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Treffen in Waldenburg oder Erlenbach: Rechtsextremes Netzwerk sucht Anhänger im Raum Heilbronn

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Sympathisanten des "Königreich Deutschland" treffen sich zu Aktionen im Raum Heilbronn, etwa in Erlenbach oder Waldenburg. Die Reichsbürger-Gruppierung will einen Staat im Staat errichten – und sucht Mitstreiter.

Die Gruppierung "Königreich Deutschland" will einen eigenen Staat errichten. Dafür stellen sie auch eigene Pässe aus.
Die Gruppierung "Königreich Deutschland" will einen eigenen Staat errichten. Dafür stellen sie auch eigene Pässe aus.  Foto: dpa (Symbolbild)

Ein Sonntag wie aus dem Bilderbuch. Blauer Himmel, nicht eine Wolke, die Sonne strahlt. Überall in der Region Heilbronn und in Hohenlohe sind Spaziergänger auf den Beinen. Etwa 20 Männer und Frauen, ein paar Kinder sind auch dabei, treffen sich in Waldenburg auf einem Parkplatz an der Albert-Schweitzer-Straße. Stimmengewirr, fröhliches Lachen. Dort trifft sich nicht der örtliche Kegelverein. Es handelt sich um Sympathisanten des "Königreichs Deutschland" (KRD). Sie wandern zusammen und kehren in einem Lokal ein.

Das "Königreich" ist ein Fantasie-Staat, aber keine Märchenerzählung. Der Verfassungsschutz beobachtet die Gruppierung, die dem "Reichsbürger"-Milieu zugeordnet wird. Zurzeit versuchen die Anhänger in Deutschland und Baden-Württemberg neue Mitstreiter zu finden – auch in Heilbronn und im Hohenlohekreis. Klappt das?


Der Staat im Staat: "Königreich Deutschland" sucht in der Region Heilbronn-Hohenlohe nach Anhängern

Das "Königreich Deutschland" ist ein selbsternannter Staat im Staat: Nach eigenen Worten besteht es aus freiheitsliebenden und gemeinwohlorientierten Menschen. Es propagiert einen Neuanfang des deutschen Staates nach den Grundsätzen des Völkerrechts und der Völkerfreundschaft. Grundlage: zehn kosmische Gesetze. Sogar einen selbsternannten König gibt es.

Die Aktivitäten des "KRD" lassen sich auf Tiktok, Telegram und Instagram verfolgen. Etwa die Tour an jenem Sonntag rund um Waldenburg. Die Ankündigung in den sozialen Netzwerken nennt den Zweck: "Diese Vernetzungs-Wanderung ist eine gute Gelegenheit für Deine Lieben, Menschen aus dem ,KRD'" kennenzulernen, damit sie einen wahrhaftigen ersten Eindruck bekommen." Dazu Infos zur Streckenlänge und dem Treffpunkt. Weiter heißt es: "Dann können wir gemeinsam wachsen und in der Natur aktiv sein." Natur, Achtsamkeit, freundliche Menschen – das "KRD" zeichnet ein harmloses Bild von sich.

Ohne Rechtsordnung, Demokratie und Grundsätze: Das ist das Ziel der Reichsbürger-Gruppierung "Königreich Deutschland"

Eine derartige Wanderung zum Kennenlernen gibt es Mitte Dezember in den Weinbergen in Erlenbach. Knapp 15 Menschen sind dabei. Davor treffen sich in Wüstenrot etwas mehr als zehn Gleichgesinnte und Interessierte zum gemeinsamen Spaziergang.

Ansprechpartner und Organisator ist Sebastian M. aus Mainhardt. Er gehört zu den Vortragsrednern des "KRD", wie es sie für viele Regionen Deutschlands gibt. M. ist kein Unbekannter. Vor einem Jahr hielt er in einem Teeladen in Heilbronn einen Vortrag. Die Besitzerin des Geschäfts machte aus ihrer "KRD"-Zugehörigkeit kein Geheimnis. Umsturz-Gedanken wies sie von sich. Im Gespräch mit der Heilbronner Stimme erklärte sie damals unter anderem, keine Steuern zu zahlen. Kurz darauf schloss das Ordnungsamt der Stadt den Laden.

Dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge ist das "KRD" extremistisch und eine der mitgliederstärksten "Reichsbürger"- und "Selbstverwalter"-Gruppierung. Ziel sei es, die gültige Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft zu setzen und durch ein eigenes System zu ersetzen. In dem sollen demokratische Grundsätze und Gesetze wie auch staatliche Schutzvorschriften generell nicht gelten. Das betreffe beispielsweise Bestimmungen des Steuerrechts, der Gewerbeordnung, des Arbeitnehmer- und des Verbraucherschutzes und viele weitere staatliche Regelungen. Derartige Vorschriften würden in der Scheinordnung des "KRD" generell in Abrede gestellt.

Betriebe und Unternehmen bekennen sich zum "Königreich Deutschland"

Einen Info-Abend veranstaltet die Gruppierung neulich in einem ehemaligen Café im Landkreis Heilbronn. Die Inhaberin, die nach eigenen Angaben in der Pandemie an Demos gegen Corona-Vorschriften teilgenommen hat, sagt, sie habe mit dem "KRD" nichts zu tun. Sie habe nur den Raum vermietet. Dass es sich um ein Treffen des "KRD" handelt, habe sie kurz vorher erfahren und den Hinweis erhalten, dass der Verfassungsschutz die Szene beobachte. Für sie kein Grund, die Veranstaltung abzublasen. "Wenn wir in einer Zeit leben, wo ich meine Gäste fragen muss, welche Gesinnung sie haben, damit ich hier einen Raum vermieten darf, dann läuft in diesem Land jetzt schon was falsch."

Die Aktivitäten der "Selbstverwalter" zielen darauf ab, bundesweit pseudostaatliche Parallelstrukturen aufzubauen, sagt das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg. Menschen, Betriebe und Geschäftsinhaber würden dazu aufgerufen, sich in den Dienst des "KRD" zu stellen, sagt ein Sprecher. Ihm zufolge bekennen sich derzeit rund 20 kleinere und mittelständische Unternehmen in Baden-Württemberg offen dazu, "Betriebe im Königreich Deutschland" zu sein. Darunter befänden sich Malerbetriebe, Gesundheitsdienstleister oder Bestattungsunternehmen. Auch in der Region Heilbronn und Hohenlohe gebe es solche Firmen. Einfach zu finden, sind die Betriebe für Nichteingeweihte nicht.


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Seminare zur "germanischen Heilkunde": Betrieb in Bad Mergentheim gehört dem "Königreich Deutschland" an

Ortswechsel: Bad Mergentheim im Taubertal, gut 50 Kilometer nordöstlich von Heilbronn gelegen. In einer ruhigen, langgezogenen Seitenstraße reihen sich Ein- und Mehrfamilienhäuser aneinander. Am Ende der Sackgasse residiert ein "KRD"-Betrieb. Zufällige Kunden kommen hier nicht vorbei. Nur ein kleiner Aufkleber auf dem Briefkasten des Wohnhauses weist auf das "Königreich" hin. Die Bewohnerin setzt auf die "Heilkraft der Naturgesetze". Ihre Seminare, Online-Kurse und Coachings drehen sich nach Angaben auf der Website um "Die Macht der Gedanken und Schöpfungsgesetze". Es geht um "Germanische Heilkunde" und "Biologische Naturgesetze". Auf das Klingeln an der Tür hin öffnet die Firmeninhaberin. Der Zeitpunkt, einfach so hereinzuplatzen, ist ungünstig, sagt sie und lacht. Ein Gespräch mit der Heilbronner Stimme? Sicher, nur nicht jetzt. Man solle sich per E-Mail melden. Ein Gespräch kommt aber nie zustande.

