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Haus, Hund, Kinder? Sechs junge Menschen aus der Region Heilbronn über ihre Zukunftspläne

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Der jungen Generation wird nachgesagt, sie will nicht mehr arbeiten. Welche Ziele haben die jungen Menschen von heute? Was erwarten sie vom Leben? Wir haben in der Region Heilbronn nachgefragt.

Dolores Fleisch (von links oben), Philipp Hertweck, Angelina Cuenca Lopez, Luna Streib, Albert Orschlet und Neah Byson. Fotos: Lisa Könnecke, privat
Dolores Fleisch (von links oben), Philipp Hertweck, Angelina Cuenca Lopez, Luna Streib, Albert Orschlet und Neah Byson. Fotos: Lisa Könnecke, privat

"Die neuen Generationen sind faul und wollen nicht arbeiten“, sind Vorurteile, die man hin und wieder hört. Klar ist: Noch nie hatten junge Menschen so viele Freiheiten wie heute. Und: Man sollte nie alle über einen Kamm scheren. Die Zeiten sind eben andere. Arbeitskulturen verändern sich, wir leben in einem digitalen Zeitalter und die Welt steht jedem offen. Heute nach seinem Schulabschluss zu reisen, ist mittlerweile so normal wie es früher war, eine Lehre anzufangen.

Trotz aller Möglichkeiten schlägt die aktuelle weltpolitische Lage natürlich aufs Gemüt. Laut der Studie „Jugend in Deutschland“ von Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann treibt die junge Generation viele Sorgen um. Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, Inflation und Co.: Eine Krise überlagert die nächste. Das Sicherheitsgefühl leidet und viele haben das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Bleibt da noch Raum zum Träumen? Welche Ziele haben die jungen Menschen von heute? Was erwarten sie vom Leben? Das haben wir sechs junge Menschen aus der Region gefragt.


Neah Byson, 23, Studentin: Hochzeit und Kunstpädagogik

Neah Byson aus Weinsberg ist seit vergangenem Jahr verheiratet. Manch einer in ihrer Uni hat sich gewundert oder sie komisch angeschaut, dass sie schon so früh den Gang vor den Altar wagte, erinnert sich die 23-Jährige. Aber die Weinsbergerin ist glücklich: „Es kommt darauf an, ob man sich vorstellen kann, mit dieser Person den Rest seines Lebens zu verbringen. Dann ist es schön, diesen Schritt zu gehen“, sagt die 23-Jährige, die derzeit ihren Master in Kunstpädagogik macht. Weil sie in einer Großfamilie mit vier Geschwistern aufgewachsen ist, möchte die Weinsbergerin später mal selbst Nachwuchs haben.


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Auch in beruflicher Hinsicht hat die 23-Jährige Pläne: „Ich möchte meine Kunst ausstellen und auch mal mit meinem Mann zusammenarbeiten. Er ist Fotograf.“ Auch kann sich die 23-Jährige gut vorstellen, später einmal im kunsttherapeutischen Bereich, beispielsweise mit traumatisierten Kindern, zu arbeiten, wie sie sagt. „Meine Eltern haben früher ein Kinderheim in Indien geleitet. Da habe ich gesehen, wie viel diese Arbeit bewirken kann.“ Vor allem Bildung sei wichtig, benachteiligte Kinder in ein neues Leben zu helfen. Und Kunst. „Kunst hilft immer.“


Albert Orschlet, 23, Maler und Lackierer: Kinderlos und selbständig

Schule war nie wirklich sein Ding, sagt Albert Orschlet. Deswegen stand für ihn fest, nach seinem Abschluss eine Ausbildung zu machen. Gesagt, getan: Mit 15 Jahren begann er eine Lehre zum Maler und Lackierer. Mittlerweile ist er nun schon seit drei Jahren ausgelernt. Durch seinen Beruf steht der 23-Jährige auf eigenen Beinen und wohnt auch nicht mehr zu Hause. „Ich wollte arbeiten und mein eigenes Geld verdienen“, betont er. An seinem Beruf schätzt der 23-Jährige vor allem die Arbeit im Team. „Man ist selten allein, sondern mindestens zu zweit oder zu dritt.“

Auch seinen Vater wollte der 23-Jährige mit seiner frühen Selbstständigkeit stolz machen. „Er ist mein Vorbild. Mit fünf Jahren ist er mit mir aus Kasachstan nach Deutschland ausgewandert, weil er sich für mich eine bessere Zukunft gewünscht hat.“ Weil der 23-Jährige am linken Auge erkrankt ist und auf dieser Seite kaum noch Augenlicht hat, will er keine Kinder. „Das ist zu 50 Prozent vererbbar.“ Seit fünf Jahren ist der Maler „glücklich vergeben“. Mit dem Thema Heirat lässt sich der 23-Jährige aber Zeit. „Wir sind ja noch jung.“


Angelina Cuenca Lopez, 16, Schülerin: Jura Studium und Aufenthalt im Ausland

„Ich wollte schon immer Richterin werden“, sagt Angelina Lopez aus Mosbach. Das sei auch nach wie vor eines ihrer Hauptziele im Leben. „Das Köpfchen hätte ich, aber ich bin faul“, sagt die 16-Jährige und lacht. „Ich weiß, dass man im Jurastudium viel lernen muss.“ Ihr Credo lautet daher: „Das Ziel vor Augen haben und sich nicht ablenken lassen, das ist das Wichtigste.“ Außerdem findet Angelina Lopez wichtig, später einmal ein geregeltes und festes Einkommen zu haben. Als nächsten Schritt möchte sich die Mosbacherin für ein Praktikum im Gericht bewerben, „um in den Beruf reinzuschnuppern“.


