht die Forderung nach einer europaweit gleichmäßigen Verteilung. "Wir haben in Baden-Württemberg mehr Ukrainer als ganz Frankreich", so Steinbach.
Vom am 10. Mai stattfindenden Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern erwartet er nicht allzu viel. Im Gegensatz zu Landrat Heuser. Dieser unterstützt die Erklärung der kommunalen Spitzenverbände und erwartet "eine offene und ehrliche Analyse der sehr angespannten Situation in den Landkreisen und den Kommunen".
Wie funktioniert die Erstaufnahme im Land?
Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, werden zunächst in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung registriert. In Baden-Württemberg regelt das Regierungspräsidium Karlsruhe Aufnahme, Unterbringung und Verteilung; es weist die Asylbewerber landesweit Stadt- und Landkreisen zu. Die Zuteilungsquote berechnet sich prozentual aus dem jeweiligen Anteil der Gesamtbevölkerung. Sobald sie bei ihnen untergebracht sind, sind die Kommunen für die Geflüchteten zuständig.