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Was in Tätern und Opfern von häuslicher Gewalt vorgeht

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Wer die Partnerin schlägt, ist oft selbst ein unglücklicher Mensch, weiß Diplom-Psychologin Justine Glaz-Ocik. Es gebe Warnhinweise auf eine drohende Eskalation von häuslicher Gewalt.

Laut einer Expertin gibt es Warnhinweise auf eine drohende Eskalation von häuslicher Gewalt.
Laut einer Expertin gibt es Warnhinweise auf eine drohende Eskalation von häuslicher Gewalt.  Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Wie groß ist das Risiko, dass die Gewalt in einer Beziehung eskaliert? Was tun, damit nicht jemand tödlich verletzt wird? Die Kriminalpsychologin Justine Glaz-Ocik vom Institut Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt forscht im Bereich Stalking und schwere Gewaltdelikte. Das Institut nimmt Risikoeinschätzungen vor, berät Betroffene und schult Fachleute in Beratungsstellen.

 

Gibt es typische Merkmale für Opfer und Täter?

Justine Glaz-Ocik: Merkmale sind sehr statisch, wie eine Checkliste. Situationen und Risiken aber sind dynamisch. Allgemein gesprochen lässt sich sagen: Opfer kann jeder werden. Bei Tätern handelt es sich oft um unglückliche Personen, die einen Missstand erlebt haben. An dem bleiben sie kleben. Die Gedanken kreisen um diese Krise. Sie machen eine bestimmte Person als schuldig aus. Gewalt taucht als Option auf. Dazu kommt das subjektive Gefühl, alles verloren zu haben.

Krisen erleben alle Menschen im Laufe des Lebens. Deshalb wird man nicht automatisch gewalttätig.

Glaz-Ocik: Bei Partnergewalt besteht eine Art emotionale Abhängigkeit. Wenn ein Mann zum Beispiel denkt, dass die Partnerin ihn betrügt oder sie sich nicht so verhält wie gewünscht, haben Gewalttäter keine Strategie, damit umzugehen. Sie fühlen sich gekränkt. Sie entwickeln einen Tunnelblick. Ihre Aggressionsbereitschaft erhöht sich. An einem Tropfen entzündet sich ein Streit, es kommt zu einem Gewaltausbruch.

 

Es gibt auch gewalttätige Frauen.

Glaz-Ocik: In Partnerschaften kommt es oft zu wechselseitiger Gewalt. Bei Frauen ist es ähnlich wie bei Männern. Sie haben ein Ohnmachtsgefühl, sind gekränkt, verletzt. Sie können mit Wut und Kränkung nicht umgehen.

 

Gibt es Warnhinweise, dass häusliche Gewalt weiter zu eskalieren droht?

Glaz-Ocik: Betroffene von häuslicher Gewalt berichten uns oft, dass sie gespürt haben, dass sich etwas verändert. Sie hätten den Partner nicht mehr wie sonst beruhigen können. Auch die Gewalt selbst habe sich verändert. Sie sei mehr oder heftiger geworden mit stärkeren Verletzungen als Folge.

 


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Wann wird es lebensgefährlich?

Glaz-Ocik: Wenn Opfer zum Beispiel eine neue Qualität der Angst bei sich wahrnehmen. Oder wenn der Täter zu einer Waffe wie ein Messer greift und damit herumfuchtelt. Ein Warnhinweis kann auch sein, dass er Suizidgedanken äußert oder sagt: Ich bring" dich um.

 

Was können Menschen, die gewalttätig sind oder es zu werden drohen, tun?

Glaz-Ocik: Es gibt zunehmend mehr Beratungsstellen auch für Täter. Sie erhalten dort Unterstützung in einem geschützten Rahmen und sie setzen sich mit ihrem Verhalten und ihrem Selbstbild auseinander.

 

Warum lösen sich Betroffene oft schwer vom gewalttätigen Partner?

Glaz-Ocik: Sie erfahren Gewalt von einer Person, die sie lieben und bei der sie sich sonst geborgen fühlen. Mit diesem scheinbaren Widerspruch müssen sie umgehen. Es passiert nicht selten, dass das Umfeld Betroffene verurteilt und sagt: Trenn" dich! Wenn die Betroffenen das nicht schaffen, ist das für das Umfeld belastend. Enge Kontaktpersonen, die von der Gewalt wissen, resignieren und ziehen sich zurück. Der Kontakt etwa zwischen Freundinnen wird seltener. Die betroffene Person bleibt gänzlich allein.

 

Was kann jemand tun, der mitbekommt, dass es in einer Beziehung Gewalt gibt?

Glaz-Ocik: Wer enormen Krach in der Nachbarschaft hört, wenn Kinder schreien, sollte er auf jeden Fall die Polizei informieren. Wer bei einer Freundin den Verdacht hat, dass etwas nicht stimmt, könnte dies zum Beispiel in einem Vier-Augen-Gespräch ansprechen. Wichtig ist, dass derjenige wirklich interessiert ist, wie es der Person geht. Er sollte nicht gleich mit einer Lösung um die Ecke kommen.

 


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