Stimme+
Heilbronn
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Kritik an Heilbronner Tierarztpraxis nach Tod eines Hundes

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Ein Hundebesitzer schildert auf Facebook den Besuch in einer Heilbronner Tierarztpraxis. Die Praxis gehört zu einem europaweit tätigen Anbieter für Tiermedizin. Das Unternehmen widerspricht den Vorwürfen.

Die tiermedizinische Behandlung umfasst sehr viele Leistungen, die aus der Behandlung von Menschen bekannt sind: beispielsweise Bluttransfusionen, Blutdruckmessungen, Kieferorthopädie oder Tumorbestrahlung.
Die tiermedizinische Behandlung umfasst sehr viele Leistungen, die aus der Behandlung von Menschen bekannt sind: beispielsweise Bluttransfusionen, Blutdruckmessungen, Kieferorthopädie oder Tumorbestrahlung.  Foto: Friends Stock/stock.adobe.com

Dennis Siebert aus Billigheim im Neckar-Odenwald-Kreis sagt, es sei eine "richtige Sauerei". Seinen Angaben zufolge verendete seine Amerikanische Bulldogge in der Heilbronner Tierarztpraxis Anicura, noch bevor die Behandlung überhaupt begann. Er habe zuerst den Anmeldebogen ausfüllen sollen, sagt der 44-Jährige. Dabei habe es sich seiner Meinung nach bei seinem Hund ganz offensichtlich um einen Notfall gehandelt.

Als er einen Beitrag darüber auf Facebook postet, entbrennt im Netz eine heftige Diskussion. In den mehr als 1000 Kommentaren werfen einige dem europaweit tätigen Unternehmen Anicura vor, es setze das Geldverdienen an erste Stelle.

Eine Sprecherin des gescholtenen Unternehmens widerspricht. "Generell haben Sicherheit und Wohlbefinden von Haustieren bei Anicura oberste Priorität." Weitere Fragen beantwortet sie nicht. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf eine Branche im Umbruch.

 


Mehr zum Thema

Bevor die neue Gebührenordnung für Tierärzte am 22. November in Kraft tritt, denkt so mancher über eine Tierkrankenversicherung nach.
Stimme+
Meinung
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Die tiermedizinische Versorgung wandelt sich


Unternehmen gehört zu Welt-Konzern

"Ich verstehe nicht, warum ich erst einen Zettel ausfüllen soll, ich habe der Tierarzthelferin gesagt, mein Hund ist am ersticken", schildert Siebert. Wenn seine Bulldogge Evil in der Praxis gleich intubiert worden wäre, hätte ihr das wohl das Leben gerettet. Ob Sieberts Einschätzung zutrifft, lässt sich nicht überprüfen. Die Heilbronner Anicura-Praxis äußert sich nicht zum konkreten Fall.

Hinter Anicura steht der Konzern Mars. Viele kennen den gleichnamigen Schoko-Riegel. In Deutschland gibt es weit mehr als 60 Tierzentren, Kliniken und Notfallpraxen. Unter Sieberts Facebook-Beitrag schreiben Tierhalter aus ganz Deutschland. "Sie haben nicht angefangen zu operieren, bis ich 1000 Euro angezahlt habe", heißt es beispielsweise in einem Beitrag. In einem anderen: "Ich hatte ein ähnliches Drama." Tierarztpraxen seien "Gelddruckmaschinen", echauffiert sich ein weiterer Facebook-Nutzer. Eine andere Frau gibt zu bedenken, dass Tierärzte Dienstleister seien. "Sie retten vielleicht ein Tier, und dann hat der Besitzer kein Geld."

 


Mehr zum Thema

Seit einem Monat gilt die angepasste Gebührenordnung für Tierärzte.

Foto: VadimGuzhva/stock.adobe.com
Stimme+
Region
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

So machen sich die höheren Tierarztkosten in der Region bemerkbar


Branche im Umbruch

Unternehmen wie Anicura oder auch Evidensia, ein weiterer großer Anbieter von Tiermedizin, kaufen Tierarztpraxen auf und mischen so den Markt auf. "Diese Investoren schlagen in eine Lücke", sagt Dr. Thomas Steidl, Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg. "Der Wandel trifft auf einen Zeitgeist."

Die marktbeherrschende Stellung der Unternehmen betrachtet Steidl mit Sorge. Die Nachfrage scheint jedoch vorhanden. "Wir brauchen mehr Ärzte", sagt Steidl. Die Klientel der Tierbesitzer sei anspruchsvoller geworden. Sie erwarte mehr Laboruntersuchungen, Computertomographie bei einem Kaninchen, Röntgenaufnahmen. "Wir brauchen für eine Behandlung mehr Zeit."

