Im sozialen Wohnungsbau ist in Heilbronn noch Luft nach oben
Der Mieterbund Heilbronn-Franken bemängelte bei der Hauptversammlung die zu langsame Umsetzung von bezahlbarem Wohnraum. Außerdem wurde Kritik am Mietspiegel geübt: Es muss wieder Mietabschläge in schlechteren Wohnlagen geben. Alfred Huber bleibt Vorsitzender.

Der 1919 gegründete Mieterbund Heilbronn-Franken ist gut durch die Corona-Krise gekommen. Dies wurde bei der Hauptversammlung am Dienstagabend im Abraham-Gumbel-Saal der Volksbank vor 39 Mitgliedern deutlich. Während der Lockdown-Phasen standen vor allem telefonische Rechtsberatungen im Mittelpunkt der Vereinsarbeit. "Jetzt ziehen die persönlichen Gespräche wieder an", freut sich Vorsitzender Alfred Huber über die zurückkehrende Normalität.
Mieterbund zählt mehr als 5000 Mitglieder
Pro Jahr finden mehr als 2000 ausführliche Beratungen statt. "Dabei geht es in den meisten Fällen um Hilfestellung bei Streitigkeiten mit der Vermieterseite", weiß der stellvertretende Vorsitzende Rainer Eckert. Er ist einer von derzeit sechs Rechtsanwälten im Mieterbund, die mit ihrem Wissen den mehr als 5000 Mitgliedern mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Breiten Raum widmete Huber dem Heilbronner Mietspiegel. Für das Zahlenwerk gab es zunächst Lob: "Der Mietspiegel ist eine wichtige Grundlage und er ist besser geworden als in den Vorjahren." Doch Huber sagte auch: "Er ist noch nicht gut." Konkret missfällt dem Mieterbund-Vorsitzenden, dass Vermieter in guten Wohnlagen einen Zuschlag verlangen können, in schlechten Wohnlagen aber kein Abschlag mehr wie noch vor dem Jahr 2000 bei der Miete möglich ist. Seine Forderung lautet deshalb: "Im nächsten Mietspiegel, der 2024 neu aufgelegt wird, muss dieser Abschlag wieder Bestandteil sein."
Stadtsiedlung sendet kein gutes Signal
Ein Herzensanliegen ist dem Mieterbund der soziale Wohnungsbau. "Das bereits Ende 2015 aufgelegte städtische Handlungsprogramm Wohnen ist gut, aber nicht die Umsetzung", kritisierte Huber. So gebe es unter dem Strich nicht mehr, sondern weniger sozial geförderten Wohnraum. Als Negativ-Beispiel nannte er das Wohnquartier auf dem ehemaligen Südbahnhof-Areal: "Da gibt es keine einzige Sozialwohnung."
Enttäuscht ist Huber von der Stadtsiedlung, die dort ebenfalls keine sozial geförderten Wohnungen errichtet hat: "Was ist das für ein Signal, das von dem städtischen Wohnbauunternehmen ausgesandt wird?" Die Stadtsiedlung realisiert stattdessen im "Nonnenbuckel" unterhalb des SLK-Klinikums sozialen Wohnungsbau.
Keine Konzentration von Sozialwohnungen
Ein Mangel ist für Huber auch, dass viele Sozialwohnungen projektiert, aber erst in einigen Jahren bezugsfertig sein werden. Dabei müsse die Kommunalpolitik ihr Augenmerk darauf richten, dass es einen Mix von frei finanzierten und sozialen Wohnungen gebe: "Eine Konzentration von Sozialwohnungen ist für die Stadtgesellschaft schlecht."
Mieterbund steht auf solidem Finanzfundament
Finanziell steht der Mieterbund auf einem soliden Fundament. Die Einnahmen, im Wesentlichen getragen von den Mitgliedsbeiträgen, lagen in den vergangenen Jahren stets über den Ausgaben. So entsprach das Plus 2018 rund 18.000 Euro, 2019 etwa 1000 Euro und 2020 ungefähr 28.000 Euro. "Das ist nicht viel, aber wir sind zufrieden", merkte Huber erfreut an. Größte Ausgabeposten sind die Personalaufwendungen und die Rechtsberatung mit jährlich im Durchschnitt rund 178.000 Euro.
Bei den Wahlen wurde Alfred Huber, der seit 1988 Vorsitzender des Mieterbundes Heilbronn-Franken ist, bestätigt. Allerdings sagte er: "Es ist das letzte Mal. In drei Jahren ist Schluss." Für Rainer Eckert, der seit 30 Jahren das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden bekleidet und sich künftig als Beisitzer engagieren wird, wählten die Mitglieder Georg Kappes. Als weiteres Vorstandsmitglied wurde Rechtsanwalt Jürgen Linkenheil bestätigt.
Mieter dürfen Originalbelege einsehen
Wie komplex das Mietrecht sein kann, verdeutlichte Rechtsanwalt Ulrich Weiß. Zum einen zeigte er die Verquickung der Rückzahlung der Kaution mit Forderungen des Vermieters wegen angeblicher Sachbeschädigungen auf, zum anderen erläuterte er das Recht des Mieters, die Originalbelege der Betriebskosten einzusehen.
Musik sorgte für lockere Stimmung
Musikalisch umrahmt wurde die Jahreshauptversammlung von der Band "unique soulfood". Dahinter stehen die Musiker Uwe Kleber, Alexander Eichbauer, Angela Ünsal und Andreas Sprachmann.
Der lange Weg für mehr Mieterrechte
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen Wohnungsmieter, sich örtlich zu Selbsthilfeeinrichtungen zusammenzufinden. Wohnungselend und eine weitgehende Rechtlosigkeit der Wohnraummieter kennzeichneten diese Epoche. Ähnlich wie im Arbeitsrecht war es auch im Mietrecht zu dieser Zeit für den Vermieter möglich, Vertragsbedingungen weitgehend frei den Mietern zu diktieren. Im Jahre 1900 gründeten 25 Mietervereine den Bund der Mietervereine und legten damit den Grundstein für eine deutsche Mieterbewegung. Erste Fortschritte für ein soziales Mietrecht konnten durch das Mieterschutzgesetz im Jahr 1923 durchgesetzt werden. Bundesweit gibt es heute 320 Mietervereine.