Heilbronner Friedensrat protestiert gegen neue Atomwaffen
In einem offenen Brief wenden sich Friedensgruppen der früheren Pershing-Standorte in Baden-Württemberg an die Bundesregierung. Sie warnen davor, dass durch moderne US-Atombomben auf deutschem Boden die Hemmschwelle für einen Atomkrieg sinkt.

Mehrere Friedensgruppen haben sich am Donnerstag in einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt. Sie kritisieren die Pläne, moderne US-Atombomben in Deutschland zu stationieren sowie die Beteiligung der Bundeswehr an einem möglichen Atomkrieg.
Ihren Protest äußerten Gruppen aus den Städten und Gemeinden, in denen früher US-Atomraketen stationiert waren: Heilbronn, Mutlangen und Ulm. "Wir verurteilen entschieden diesen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine. Das hält uns aber nicht davon ab, neue Atombomben in Deutschland abzulehnen", erklärte Reinhold Thiel, Vertreter der Ulmer Initiative.
Deutsche Soldaten wären zuständig, die Atombomben abzuwerfen
Die Kritik entzündet sich an Plänen der USA, neue Atombomben vom Typ B61-12 in Deutschland zu stationieren. Bisher gibt es hierzulande laut Schätzungen 15 bis 20 Atomraketen, die in Büchel in Rheinland-Pfalz gelagert werden. Da sich Deutschland zur nuklearen Teilhabe in der Nato verpflichtet hat, stünden Soldaten der Luftwaffe in der Pflicht, auf Befehl der USA die Raketen zum Ziel zu fliegen und abzuwerfen.
Während die alten Bomben, die in diesem Jahr ersetzt werden könnten, am Zielort herabfallen, sind die neuen Bomben mit Lenksystemen und GPS ausgestattet. Sie können ferngesteuert werden und mit variablen Mengen an Sprengstoff beladen werden - maximal mit 50 Kilotonnen TNT, was der vierfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe entspricht. "Wir haben die ernsthafte Sorge, dass die Hemmschwelle hin zum Atomkrieg sinkt", sagte Thiel.
Heilbronner Friedensrat fürchtet tatsächlichen Einsatz der modernen B16-Atombombe
Wolf Theilacker von der Initiative Heilbronner Friedensrat erinnerte bei der hybriden Konferenz im Trappenseeschlösschen an die Explosion des Triebwerks einer Pershing-2-Rakete, rund einen Kilometer entfernt auf der Heilbronner Waldheide im Jahr 1985. Die Heilbronner hätten damals erkannt, wie schutzlos sie einer großen Gefahr ausgesetzt waren. "Man hätte solche Raketen niemals in New York aufgestellt."
Die neuen Bomben hätten eine Treffsicherheit von 30 Metern und könnten mit geringer Sprengladung bereits unterirdische Ziele treffen. Die Gefahr sei groß, dass sie eingesetzt werden, meint Theilacker. "Dadurch ist sie die gefährlichste Bombe, die wir im Arsenal haben."
Bundesregierung soll keine F35-Kampfjets für 15 Milliarden Euro kaufen
Verhindern wollen die Friedensgruppen auch, dass die Bundesregierung neue F35-Kampfjets anschafft. "Damit machen sich die Bundeswehrsoldaten mitschuldig, die diese Bombe mittransportieren müssen", erklärte Theilacker.
Bisher sollten Eurofighter die alternden Tornados der Bundeswehr ersetzen, inzwischen erklärten informierte Kreise jedoch, die Ampel-Koalition wolle doch F35-Kampfjets vom US-Hersteller Lockheed kaufen. Deutschland dürfe sich nicht anmaßen, andere Länder bombardieren zu wollen. "Deshalb brauchen wir weder die Atombomben, noch die Flugzeuge dafür." Auch die Kosten von 15 Milliarden Euro kritisieren die Friedensaktivisten.
Wolf Theilacker: Dauerhaften Frieden gibt es nur durch Abrüstung
Die Initiativen hoffen, dass eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst wird. "Dauerhaften Frieden und eine Periode der Entspannung können wir nur durch Abrüstung erreichen", sagte Theilacker. Bisher wisse die Bevölkerung zu wenig über die Atomwaffen in Deutschland, sagte Silvia Bopp, Vertreterin aus Schwäbisch Gmünd. "Wir können uns nicht erlauben, dass es zu einem nuklearen Krieg kommt." Die Entscheidung, F35-Flugzeuge zu kaufen, könne noch verhindert werden.
Theilacker hofft auf Protest der Bevölkerung. Der Schreck sei groß gewesen, als Putin mit einem Atomschlag gedroht habe. "Insofern ist es vielleicht ein guter Moment, um die Gefährdung durch Atomwaffen jetzt in die Öffentlichkeit zu tragen."
Hintergrund:
1979 wurde der Nato-Doppelbeschluss gefasst, der die atomare Abschreckung der Sowjetunion und den Abbau von Mittelstreckenraketen vorsah. Ab 1983 wurden Pershing-2-Atomraketen in Deutschland stationiert, zwei Jahre später kam es zum Pershing-Unfall auf der Heilbronner Waldheide. 1987 vereinbarten USA und Sowjetunion, abzurüsten und ihre Atomwaffen weitgehend zu vernichten. 2010 beschloss der Bundestag, die letzten US-Atomwaffen abzuziehen, doch das passierte nicht. 2020 modernisierten die USA ihre in Deutschland gelagerten Sprengköpfe.