Kinderschutz in der Region erfordert mehr Einsatz
Die Jugendämter müssen prüfen, ob in Familien das Kindeswohl gefährdet ist. Die Zahl der Meldungen und Fälle im Hohenlohekreis und im Landkreis Heilbronn ist zuletzt stark gestiegen.

Ist das Kindeswohl gefährdet? Dies zu entscheiden, verlangt den Jugendämtern in der Region viel ab. Die Zahl der Meldungen, die auf eine solche Gefahrenlage im familiären Umfeld hindeuten, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.Im Hohenlohekreis waren es 2022 fast dreimal so viele 2018: exakt 303. Jeder Einzelfall muss gründlich geprüft werden, dadurch steigt die Arbeitsbelastung der zuständigen Teams, die wegen des großen Drucks ohnehin mit Fluktuation zu kämpfen haben und frei werdende Stellen immer schwerer wieder besetzen können.
Im Landkreis Heilbronn stieg die Zahl der gemeldeten Fälle von 474 im Jahr 2019 auf 550 im Jahr 2022, ein Anstieg um 16 Prozent. Die Zahl der tatsächlichen Kindeswohlgefährdungen nahm von 139 auf 174 zu, ein Plus von 25,2 Prozent. Die Stadt Heilbronn konnte auf Nachfrage keine Angaben zu aktuellen Zahlen über die Entwicklung der Meldungen von Kindeswohlgefährdungen machen.
Folgen der Corona-Pandemie sind ein Hauptgrund
Ein Hauptgrund für die gestiegenen Zahlen in den anderen Kreisen ist die Corona-Pandemie. Kaum eine gesellschaftliche Gruppe hat darunter nachweislich so gelitten wie Kinder und Jugendliche. Die Auswirkungen von geschlossenen Schulen sowie der Verlust sozialer Kontakte haben Spuren hinterlassen. Dass sich ein Großteil des Lebens in die eigenen vier Wände verlagert hat, hat die Zahl häuslicher Gewalttaten und familiärer Konflikte ansteigen lassen, auch hier hat sich die Lage von Kindern verschlechtert.
In 14 Prozent der Fälle, die 2022 vom Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Jugendamts im Hohenlohekreis geprüft wurden, war das Kindeswohl akut gefährdet, sprich: Die Behörde musste zum schärfsten Mittel greifen und die Kinder aus ihrem familiären Umfeld in seine Obhut nehmen. In 38 Prozent der Fälle war das Kindeswohl latent gefährdet, was ebenfalls einige Arbeit nach sich zieht. In 28 Prozent der gemeldeten Fälle sagten die Experten des ASD: Es handelt sich nicht um eine Kindeswohlgefährdung, wohl aber besteht Hilfebedarf. Solchen Familien steht das Amt beratend zur Seite, weil die Lage noch weitgehend beherrschbar scheint.
Was getan wird, um Zeit zu sparen
Die Auswertung zeigt: In 80 Prozent der gemeldeten Fälle musste das Jugendamt des Hohenlohekreises 2022 tätig werden, nur in 20 Prozent der Fälle nicht. Weil der Arbeitsaufwand so zugenommen hat, wurden zwei neue Stellen geschaffen. In der täglichen Praxis habe der Kinderschutz oberste Priorität, notfalls müsse die Fallbearbeitung warten, hinter der keine Gefährdung stehe, erklärt das Jugendamt.
Um Zeit zu sparen, müsse nun weniger dokumentiert werden, auch der standarisierte Bewertungsbogen sei gekürzt worden. In den meisten Fällen gelinge es, freie Stellen zeitnah wieder zu besetzen. Für die weitere Zukunft will das Jugendamt dies nicht garantieren.
Externe Experten überprüfen Instrumente
Die Hohenloher Kinderschützer werden seit September 2022 von extern Experten überprüft. Erste Ergebnisse liegen vor. Demnach "passen die Instrumente unserer Gefahreneischätzung", sagt Amtsleiterin Claudia Müller. Aber: Der starke Anstieg der Meldungen belaste die Mitarbeiter zusehends. Hier müssten Lösungen gefunden werden, um die Lage zu entlasten.
Das Land Baden-Württemberg führt seit 2012 eine Statistik zur Kindeswohlgefährdung. Demnach stieg die Zahl von 3143 im Jahr 2012 auf 5212 in 2021 an: ein Plus von 51 Prozent. Die Zahl der gemeldeten Fälle wuchs im selben Zeitraum von 9861 auf 16.727: Das sind 69,6 Prozent mehr. Zwischen 2019 und 2021 stieg die Zahl der Kindeswohlgefährdungen um 11,4 Prozent, die Zahl der Verfahren nahm um 15,9 Prozent zu.