Die Anhängerschaft des "KRD" ist in Regionalgruppen organisiert, sagt der Landesverfassungsschutz. Unter anderem im Raum Stuttgart, Heilbronn/Schwäbisch-Hall, Ulm, Freiburg/Südbaden und Bodensee. Derzeit rechnet das LfV dem "KRD" eine dreistellige Anzahl an Menschen im Land zu.

"Königreich Deutschland" will eigenen Staat aufbauen: Zentrale sitzt in Wittenberg in Sachsen-Anhalt

Die Gruppe versucht seit mehr als zehn Jahren in unterschiedlicher Intensität, eigene Staatsstrukturen in Form einer Monarchie aufzubauen. Die Zentrale befindet sich in Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Sie wirbt mit einer eigenen Gesundheits- und Rentenkasse sowie einer Verkaufsplattform, auf der mit einer eigenen Währung (E-Mark) bezahlt werden soll. Das "KRD" verspricht Wirtschaftsunternehmen, die sich in das Fantasie-Staatenkonstrukt integrieren, dass sie fortan angeblich keine Steuern mehr zu zahlen hätten. Dies wird als Teil eines umfassenden "Systemausstiegs" aus der Bundesrepublik beworben.

"Dieses System birgt die Gefahr einer erheblichen Schädigung sowohl der eigenen Anhängerschaft als auch möglicher Kunden der, Unternehmen im KRD", warnt der Verfassungsschutz. Das "KRD" ermuntere die Anhänger zu rechtswidrigem Verhalten. Das "Königreich" bewegt sich zwischen Spiritualität, Esoterik und Aussteigermentalität sowie knallharten wirtschaftlichen Interessen. So sollen Staatszugehörige ihr Geld in die Fantasie-Währung tauschen. Aus 500 Euro werden 500 E-Mark. Die Euro sind weg und fließen in den Scheinstaat, mit E-Mark können die "KRD"-Leute nur innerhalb ihres eigenen Kreises zahlen.

So schätzt der Verfassungsschutz die Reichsbürger-Gruppierung "Königreich Deutschland" ein

Verfassungsschützer schätzen, dass die Gruppierung weiterhin um Mitglieder und Geldgeber werben wird, um ihre Strukturen und das vermeintliche Staatsgebiet bundesweit kontinuierlich auszubauen. Es gebe Hinweise darauf, dass sie in anderen Bundesländern größere Grundstücke und Liegenschaften zur Einrichtung von "Gemeinwohldörfern" kaufen möchte.

Menschen, die finanzielle Ängste verspüren und nach alternativen Lebensformen und Geldanlagen suchen, könnten für die Versprechungen der "Selbstverwalter" empfänglich sein und sich ihnen – ohne rechtliche Wirkung – anschließen, sagen die Experten. Unternehmer erhofften sich steuerliche Vorteile und Vorteile für ihre Geschäftsbeziehungen.

Reichsbürger-Gruppierung in der Region Heilbronn: Erfolg beim Werben um Anhänger

Wie erfolgreich das Werben um neue Anhänger tatsächlich ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Fakt ist: Die Aktivitäten online und im realen Leben nehmen zu. Die Zahl der "KRD"-Betriebe in Baden-Württemberg steigt. Fotos von Wanderungen und Vorträgen in den sozialen Netzwerken zeigen allerdings auch, dass es oft dieselben Teilnehmer sind, die zusammenstehen.

Die Gruppierung propagiert laut Verfassungsschutz keine gewaltsamen Aktionen. Doch es gebe eine "Wehrverfassung". Diese programmatischen Äußerungen böten einen Ansatzpunkt für eine potenzielle Radikalisierung. Zumal "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" die staatliche Ordnung nicht anerkennen und sich mitunter zur "Selbstverteidigung" gegen staatliche Eingriffe befugt sähen.

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