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Sorge um Notdienst der niedergelassenen Ärzte: Drohen bald kürzere Öffnungszeiten der Notfallpraxen?

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Ein bevorstehendes Gerichtsurteil könnte sich auf die medizinische Versorgung in Brackenheim und Möckmühl auswirken. Was der Verein Ärztlicher Notfalldienst der Politik vorwirft.

Die Notfallpraxis ist in diesem Neubau auf dem früheren Krankenhausgelände in Brackenheim untergebracht.
Foto: Archiv/Müller
Die Notfallpraxis ist in diesem Neubau auf dem früheren Krankenhausgelände in Brackenheim untergebracht. Foto: Archiv/Müller  Foto: Müller

Die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gefürchtete Sozialversicherungspflicht für Poolärzte im ärztlichen Bereitschaftsdienst könnte Wirklichkeit werden: Am 24. Oktober soll das Bundessozialgericht (BSG) entscheiden, ob Zahnärzte, die freiwillig im Notdienst der KV tätig sind, als abhängig beschäftigt eingestuft werden. Von dem Urteil könnte Präzedenzwirkung für den gesamten ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgehen, sagt die KV. In der Folge wäre womöglich der ärztliche Notdienst grundlegend neu zu regeln.

Gestützt wird das notfallmedizinische Versorgungssystem der KV im Land (KVBW) von rund 3.000 Poolärzten. Das sind beispielsweise Ruheständler oder Klinikärzte, die freiwillig und in Vereinbarung mit der KV Dienste in den rund 120 Notfallpraxen übernehmen. Dadurch entlasten sie die niedergelassenen Ärzte, die Notfallambulanzen der Kliniken und den Rettungsdienst. Die Notfallpraxen werden entweder von der KV getragen oder sind vereinsgeführt - so wie die Notfallpraxis in Brackenheim.


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Notdiensten der Arztpraxen droht Sozialversicherungspflicht

In Abstimmung mit der Deutschen Rentenversicherung waren Poolärzte bisher als Selbstständige von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen. Mit dem BSG-Urteil könnte sich das ändern. Doch ein Angestelltenverhältnis mit den Poolärzten einzugehen, könne sie nicht leisten, sagt die KV - und zwar vor allem wegen des organisatorischen Aufwands wie Urlaubsregelungen, Arbeitszeitregelungen, Krankheitsvertretung, Haftungsfragen oder Personalverwaltung.

Noch ist nichts entschieden. Auf das Szenario einer möglichen Sozialversicherungspflicht für Poolärzte hat sich die KVBW jedoch eingestellt. Sie arbeite intensiv daran, die Notfalldienste zu gewährleisten, heißt es von dort. Im ungünstigsten Fall würde die KV nach dem 24. Oktober kurzfristig mit einer Notbremse reagieren. Bedeutet: Weil die Vertragsärzte den Notdienst nicht allein stemmen können, würden in manchen Notfallpraxen die Öffnungszeiten gekürzt.

Poolärzte sollen weiterhin Dienste übernehmen

In der Region wäre davon die Notfallpraxis in Brackenheim betroffen. Andere Standorte, wie Möckmühl, müssten vorübergehend geschlossen werden, so das mögliche Szenario. Mittelfristig müsse man abwarten, welche Regelungen die schriftliche Urteilsbegründung vorsieht, so die KV. "Uns ist wichtig, dass Poolärzte langfristig weiterhin eine Vertretung übernehmen können", sagt ihr Sprecher Kai Sonntag. Ohne die Poolärzte könne der Notfalldienst in Baden-Württemberg in seiner derzeitigen Form nicht weitergeführt werden. Und das, obwohl das seit Jahrzehnten bewährte Poolarztmodell Vorbildcharakter habe: "Es ist wichtig, die bestehende Struktur in sinnvoller Art und Weise aufrecht zu halten."


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Das wirft der Verein Ärztlicher Notfalldienst der Politik vor

Durch eine Sozialversicherungspflicht für Poolärzte würden die bewährten und austarierten Versorgungsstrukturen des Notfalldienstes "mutwillig zerstört", kritisiert Malte Schirrmann, Vorsitzender des Vereins Ärztlicher Notfalldienst Landkreis Heilbronn Süd. "Die Politik hat es aus unserer Sicht versäumt, rechtzeitig eine entsprechende Regelung zu schaffen, damit der allgemeine ärztliche Notdienst nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt", so Schirrmann weiter. Unter eingeschränkten Öffnungszeiten würden letztlich die Patienten leiden.

Aber auch hinter den Poolärzten stünden Existenzen, betont Schirrmann. Sollte die befürchtete Entscheidung fallen, würden die Abläufe für den Verein komplizierter, was es auch schwieriger machen dürfte, künftig Ärzte zu finden, die sich engagieren, so die Sorge. Auch für die eigentlich zum Dienst verpflichteten KV-Vertragsärzte könnte die Umstellung eine Mehrbelastung bedeuten. Sie müssten unter Umständen zusätzlich zum Praxisalltag mehr Bereitschaftsdienste leisten – und deshalb ihre Praxis am nächsten Tag schließen.

Reduzierte Öffnungszeiten

Ein Notdienstverein ist Träger der Notfallpraxis in Brackenheim. Dort ist der Anteil der Poolärzte mit rund 95 Prozent sehr hoch. Die Praxis zu schließen komme wegen der großen Inanspruchnahme nicht infrage, sagt der Vorsitzende Malte Schirrmann. Quartalsweise würden über 2600 Patienten versorgt. Sollte die Notbremse greifen, wäre die Praxis am Wochenende statt zwölf Stunden in Präsenz voraussichtlich nur von 10 bis 16 Uhr geöffnet.

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