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Flächenschutz und Nachfrage nach neuen Siedlungsflächen: Wie geht das zusammen?

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Stapeln statt immer neue Flächen zu versiegeln sei das Gebot der Stunde, erklärt Thomas Preuß vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. Auch beim Thema Wasser müssen Städte umdenken.

Gleisbett der Stadtbahn in der Heilbronner Moltkestraße, im Vordergrund begrünt, im hinteren Bereich betoniert.
Gleisbett der Stadtbahn in der Heilbronner Moltkestraße, im Vordergrund begrünt, im hinteren Bereich betoniert.  Foto: Veigel, Andreas

Die Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeflächen in Ballungsräumen nimmt stetig zu. Doch der Klimaschutz und die Notwendigkeit, Städte besser an Klimafolgen wie Stark-regen und Hitzestaus anzupassen, stehen der Ausweisung immer neuer Siedlungsflächen entgegen. Wie dieser Konflikt minimiert werden kann, erklärt Thomas Preuß vom Forschungsbereich Umwelt des Deutschen Instituts für Urbanistik.

 

Die zunehmend dichte Bebauung in Städten sei angesichts der wachsenden Gefahr von Extremwettern ein Problem, mahnt der Gesamtverband der Versicherer. Was sagen Sie?

Thomas Preuß: Die Tatsache, dass sich die Versicherer damit beschäftigen, zeigt, wie virulent das Thema ist. Wir haben in Deutschland eine rasant zunehmende Flächenversiegelung für Wohnen, Gewerbe, Industrie und Verkehrszwecke. In Baden-Württemberg, das die Rangliste anführt, sind über 50 Prozent der Siedlungsflächen versiegelt, häufig mit Häusern oder Straßen mit Asphalt oder Beton. Das sind Flächen, wo keinerlei Wasser versickern kann.

 


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Warum ist das ein Problem?

Preuß: Bei Starkregen, wie wir ihn seit 20 Jahren immer häufiger erleben, versickert zu wenig Wasser. Es fließt stattdessen an der Oberfläche ab und dringt in Häuser ein, die unter Umständen sogar wegschwimmen. Vorhersagen kann man solche Ereignisse viel schlechter als klassische Flusshochwasser, bei denen man berechnen kann, wann der Scheitelpunkt der Flut erreicht ist. Bei Hitze liegt die Temperatur auf völlig versiegelten Flächen einige Grad über der in der Umgebung. Dieser Raum wird für die Bewohner zunehmend unerträglich.

 

Klimawäldchen Theresienwiese. Hier wurde der Asphalt geöffnet, teilt die Stadt mit. Am Heilbronner Wollhaus wurde Erde auf die versiegelte Fläche geschüttet.
Klimawäldchen Theresienwiese. Hier wurde der Asphalt geöffnet, teilt die Stadt mit. Am Heilbronner Wollhaus wurde Erde auf die versiegelte Fläche geschüttet.  Foto: Veigel, Andreas

Was ist zu tun?

Preuß: Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die an mancher Stelle auch schon umgesetzt werden, das Prinzip der Schwammstadt zum Beispiel. Dabei wird leistungsfähige grün-blaue Infrastruktur stärker in die Städte integriert, zum Beispiel durch Sickermulden auf den Grundstücken, an Straßenrändern oder in öffentlichen Grünflächen. Diese nehmen das Wasser auf und geben es dann kontrolliert und langsam in den Boden ab. Auch begrünte Dächer halten Wasser und sorgen für Verdunstung und damit Kühlung. Das Gebot der Stunde ist, das Wasser möglichst lange in der Stadt zu halten, statt es schnell wegzuleiten, wie das bisher üblich war. Die Kanalisationen sind für solche großen Mengen an Wasser, wie sie bei Starkregenereignissen innerhalb kürzester Zeit vom Himmel kommen, oft nicht ausgelegt.

 

Grün fürs Stadtklima: Die Dächer der Bus-Wartehäuschen im niederländischen Utrecht sind begrünt.
Grün fürs Stadtklima: Die Dächer der Bus-Wartehäuschen im niederländischen Utrecht sind begrünt.  Foto: picture alliance/dpa/Gemeente Utrecht | Barbra Verbij

Schwer vorstellbar, wie solch große Mengen über längere Zeit in der Stadt zurückgehalten werden sollen.