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Haus und Familie wünscht sich die 16-Jährige auch. „Aber vorher will ich erstmal was schaffen in meinem Leben“, stellt sie klar. „Ich möchte meinen Kindern ja auch was bieten können.“ Sollte der Plan, Jura zu studieren und als Richterin zu arbeiten, nicht aufgehen, kann sich die 16-Jährige als Alternative gut vorstellen, einen pädagogischen Beruf wie etwa Erzieherin auszuüben. Weil die Hälfte ihrer Familie aus Amerika kommt und zu Hause viel Englisch gesprochen wird, zieht es die 16-Jährige nach ihrem Abitur vermutlich aber erstmal ins Ausland.


Philipp Hertweck, 22, Student: Coffeeshop in Holland und eine Tochter

Der 22-jährige Philipp Hertweck studiert Internationale Betriebswirtschaft – Interkulturelle Studien (IBIS) an der Hochschule Heilbronn. Mit seiner Wahl ist der Neckarsulmer mehr als zufrieden, wie er sagt: „Es ist alles interessant und man lernt viele Sachen, die einem später weiterhelfen werden. Ich langweile mich in keiner Vorlesung.“

Philipp Hertwecks Traum ist, sich später mal mit einem Coffeeshop in Holland selbstständig zu machen, schwärmt er. Sollte das nicht hinhauen, kann sich der 22-Jährige auch gut vorstellen, im Finanzwesen Fuß zu fassen. Ob Consulting oder Vermögensverwaltung: „Im Bankwesen kann man vieles machen. Ich möchte auf jeden Fall mal viel Geld verdienen.“

Was Familienplanung angeht, ist Philipp Hertweck entspannt: „Ich wünsche mir auf jeden Fall ein Kind, am liebsten eine Tochter. Auch ein Kind mehr wäre kein Problem, aber man weiß ja nie, was in zehn Jahren sein wird.“ Familienplanung sei schon immer ein Thema für ihn gewesen im Gegensatz zu manchen in seinem Freundes- oder Bekanntenkreis: „Ich kenne viele, die wollen keine Kinder.“ Dass sich was bei seinen Plänen ändert, kann der 22-Jährige nicht ausschließen.


Luna Streib, 16, Schülerin: Kreativ und selbständig

Wenn Luna Streib aus Affaltrach in zwei Jahren ihr Abitur in der Tasche hat, dann möchte die 16-Jährige am liebsten Zahnmedizin in Heidelberg studieren und später mal eine eigene Praxis eröffnen, sagt sie. Schon ihre Eltern haben Zahnmedizin in Heidelberg studiert. „Alles, was sie haben, haben sich meine Eltern selbst aufgebaut. Das nehme ich mir zum Vorbild.“ Durch sie hat Luna Streib anhand von Übungshaut auch gelernt, wie man Kreuzstiche macht beziehungsweise Wunden näht.


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Die 16-Jährige erzählt, dass es ihr wichtig ist, ihr eigenes Taschengeld zu verdienen. So hilft Luna Streib manchmal in der Praxis ihrer Eltern aus oder verkauft selbstgemachten Perlenschmuck. Weil die Schülerin seit Jahren regelmäßig mit ihrer Familie Roadtrips durch Amerika macht, kann sich die 16-Jährige gut vorstellen, mal auszuwandern und sich dort ein neues Zuhause aufzubauen. Auch in Sachen Familienplanung hat die 16-Jährige konkrete Vorstellungen: „Ich hätte gern mehrere Kinder, ich liebe Kinder. Schon mit einem wäre ich super glücklich.“ Aktuell liegt der Fokus von Luna Streib aber erstmal darauf, ein gutes Abitur und den Führerschein zu machen. „Ich muss mich anstrengen.“


Dolores Fleisch, 15, Schülerin: Topmodel Bella Hadid als Vorbild

Weil man als Anwältin gut verdient und Dolores Fleisch es mag, zu diskutieren, kann sich die 15-Jährige gut vorstellen, später mal Jura zu studieren und als Anwältin in der Wirtschaft oder im Familienrecht zu arbeiten, sagt sie. Zur Zeit macht sie ihr Abitur. „Aber das Studium ist schwierig.“ Deswegen sei sie sich noch nicht ganz sicher, ob es auch wirklich in diese Richtung gehen wird.

Auf der anderen Seite hat Dolores Fleisch auch eine kreative Seite. Ihr zweiter Plan ist daher, als Innenarchitektin zu arbeiten. „Ich mag es zu dekorieren. Nach jeder Identitätskrise ändert sich mein Zimmer komplett“, sagt die 15-Jährige und lacht. Berührungspunkte zu dem Beruf gibt es allemal: „Mein Vater ist Architekt.“

Auf die Frage, wer ihr Vorbild ist, muss die 15-Jährige nicht lange überlegen: Das Topmodel Bella Hadid. „Sie macht einfach ihr Ding.“ Von dieser Einstellung möchte sich die 15-Jährige eine Scheibe abschneiden. Aber auch ihre Mutter sei ein Vorbild für die Schülerin, weil sie ihr bedingungslose Liebe schenkt, erzählt sie. Ebenso ihr Vater. „Er ist überhaupt nicht nachtragend.“ Wenn Dolores Fleisch erwachsen ist, will sie so sein wie ihre Eltern, schwärmt die Schülerin.

 

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