Frühkindlicher Autismus, Krebs und Kredite: Alicia und ihre Eltern kämpfen mit Schicksalsschlägen
Die 13-jährige Alicia Mayer lebt mit frühkindlichem Autismus. Die Stimme-Redaktion begleitet ihre Entwicklung bereits seit zehn Jahren. Die Familie kämpft mit den Kosten für eine Therapie – und mit der Krebserkrankung der Mutter.

Alicia Désirées Finger schwebt über der hölzernen Schablone, Angela Mayer-Geiger stützt die Hand ihrer Tochter. Hintereinander tippt Alicia die Buchstaben an: D-E-L-F-I-N, das F berührt sie zwei Mal. Die 13-Jährige freut sich. Bald wird sie wieder echte Delfine treffen und mit ihnen schwimmen.
Alicia lebt mit einer schweren Form von frühkindlichem Autismus. Ihre Entwicklung ist stark beeinträchtigt, Einflüsse prasseln ungefiltert auf sie ein. Das setzt die 13-Jährige unter Dauerstress, sie schläft und isst kaum. Alicia ist rund um die Uhr auf Pflege und Unterstützung angewiesen. Seit ihrer Diagnose 2014 kämpft ihre Familie um spezielle Hilfsmittel und Therapien, die von den Krankenkassen nicht bezahlt werden.
Familie hofft auf Spenden: Delfintherapie für Mädchen mit frühkindlichem Autismus
Im Juni will die Familie wieder in die Türkei fliegen, wo Alicia vor fast zehn Jahren erstmals eine Delfintherapie machte. Logopädie, Reiten oder Musik - kaum eine Therapieform habe bei ihr solch sichtbare Fortschritte erzielt wie das Schwimmen mit den Säugetieren, sagt Alicias Mutter: "Sie sprach danach ihr erstes Wort, die Löffelführung war besser, sie war ruhiger." Die Familie erhofft sich weitere Entwicklungssprünge. Alicia möchte sprechen lernen, sich nicht nur über Laute mitteilen können. Zwei Stiftungen hätten die Finanzierungen für die Delfintherapie für einen begrenzten Zeitraum zugesagt, doch die Gesamtkosten über 14.000 Euro sind damit nicht gedeckt. Die Familie will einen Flohmarkt ausrichten und hofft zusätzlich auf Spenden.
Seit Alicias Diagnose erfuhr die Familie immer wieder Unterstützung. Über die Jahre gab es Spendenaktionen, die kleinere Hilfswellen auslösten. Doch die Summen versickern schnell und lösen die Probleme nicht dauerhaft. Die Familie steht im Minus, weiß nicht, wie sie die Kredite abbezahlen soll. Das Pflegegeld reicht bei weitem nicht für die Hilfsmittel, die Alicia benötigt: ein Pflegebett oder ein behindertengerechtes Auto. "Wir sprechen von Kosten, die die meisten Menschen nicht nachvollziehen können", sagt Angela Mayer-Geiger.
Frühkindlicher Autismus und Krebs: Weitere Schicksalsschläge für die Familie
Sie und ihr Mann Sven Mayer stehen am Ende ihrer Kräfte, körperlich wie psychisch. Bei ihr wurde Krebs diagnostiziert, die Metastasen breiten sich aus, sie hat Panikattacken. Er darf nach einem Leistenbruch nicht mehr als Maurer arbeiten. Bis zu seiner Umschulung muss die Familie nun noch größere finanzielle Löcher stopfen. Wenn Alicia hört, was ihre Eltern erzählen, verzieht sich ihr Gesicht zu einem schmerzhaften Ausdruck. Sie versteht alles.
Für Angela Mayer-Geiger und Sven Mayer zählt nichts mehr, als ihren Lebensinhalt ihrer kranken Tochter zu widmen. Gemeinsame Zeit für sich oder als Paar bleibt ihnen kaum. Ihren beiden anderen Kindern wollen sie nicht zumuten, ihr Leben einzuschränken. "Wir machen das gern", betont Angela Mayer-Geiger, doch sie müssten an die Zukunft denken, auch weil sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert. Alicia soll selbstständiger werden, um vielleicht einmal in einer Einrichtung unterzukommen.
Auch mit Autismus hat Alicia Spaß am Flirten
Die Reise erlaubt es der Familie, kurz aus ihrem von Sorgen bestimmten Alltag ausbrechen. Von Urlaub ist keine Rede. "Es ist eng getaktet", weiß Angela Mayer-Geiger. Zumindest soll Zeit bleiben für Alicia und ihre Schwester Ayleen, sich nach Männern umzuschauen. "Alicia flirtet gern", sagt ihre Mutter lachend. Dann entfährt dem willensstarken Mädchen ein Laut, er klingt wie "Huiii".
Die Familie leidet unter Gerüchten, dass sie das Geld nicht für Alicia ausgeben, sondern für sich einbehalten würde. Angela Mayer-Geiger verletzt dieses Misstrauen, schließlich berichtet sie in einem Blog über den Alltag, postet Fotos der Kosten für Erwachsenenwindeln und Pflegedienstleistungen. Tatsächlich trifft man die Familie in ärmlichen Verhältnissen an. "Wir laden alle ein, uns zu besuchen und zu sehen, wie wir leben", sagt die 47-Jährige. Gekommen sei noch keiner.
Infos zur Delfintherapie und zu Spenden auf Anfrage per E-Mail an angelalauffen@web.de


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