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Hassbotschaften gegen Merkel laufen ins Leere

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Der Heilbronner AfD-Stadtrat Michael Seher muss sich für seine Facebook-Beiträge nicht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wird nicht ermitteln. Eine Hacker-Aktion ist weder nachweisbar noch ausgeschlossen.

Ausriss aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft an AfD-Stadtrat Michael Seher: Weil nicht explizit zu einer Straftat aufgerufen wird, werde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen.
Foto: Matthias Heibel
Ausriss aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft an AfD-Stadtrat Michael Seher: Weil nicht explizit zu einer Straftat aufgerufen wird, werde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen. Foto: Matthias Heibel  Foto: Heibel, Matthias

Die auf der Facebook-Seite des Heilbronner AfD-Stadtrats Michael Seher verbreiteten Hassbotschaften sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das ist das Ergebnis einer Prüfung durch die Staatsanwaltschaft Heilbronn, die kein Ermittlungsverfahren einleitet.

Es geht um einen Facebook-Post vom 19. Juli, der ein Bild des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg und einen Koffer zeigt, darüber der Text: "Merkel länger an der Macht als Hitler - und kein Stauffenberg in Sicht." CDU-Stadtrat und Bundestagsabgeordneter Alexander Throm wertete dies als Aufruf zu einem Mordanschlag, doch der AfD-Stadtrat Michael Seher will das Bild, wie berichtet, gar nicht dort platziert haben. Sein Facebook-Konto sei gehackt worden, erklärte er und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Allerdings räumte er ein, ein Foto mit blutverspritzten, zur Raute geformten Händen selbst gepostet zu haben. Überschrift: "Merkels Hände."

Hacker-Aktion: IP-Adresse kann nicht mehr zugeordnet werden

Das Facebook-Konto zeigt öffentlich keine kritischen Beiträge mehr. Ob es jemals gehackt wurde, konnte die Staatsanwaltschaft nicht klären. "Man konnte keinen Fremdzugriff nachweisen, aber auch nicht ausschließen", erklärt Staatsanwältin Bettina Jörg. Für die IP-Adressen gebe es nur eine kurze Speicherfrist von sieben Tagen. Die seien abgelaufen.

Fremdzugriff oder nicht, entscheidend ist ein anderes Ergebnis der Prüfung: Es liegt kein Ansatzpunkt für die Verfolgung einer Straftat vor. Zwar würde der Beitrag wohl gutheißen, wenn es einen Anschlag auf die Bundeskanzlerin geben würde, doch es fehle der Aufruf, der "zwingend erforderliche appellative Charakter", wie es Oberstaatsanwalt Martin Renninger formuliert.

Gesetz in den 80er-Jahren aufgehoben

Glücklich ist Renninger mit seiner eigenen Entscheidung nicht. "Es tut mir in der Seele weh, wenn Leute anschließend behaupten können, sie dürften so etwas mit Recht sagen." Doch ohne dass die obersten Richter hier die Verfassung anders auslegen, seien auch ihm die Hände gebunden. Einst gab es ein Gesetz, das bereits die "Befürwortung einer Straftat" im politischen Raum unter Strafe stellte. 1981 wurde es aufgehoben.

Lübcke-Mord ist für Throm eine Zäsur

Alexander Throm hat diesen Ausgang erwartet. "Das zeigt aber, dass wir hier Lücken in der Gesetzgebung haben." Der Staat sei in dieser Beziehung nicht wehrhaft genug. Trotzdem sei es ihm darum gegangen zu zeigen, "dass die Personen, die auch hier in Heilbronn in der AfD aktiv sind, keinesfalls bürgerlich sind".

In Bezug auf die sogenannte Hate Speech gebe es mit dem Mord an Politiker Walter Lübcke im Juni eine Zäsur. Seitdem könne man dazu nicht mehr schweigen. "Das eine mag die Strafbarkeit sein. Das andere ist die Widerlichkeit an sich."

Seher fühlt sich vorverurteilt

Für Michael Seher ist mit der Entscheidung alles gesagt. Ob er selbst oder ein anderer den Post verfasst habe, sei nach Darstellung der Staatsanwaltschaft unerheblich. "Hier kann ich mich nur anschließen", erklärt der AfD-Stadtrat auf Anfrage schriftlich. Was die Aussage des Posts mit der Merkel-Raute betrifft, teilt er mit: "Solange Gewalttaten durch Migranten entstehen, ändert sich nichts an meiner Meinung." Von der Heilbronner Stimme fühlt er sich vorverurteilt. Stadtratskolllege Throm habe versucht, ihn öffentlich vorzuführen.

 


Kommentar: Hetzer sind Täter

Konstruktive Sacharbeit hatte Michael Seher angekündigt, nachdem er in den Heilbronner Gemeinderat gewählt worden war. Mit der großen Politik habe man in Heilbronn doch nichts zu tun. Da passt es nicht wirklich zusammen, dass auf der Facebook-Seite "Michael Stadtrat Heilbronn" ein Beitrag nach dem anderen zu eben dieser großen Politik zu finden war. Teils hatte er sie dort selbst platziert, teils waren sie ihm von einem Hacker untergeschoben worden, so stellte es Seher dar. Wobei: Seit klar ist, dass das alles nicht strafbar ist, spielt auch dieser Punkt für ihn keine Rolle mehr.

Zwei Dinge hat er damit erreicht: Erstens bekam er jede Menge Aufmerksamkeit für seine Weltanschauung, für die er schließlich gewählt wurde. Zweitens kann er sich als Opfer stilisieren, das vorgeführt, vorverurteilt und unverschuldet an den Pranger gestellt wurde.

Als Hetzer ist man aber kein Opfer, sondern Täter. Man wiegelt auf, man stiftet Unfrieden. Es wiegt besonders schwer, dass sich Seher von seinen Facebook-Beiträgen nicht distanziert. Sie sind von der Seite verschwunden, doch seine Meinung zu Merkel und zu Flüchtlingen hat er ausdrücklich nicht geändert.

Also geht der Blick nach vorn. AfD-Stadträte erwarten einen konstruktiven und fairen Umgang. Dazu gibt es keine Alternative, die Auseinandersetzung muss in der politischen Diskussion stattfinden. Die Positionierung Sehers im politischen Spektrum ist dennoch Warnung. Der Gemeinderat darf nicht Bühne für extremistische Ansichten und Parolen werden.

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