Heilbronner Diakonie betritt mit offenem Frauenhaus Neuland
Diakonie und Mitternachtsmission weihen einen neuen Zufluchtsort für Frauen ein. Dabei handelt es sich um ein in Süddeutschland bislang einmaliges Projekt. Warum die Adresse der Heilbronner Einrichtung im Gegensatz zu anderen Frauenhäusern nicht geheim bleibt.

Mit dem neuen Frauenhaus in der Steinstraße 8 schlägt der Heilbronner Kreisverband des Diakonischen Werks jetzt ein neues Kapitel auf. Es ist die erste Einrichtung dieser Art in Süddeutschland. Das Frauenhaus ist offen anstatt geheim zu sein. Denn Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen, sollen sich nicht weiter verstecken. Das für rund 4,5 Millionen Euro grundlegend sanierte und umgebaute Haus ist ein Modellprojekt des Bundes.
Die Heilbronner Sozialbürgermeisterin Agnes Christner sprach von einem "Leuchtturmprojekt" und bescheinigte der Diakonie und der Mitternachtsmission "Mut, neue Wege zu gehen". Dabei sei der Anlass eigentlich kein Grund zur Freude. Denn das neue Frauenhaus gebe es nur, weil es häusliche Gewalt gibt. Und doch freute sich die Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration am Freitag gemeinsam mit Machern und Gästen die Einrichtung einzuweihen. "Gewalt ist kein Grund zu feiern. Aber die Power, sich dagegen zu stellen, schon", sagte Ute Leidig.
Frauenhäuser bieten Unterschlupf für Opfer häuslicher Gewalt
Deutschlandweit gebe es rund 179.000 Opfer häuslicher Gewalt, so Agnes Christner. Knapp 800 Frauenhäuser bieten ihnen Unterschlupf, wenn sie aus Angst von zu Hause flüchten. Nicht selten bringen sie ihre Kinder mit. Aus Schutz vor den gewalttätigen Tätern blieben die Adressen bisher immer geheim.
"Das Open House ist ein Herzensprojekt", sagte Kathrin Geih vom Leitungsteam der Mitternachtsmission. Das Haus ist nicht anonym, sondern für jedermann sichtbar. Nicht nur, weil die Täter immer wieder über sogenanntes Handy-Tracking ohnehin die Adresse herausfänden und damit ihre Opfer aufspürten. "Häusliche Gewalt ist vielmehr eine gesellschaftliche Realität. Dafür wollen wir auch die Gesellschaft sensibilisieren." Mit diesem Konzept betritt die Heilbronner Diakonie Neuland.
Warum die bekannte Kontaktadresse viele Vorteile hat

Dass die Adresse des Zufluchtsorts nicht mehr geheim ist, habe auch handfeste Vorteile, so Kathrin Geih. Nicht zuletzt hätten sie mit einer Kontaktadresse bessere Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, ist die Sozialarbeiterin der Mitternachtsmission überzeugt. "Und auch die Kinder sollen in der Schule sagen dürfen, wo sie wohnen." Sie sollten nicht mit dem Gefühl aufwachsen, einen Teil von sich wegsperren zu müssen, betonte auch die Staatssekretärin.
"Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung, die wir nicht tolerieren dürfen", sagte die Staatssekretärin. Den Zufluchtsort zu anonymisieren, hieße laut Ute Leidig, das Thema zu tabuisieren. Sie setze auf eine Kultur der Solidarität. Das Engagement in Heilbronn bezeichnete die Grünen-Politikerin als beispielhaft.
Wie die Sicherheit im Heilbronner Frauenhaus gewährleistet wird
Sicherheit wird in dem Gebäude trotzdem groß geschrieben, so Tobias Bothe, Sozialmanager bei der Mitternachtsmission und Projektverantwortlicher. So gebe es unter anderem Videoüberwachung und Notfalltasten. Das Gebäude ist auch barrierefrei. Die Wohnungen und der Beratungsbereich für die Frauen seien räumlich klar voneinander abgetrennt. Finanziert ist der Umbau zum Großteil mit Fördergeldern. Ute Leidig will sich dafür stark machen, dass der Bund sich künftig auch an den operativen Kosten stärker beteiligen wird.
Finanzierung
Das neue Heilbronner Frauenhaus kostet rund 4,5 Millionen Euro. Der Bund übernimmt 80 Prozent der förderfähigen Kosten. Jeweils zehn Prozent bezahlen das Land und die evangelische Landeskirche. Rund 500.000 Euro verbleiben bei der Diakonie. 200.000 Euro sind davon bereits als Spenden eingegangen.