Kinderporno-Fall: Eltern sind total verunsichert
Entsetzen. Schockstarre. Hilflosigkeit und völlige Verunsicherung. Das sind Gefühle der betroffenen Mütter und Väter im Kinderporno-Fall, die sich am Donnerstag im Wartberggemeindehaus getroffen haben.

Kindergarteneltern im Wilhelm-Busch-Kindergarten, in dem der Erzieher arbeitete, der jetzt wegen Kinderpornografiebesitz und sexuellem Missbrauch in Untersuchungshaft sitzt, hatten den Infoabend initiiert.
Rechtsanwalt Tobias Göbel war als Referent für rechtliche Fragen da. Und die Verunsicherung der Mütter und Väter, deren Kinder mit dem beschuldigten Erzieher Kontakt hatten, war fast mit Händen zu greifen. Jede Frage war fast ein Ruf aus Verzweiflung.
"Sind die Bilder unserer Kinder im Internet unterwegs?"
Viele Eltern haben fünf Wochen, nachdem sie aus der Presse von dem Kinderporno-Fall erfahren haben, Angst, dass ihre Kinder Opfer des Erziehers wurden. "Uns geht es jetzt darum, sind die Bilder unserer Kinder im Internet unterwegs?", fragte ein Vater.
Am liebsten würden viele den Ermittlern ein Foto ihres Kindes geben, damit sie es mit den hunderttausenden Fotos und Videos abgleichen, die bei dem früheren Leiter des Busch-Kindergartens sichergestellt wurden. Ein Bild zeigt den 31-Jährigen bei sexuellen Handlungen mit einem Achtjährigen aus seinem Bekanntenkreis. Das Bild stammt aus dem Jahr 2013.
Das Misstrauen gegenüber der evangelischen Kirche als Arbeitgeber des Erziehers und der Polizei ist nach einer ganzen Pannenserie groß. Ein Vater sagt: "Ich würde mir wünschen, dass die Kirche die Aufklärung mit mehr Nachdruck betreibt." Ein anderer erklärt: "Woher soll ich wissen, ob die Polizei ihre Arbeit gut macht? Mein Eindruck ist: Die Ermittlungen sind nicht umfassend genug."
Kirche und Polizei räumen Fehler ein
Die Kirche hat ein Krisenteam eingesetzt und schwere Versäumnisse offengelegt. So konnte der Erzieher monatelang unbehelligt weiter im Kindergarten arbeiten, obwohl in der Kirchenverwaltung längst die Vorwürfe gegen ihn bekannt waren. Auch die Ermittler haben eingeräumt, dass sie mehr als ein Jahr nicht bemerkt haben, dass der Beschuldigte Erzieher ist und in einem Kindergarten arbeitet. Die Fassungslosigkeit über diese Fehler ist bei den Eltern immer noch groß. Ein Vater betont, "dass wir Druck über die Presse machen müssen, anders geht es nicht". Schließlich seien viele Versäumnisse im Kinderporno-Fall erst durch die Medien ans Licht gekommen.
Jugendamt nicht informiert
Nach dem Sozialgesetzbuch hätte die evangelische Gesamtkirchengemeinde auch das Jugendamt der Stadt Heilbronn informieren müssen. Das ist im Kinderporno-Fall nicht geschehen. Dies ist einer der Fehler, den das Kirchenkrisenteam offengelegt hat. "Die Kommunikation zwischen Kirche und Stadt ist nicht optimal verlaufen", sagt auch Rathaussprecher Christian Britzke. "Wir werden unsere Lehren ziehen und versuchen, es künftig besser zu machen." Eine Meldung ans Amt könne immer dann von jedermann erfolgen, wenn das Risiko einer Kindeswohlgefährdung besteht.
Die Zweifel stehen den Eltern förmlich ins Gesicht geschrieben. Hat die Polizei wirklich alle Computer und Datenträger des Erziehers beschlagnahmt? Ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft tief genug? "Der Busch-Kindergarten ist ja nur der Schluss einer Kette", sagt ein Vater. Der Erzieher arbeitete zum Beispiel vor dem Busch-Kindergarten in der Heilbronner Kindertagesstätte Habakuk, die ebenfalls von der evangelischen Kirche betrieben wird. Auch in der Heilbronner Emmausgemeinde war der 31-Jährige sehr aktiv, organisierte dort die Kinderfreizeit Schloss Emmaus. Der Erzieher richtete ebenso privat Kindergeburtstage gegen Honorar aus.
Keine Hinweise auf weitere Missbrauchsopfer
Reichen die Ermittlungen auch zeitlich weit genug zurück? Ein Vater unterstreicht, dass der Erzieher ja schon viel mehr als zehn Jahre in der Gemeinde tätig war.
Bis jetzt liegen der Staatsanwaltschaft außer der bekannten Anzeige eines Vaters keine weiteren vor, berichtet deren Sprecherin Bettina Jörg. Aktuell gebe es auch keine Hinweise auf weitere Missbrauchsopfer. Es gebe auch keine Hinweise, "dass es zu strafbaren Handlungen im Kindergarten gekommen ist". Die Staatsanwältin erklärt, dass unabhängig davon, ob Eltern Bilder zur Verfügung stellen, das Bild- und Videomaterial daraufhin überprüft wird, ob sich Anhaltspunkte für weitere Missbrauchstaten ergeben. Bettina Jörg: "Gegebenenfalls weitere Geschädigte werden ermittelt und entweder selbst oder ihre Erziehungsberechtigten informiert werden. Im Hinblick darauf raten wir besorgten Eltern, das Ergebnis der weiteren Ermittlungen abzuwarten."
Die wichtigsten Hintergründe zum Fall:
- Besitz von Kinderpornos: Heilbronner Erzieher angeklagt (15.2.2018)
- Kinderporno-Video zeigt Missbrauch durch Ex-Erzieher (8.3.2018)
- Weiteres Versäumnis im Heilbronner Kindeporno-Fall (16.3.2018)
- Kirche zahlt Erzieher immer noch Gehalt(19.3.2018)
- Polizei prüft eigene Ermittlungen (20.3.2018)
- Kirche kündigt beschuldigtem Erzieher fristlos (22.3.2018)