Kritik an Heilbronner Tierarztpraxis nach Tod eines Hundes
Ein Hundebesitzer schildert auf Facebook den Besuch in einer Heilbronner Tierarztpraxis. Die Praxis gehört zu einem europaweit tätigen Anbieter für Tiermedizin. Das Unternehmen widerspricht den Vorwürfen.

Dennis Siebert aus Billigheim im Neckar-Odenwald-Kreis sagt, es sei eine "richtige Sauerei". Seinen Angaben zufolge verendete seine Amerikanische Bulldogge in der Heilbronner Tierarztpraxis Anicura, noch bevor die Behandlung überhaupt begann. Er habe zuerst den Anmeldebogen ausfüllen sollen, sagt der 44-Jährige. Dabei habe es sich seiner Meinung nach bei seinem Hund ganz offensichtlich um einen Notfall gehandelt.
Als er einen Beitrag darüber auf Facebook postet, entbrennt im Netz eine heftige Diskussion. In den mehr als 1000 Kommentaren werfen einige dem europaweit tätigen Unternehmen Anicura vor, es setze das Geldverdienen an erste Stelle.
Eine Sprecherin des gescholtenen Unternehmens widerspricht. "Generell haben Sicherheit und Wohlbefinden von Haustieren bei Anicura oberste Priorität." Weitere Fragen beantwortet sie nicht. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf eine Branche im Umbruch.
Unternehmen gehört zu Welt-Konzern
"Ich verstehe nicht, warum ich erst einen Zettel ausfüllen soll, ich habe der Tierarzthelferin gesagt, mein Hund ist am ersticken", schildert Siebert. Wenn seine Bulldogge Evil in der Praxis gleich intubiert worden wäre, hätte ihr das wohl das Leben gerettet. Ob Sieberts Einschätzung zutrifft, lässt sich nicht überprüfen. Die Heilbronner Anicura-Praxis äußert sich nicht zum konkreten Fall.
Hinter Anicura steht der Konzern Mars. Viele kennen den gleichnamigen Schoko-Riegel. In Deutschland gibt es weit mehr als 60 Tierzentren, Kliniken und Notfallpraxen. Unter Sieberts Facebook-Beitrag schreiben Tierhalter aus ganz Deutschland. "Sie haben nicht angefangen zu operieren, bis ich 1000 Euro angezahlt habe", heißt es beispielsweise in einem Beitrag. In einem anderen: "Ich hatte ein ähnliches Drama." Tierarztpraxen seien "Gelddruckmaschinen", echauffiert sich ein weiterer Facebook-Nutzer. Eine andere Frau gibt zu bedenken, dass Tierärzte Dienstleister seien. "Sie retten vielleicht ein Tier, und dann hat der Besitzer kein Geld."
Branche im Umbruch
Unternehmen wie Anicura oder auch Evidensia, ein weiterer großer Anbieter von Tiermedizin, kaufen Tierarztpraxen auf und mischen so den Markt auf. "Diese Investoren schlagen in eine Lücke", sagt Dr. Thomas Steidl, Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg. "Der Wandel trifft auf einen Zeitgeist."
Die marktbeherrschende Stellung der Unternehmen betrachtet Steidl mit Sorge. Die Nachfrage scheint jedoch vorhanden. "Wir brauchen mehr Ärzte", sagt Steidl. Die Klientel der Tierbesitzer sei anspruchsvoller geworden. Sie erwarte mehr Laboruntersuchungen, Computertomographie bei einem Kaninchen, Röntgenaufnahmen. "Wir brauchen für eine Behandlung mehr Zeit."
Der steigende Bedarf ist einer der Gründe, warum sich Praxis-Ketten ausbreiten können. Ein weiterer: Immer weniger der studierten Veterinäre eröffnen eine eigene Praxis. Junge Menschen bringen die Selbstständigkeit schlecht mit dem Privatleben in Einklang. Andere stellen fest, dass Fleischbeschau oder das Einschläfern eines Tieres nichts für sie ist. Dazu beobachtet Steidl eine veränderte Arbeitseinstellung. Nachtdienste und Arbeit am Wochenende für Notfälle - die Bereitschaft dazu schwindet. Sei vor Jahren eine Praxis von einer Person geführt worden, teilten sich heute drei, vier Ärzte die Aufgaben.
Kleine Praxen sind überfüllt

Eine Folge des Umbruchs nennt Silke Anders, Vorsitzende des Tierschutzvereins Heilbronn und Umgebung. "Jeder kleine Tierarzt ist überlaufen." Es sei grundsätzlich schwierig, eine Klinik mit 24-Stunden-Dienst zu finden. Wie überall, wo unattraktive Arbeitszeiten Teil des Berufs sind, fehle Personal.
Die Gebührenordnung für Tierärzte ist 2022 geändert worden. "Die alte stammte noch aus D-Mark-Zeiten", sagt Steidl. Die Erhöhungen für einzelne Leistungen bezeichnet er "als herben Schritt". Die damit verbundenen Umsatzsteigerungen seien jedoch nicht mit mehr Gewinn gleichzusetzen. "Wir brauchen Geld, um unsere Kosten zu decken." In Großbritannien oder Frankreich seien die Honorare noch höher. In anderen Ländern beteilige sich außerdem der Staat an den Praxisausgaben. In Luxemburg erhalte ein Tierarzt beispielsweise 600 Euro, wenn er an einem Wochenende die Praxis öffne. Frankreich bezuschusse den Betrieb einer Tierpraxis in strukturschwachen Gebieten. In Deutschland habe Tierschutz zwar Verfassungsrang. Vergleichbare Zahlungen aber gebe es nicht.
Neue Gebührenordnung seit November
Tierarztkosten sind im November kräftig gestiegen. Die alte Gebührenordnung stammte noch aus dem Jahr 1999. Der Rahmen reicht vom einfachen bis zum dreifachen Satz. Der einfache Satz etwa für eine allgemeine Untersuchung mit Beratung beim Hund kletterte von 13,47 auf 23,62 Euro und bei einer Katze von 8,98 auf 23,62 Euro. Dazu kommen Kosten für Arzneimittel, Materialien und Laborleistungen. Für Notfälle nachts berechnen Tierärzte den zwei- bis vierfachen Satz.




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