Prügel für die Gattin: Opfer hofft auf mehr Hilfe bei häuslicher Gewalt
Eine Frau aus Heilbronn erfährt Gewalt in der Ehe und fordert eine juristische Reform, damit Opfer besser geschützt werden. Mit dieser Forderung ist sie nicht allein - und doch handelt es sich bei häuslicher Gewalt weiter um ein Tabu-Thema.
Zum Ende hin sei ihre Ehe ein Martyrium gewesen. Ihr Mann habe sie sowohl psychisch als auch physisch schwer verletzt. Als er eines der beiden Kinder geschlagen habe, verlässt die heute 52-Jährige mit ihnen das gemeinsame Haus.
Die Heilbronnerin habe ihn wegen Körperverletzung angezeigt. Eine Verurteilung habe es nie gegeben. Deshalb wendet sie sich an die Öffentlichkeit. "Ich möchte, dass Opfern von Gewalt in der Ehe geholfen wird", sagt sie in einem Gespräch mit der Heilbronner Stimme.
Opfer verzichten aus Scham und Angst auf Anzeige
Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Im Jahr 2013 wurden etwa 100.000 Frauen Opfer von Gewalt in Beziehungen. 2020 lag die Zahl bei knapp 120.000 - eine Steigerung um 20 Prozent. Und dies seien nur die bekannten Fälle. Das BKA geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Scham und Angst der Opfer seien in dem Bereich hoch.
Ein aggressives Verhalten ihres Mannes habe sich bereits kurz nach der Hochzeit im Jahr 2004 gezeigt, erzählt die Frau. Zunächst habe er sie nur verbal attackiert. "Du dumme Nuss war noch das Netteste." Mit der Zeit sei sein dominantes Verhalten immer deutlicher hervorgetreten. "Er wollte mich als sein Eigentum haben." Es habe die erste Ohrfeige gesetzt. Später habe es Schläge auf die Hand gegeben. Sie habe das als sehr demütigender Akt empfunden. "Ich bin nie darauf eingegangen."
Doch auch damit war es ihrem Mann nicht genug. Vor sechs Jahren würgt er sie das erste Mal. Nach außen habe sie immer die glückliche Ehefrau gegeben. Vor knapp zwei Jahren reißt er in einem "Wut- und Bestrafungsanfall", wie es die Frau nennt, an ihren Fingern. Sie erleidet an beiden Seiten Kapsel- und Bänderverletzungen. Drei Wochen trägt sie eine Schiene. "Ich habe immer wieder das Gespräch mit ihm gesucht und ihm erklärt, dass er Hilfe braucht." Er sei zunächst einsichtig gewesen. Eine Verhaltensänderung habe er jedoch nur von ihr verlangt.
An einer Strafverfolgung bestehe kein öffentliches Interesse
Es gibt diesen einen Tag an dem sie den Mut fasst, zur Polizei geht und ihren Ehemann wegen Körperverletzung anzeigt. Sie bringt Fotos von den Verletzungen mit, ärztliche Atteste, die Hämatome bestätigen. Die Polizei nimmt die Anzeige auf und übergibt an die Staatsanwaltschaft Heilbronn. Von dort erhält sie die etwas sperrige Nachricht, dass nur ihr Rechtsfrieden gestört sei und kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestehe. Die Behörde verweist auf den Privatklageweg. Allerdings verpasst die Frau eine dreimonatige Frist und muss die Klage zurückziehen. Kein Prozess, keine Strafe.
Allgemein, erklärt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Heilbronn, seien bei Gewaltdelikten in der Ehe oft keine weiteren Zeugen vorhanden. "Ehegatten haben per Gesetz zudem ein Zeugnisverweigerungsrecht, das auch nach einer Scheidung weiter besteht, und müssen einen beschuldigten Ehegatten nicht belasten." Stehen keine weiteren Beweismittel zur Verfügung, sei ein Verfahren einzustellen.
Für Alexandra Gutmann, Leiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses der Mitternachtsmission in Heilbronn, sollten Fälle von partnerschaftlicher Gewalt grundsätzlich von öffentlichem Interesse sein. Die Formulierung "kein öffentliches Interesse" empfinde sie als schwierig. "Das sollte sich ändern." In die Mitternachtsmission flüchten sich Frauen, denen Gewalt widerfahren ist oder denen Gewalt angedroht wurde. Oftmals sind sie in Begleitung ihrer Kinder. Im vergangenen Jahr haben 826 Frauen und Kinder in die Mitternachtsmission nach einem Platz gefragt, erklärt sie. Die Zahlen seien etwas gefallen.
Aus dem Tabu-Bereich herausholen
"Vor ein paar Jahren war es die Hölle", sagt die 52-Jährige. Deshalb habe sie ein großes Interesse an einer Strafverfolgung. Das hat auch Nico Weinmann. "Bei häuslicher Gewalt ist grundsätzlich von öffentlichem Interesse auszugehen", sagt der 49-jährige Heilbronner FDP-Landtagsabgeordnete und rechtspolitische Sprecher. Häusliche Gewalt müsse aus dem Bereich der Tabu-Themen herausgeholt werden. Dies sei eine elementare Aufgabe, die im Fachausschuss thematisiert und an Bundesjustizminister und Parteikollegen Marco Buschmann (45) adressiert worden sei.