Preuß: Das erfordert eine geschickte Straßen- und Freiraumplanung. Man kann zum Beispiel Wasser in tiefer liegende Auffangbecken in nahegelegenen Parkbereiche ableiten. Auch Bolzplätze oder Liegewiesen können für diese Zwecke multifunktional umgewidmet werden. Die Niederlande haben da schon viel Vorarbeit geleistet. In Hamburg wurden für die multifunktionale Straßenraumgestaltung in urbanen Quartieren die sogenannten Blue-Green-Streets entwickelt.

 

Wie sollte moderne Straßenplanung aussehen?

Preuß: Straßen, auf denen an beiden Straßenrändern bisher Fahrzeuge parken, werden umgebaut, es werden dort Mulden mit sogenannten Rigolen eingebaut, in denen das Wasser abfließen kann. Oben liegt Substrat, in das Sträucher, Stauden und Bäume gepflanzt werden. Darunter befindet sich ein Reservoir für das Sickerwasser, das durchwurzelbar werden kann. Der Wurzelraum und das Reservoir enthalten Kiesschüttungen.

 


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Begrüntes Bürogebäude In der Düsseldorfer Innenstadt. Die Hecken sollen das Mikroklima verbessern.
Begrüntes Bürogebäude In der Düsseldorfer Innenstadt. Die Hecken sollen das Mikroklima verbessern.  Foto: IMAGO / blickwinkel

Was ist bei der Ausweisung neuer Gewerbegebiete zu beachten?

Preuß: Gerade in Ballungsgebieten, in denen die Gewerbeflächen sehr knapp sind, kommt man weg von den klassischen eingeschossigen Hallen früherer Jahre. Bei Büroimmobilien ist es ohnehin kein Problem, in die Höhe zu bauen. Inzwischen gibt es aber auch gute Konzepte für Gewerbeimmobilien, wie zum Beispiel das Konzept des Urban Sandwich aus Stuttgart, mit dem die Flächeneffizienz durch Stapelung gewerblicher Nutzung gesteigert werden soll. Auch die klassischen Supermärkte mit vielen Parkplätzen auf ebener Fläche daneben sollten eigentlich Vergangenheit sein. Sie fressen Flächen, bedeuten Versiegelung und sind außerdem oft dort gelegen, wo man ohne Auto schwer hinkommt.

 

In der Region gibt es dafür noch nicht viele Beispiele.

Preuß: In Stuttgart, Karlsruhe und anderen Städten mit großem Siedlungsdruck schon. Die klassischen eingeschossigen Supermärkte werden ersetzt durch Geschosswohnungsbau. Ins Erdgeschoss zieht dann der Supermarkt. Dazu gibt es in der Regel noch eine Ladezone und eine kleine Tiefgarage. In eigentlich allen Städten existieren da noch große Potenziale, wenn man diese seit den 1970er-Jahren gängige Praxis der eingeschossigen Supermärkte auflöst.

 

Thomas Preuß
Thomas Preuß  Foto: privat

Wie sieht es in Sachen Wohnbau aus?

Preuß: Auch da geht der Trend zu mehrgeschossigen Neubauten statt Ein- oder Zweifamilienhäusern. Letztere stehen zwar immer noch weit oben auf der Wunschliste, werden aber gerade in hochpreisigen Regionen für viele zu teuer. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang sind die Ressourcen in Form von Beton, anderen Baustoffen und Energie, die ein klassisches Einfamilienhaus verbraucht. Wenn man den normalen Lebenszyklus betrachtet, ist es irgendwann viel zu groß, aber gleichzeitig sehr schlecht umzubauen. Jeder von uns kennt doch Fälle von älteren Menschen, die allein in einem riesigen Haus leben, das ihnen eigentlich eine Bürde ist, während junge Familien händeringend nach Wohnraum suchen.


Zur Person

Der Diplom-Ingenieur Thomas Preuß leitet das Team "Ressourcen und Immissionsschutz" im Forschungsbereich Umwelt des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin (Difu).

 
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