Kippt ein Gericht die Strukturen für den Ärztlichen Notdienst? – Sorge in Brackenheim und Möckmühl
In Brackenheim und Möckmühl könnten die Notdienstzeiten durch einen anstehenden Gerichtsentscheid eingeschränkt werden. Wie sieht es in Notfallpraxen in Heilbronn und Bad Friedrichshall aus?

Ist die Notfallversorgung für die Bürger rund um Brackenheim und Möckmühl außerhalb der regulären Praxis-Öffnungszeiten sicher? Diese Frage treibt die Zuständigen im Zabergäu und im nördlichen Landkreis um. Denn ein Urteil, das in der kommenden Woche vom Bundessozialgericht (BSG) in Kassel erwartet wird, könnte sich auf die Versorgung dort auswirken. Ab dem 25. Oktober drohen womöglich Einschränkungen.
Notfallkonzept der Kassenärztlichen Vereinigung könnte kurzfristig greifen
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat ein Notfallkonzept entwickelt, das ab diesem Datum greifen könnte. Es sieht nach Auskunft von Andreas Hamberger, Internist in Heilbronn und Notdienstbeauftragter für den Stadt- und Landkreis Heilbronn, vor, die Öffnungszeiten der Notfallpraxis in Brackenheim zu reduzieren. Der Dienst der niedergelassenen Ärzte am Standort Möckmühl könnte vorübergehend ganz wegfallen, so Hamberger weiter.
Die Versorgung in Heilbronn, wo die Notfallpraxis am Klinikum am Gesundbrunnen angesiedelt ist, würde demnach nicht eingeschränkt. "Sonst würde die Zentrale Notaufnahme am SLK-Klinikum noch mehr zulaufen", sagt Hamberger. Auch für Bad Friedrichshall dürften sich nach seiner Einschätzung kurzfristig keine Änderungen der Dienstzeiten ergeben.
KV-Sprecher warnt vor zu großer Sorge: Die Vorinstanz habe im Sinne der Ärzte entschieden
Kai Sonntag, Sprecher der KV in Stuttgart, warnt vor zu großen Ängsten. Die Vorinstanz, das Landessozialgericht, habe schließlich im Sinne der KV entschieden. "Wir werden sehen, was rauskommt", so Sonntag. Vor zehn Jahren hat die KV im Land ein sogenanntes Poolarztverfahren etabliert. Damit wurde es möglich, dass Ärzte ohne Kassenzulassung – also zum Beispiel Ruheständler oder Klinikärzte – in selbstständiger Tätigkeit Notdienste im Auftrag der KV übernehmen. Praxisärzte sollten so entlastet werden.
Das Konstrukt hat auch Qualitätsgründe. Denn eine Reihe von Facharztgruppen, zum Beispiel Pathologen oder Laborärzte, haben im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit keine Berührung mit medizinischen Notfällen. Trotzdem wären sie als eingetragene KV-Ärzte rein formal dazu verpflichtet, Notdienste zu übernehmen. Poolärzte sind bislang stattdessen eingesprungen.
Ein Zahnarzt hat geklagt
Das System steht jetzt auf der Kippe. Grund dafür ist die Klage eines Zahnarztes aus dem Land. Als Konsequenz hat das BSG nun darüber zu befinden, ob Vertreter im zahnärztlichen Bereitschaftsdienst selbstständig tätig sind oder einer abhängigen Beschäftigung nachgehen. Damit bestünde eine Versicherungspflicht. Weil die Struktur im allgemeinärztlichen Dienst ähnlich ist, könnte von dem Urteil Präzedenzwirkung ausgehen.
In einem Schreiben der KV an die Poolärzte, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es, die KV werde "mit sofortiger Wirkung" die Tätigkeit der Poolärzte beenden, sollte durch die Entscheidung eine Versicherungspflicht entstehen - weniger aus Kostengründen, sondern weil der so entstehende organisatorische Aufwand nicht zu stemmen sei, so die KV. Andreas Hamberger rechnet mit "sehr viel Unmut", sollte das System gekippt werden. Dann seien alle KV-Ärzte formell verpflichtet, selbst die Dienste zu übernehmen - auch wenn sie ansonsten keine Notfall-Erfahrung hätten.
Doppelte Strukturen
Die Struktur der Notfallversorgung ist komplex, unter anderem wegen der Trennung zwischen stationärem und ambulantem Bereich, also Klinik und Praxis. Die niedergelassenen Ärzte organisieren selbstständig den ärztlichen Notdienst für Zeiten, in denen die Praxen geschlossen sind. Die Bereitschaftspraxen sollen erste Anlaufstelle für Patienten sein, die Notaufnahmen der Kliniken sind für besonders schwere Fälle gedacht. Doch Patienten wenden sich oft aus Unkenntnis an die falsche Versorgungsebene. vbs



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