Der steigende Bedarf ist einer der Gründe, warum sich Praxis-Ketten ausbreiten können. Ein weiterer: Immer weniger der studierten Veterinäre eröffnen eine eigene Praxis. Junge Menschen bringen die Selbstständigkeit schlecht mit dem Privatleben in Einklang. Andere stellen fest, dass Fleischbeschau oder das Einschläfern eines Tieres nichts für sie ist. Dazu beobachtet Steidl eine veränderte Arbeitseinstellung. Nachtdienste und Arbeit am Wochenende für Notfälle - die Bereitschaft dazu schwindet. Sei vor Jahren eine Praxis von einer Person geführt worden, teilten sich heute drei, vier Ärzte die Aufgaben.

Kleine Praxen sind überfüllt

Dennis Siebert mit seiner Amerikanischen Bulldogge Evil.
Dennis Siebert mit seiner Amerikanischen Bulldogge Evil.  Foto: privat

Eine Folge des Umbruchs nennt Silke Anders, Vorsitzende des Tierschutzvereins Heilbronn und Umgebung. "Jeder kleine Tierarzt ist überlaufen." Es sei grundsätzlich schwierig, eine Klinik mit 24-Stunden-Dienst zu finden. Wie überall, wo unattraktive Arbeitszeiten Teil des Berufs sind, fehle Personal.

Die Gebührenordnung für Tierärzte ist 2022 geändert worden. "Die alte stammte noch aus D-Mark-Zeiten", sagt Steidl. Die Erhöhungen für einzelne Leistungen bezeichnet er "als herben Schritt". Die damit verbundenen Umsatzsteigerungen seien jedoch nicht mit mehr Gewinn gleichzusetzen. "Wir brauchen Geld, um unsere Kosten zu decken." In Großbritannien oder Frankreich seien die Honorare noch höher. In anderen Ländern beteilige sich außerdem der Staat an den Praxisausgaben. In Luxemburg erhalte ein Tierarzt beispielsweise 600 Euro, wenn er an einem Wochenende die Praxis öffne. Frankreich bezuschusse den Betrieb einer Tierpraxis in strukturschwachen Gebieten. In Deutschland habe Tierschutz zwar Verfassungsrang. Vergleichbare Zahlungen aber gebe es nicht.

 


Mehr zum Thema

Alltag einer Amtstierärztin in Hohenlohe
Stimme+
Hohenlohe
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Im Auftrag des Tierschutzes: Wie sieht der Alltag einer Amtstierärztin aus?


 

Neue Gebührenordnung seit November

Tierarztkosten sind im November kräftig gestiegen. Die alte Gebührenordnung stammte noch aus dem Jahr 1999. Der Rahmen reicht vom einfachen bis zum dreifachen Satz. Der einfache Satz etwa für eine allgemeine Untersuchung mit Beratung beim Hund kletterte von 13,47 auf 23,62 Euro und bei einer Katze von 8,98 auf 23,62 Euro. Dazu kommen Kosten für Arzneimittel, Materialien und Laborleistungen. Für Notfälle nachts berechnen Tierärzte den zwei- bis vierfachen Satz.

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung

Nicole Theuer am 24.05.2023 19:42 Uhr

Vielleicht sollte man in Sachen AniCura ein bisschen differenzieren. Ich war jahrelang mit meinen Tieren in der Klinik in der Frankfurter Straße. Supernettes, engagiertes Team mit Zeit für jeden tierischen Patienten. So wurde auch meinem Kater das Leben gerettet, durch engagierte (junge) Tierärzte. Einen massiven Einschnitt gab es nach der Fusion mit dem Standort am Landratsamt. Nach der Zusammenlegung fühlte ich mich mit meinen Tieren nicht mehr gut aufgehoben, plötzlich stand der kommerzielle Aspekt sehr im Vordergrund, beispielsweise wurde mir von einer TÄ (aus der Klinik am Landratsamt), die mein Tier zum ersten Mal in ihrem Leben gesehen hatte, sofort eine aufwendige Operation vorgeschlagen, die die Spezialistin der Klinik (aus der Frankfurter Straße) als völlig unangebracht und nur im aller äußersten Notfall angezeigt, eingestuft hatte. Mittels "Ferndiagnose" bestätigte eine weitere Tierärztin aus der ehemaligen Klinik am Landratsamt, dass der Kater, den sie nie zu Gesicht bekommen hatte, diese Operation zwingend brauche. Auf meinen Einwand hin, dass ich das mit der Spezialistin, die das Tier vorher erfolgreich operiert und behandelt hatte, besprechen würde, wurde die Dame sehr, sehr unfreundlich. Das ist jetzt drei Jahre her, der Kater erfreut sich ohne die - schon aus damaliger Sicht unnötige Operation, die, so mein Eindruck, nur durchgeführt werden sollte, um Honorar zu generieren, bester Gesundheit.

Antworten
lädt ... Gefällt Nutzern Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
Nach oben  Nach oben