Ex-Vorständen der Volksbank Heilbronn droht Ungemach
Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ein Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Vorstandsmitglieder aufgenommen wird. Schadenersatzforderungen des Instituts könnten folgen. Die genossenschaftliche Sicherungseinrichtung musste zig Millionen Euro übernehmen.

Für die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Volksbank Heilbronn könnten spekulative Geschäfte in den Jahren 2009 bis 2015 strafrechtliche Konsequenzen haben. Es werde derzeit geprüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, bestätigt die Staatsanwaltschaft Heilbronn eine Meldung der "Rhein-Neckar-Zeitung". Es stehen Straftatbestände wie Untreue im Raum. Gleichzeitig läuft eine Untersuchung der Bank, ob sie selbst Regressansprüche geltend machen kann.
Fusion mit den Nachbarn steht bevor
Derzeit läuft die Fusion der Volksbank Heilbronn mit der VR Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim zur VR Bank Heilbronn Schwäbisch Hall, die Anfang Juli vollzogen wird. Dass die einst stolze Heilbronner Genossenschaftsbank 112 Jahre nach ihrer Gründung ihre Selbstständigkeit aufgeben muss, geht direkt auf die Vorkommnisse zurück, über die inzwischen auch zahlreiche überregionale Zeitungen berichteten.
"Zocken am Neckar" titelte die "FAZ", "Wie man eine Volksbank ruiniert" erklärte die "Börsen-Zeitung". Namentlich im Fokus: Der ehemalige Vorstandschef Thomas Hinderberger und der ehemalige Vertriebsvorstand Jürgen Pinnisch. Ein weiteres beteiligtes Vorstandsmitglied starb 2016.
Großes Risiko, große Verluste
Das "Handelsblatt" berichtete früh über die risikoreichen und halblegalen Wertpapierleihgeschäfte, sogenannte Cum-Cum-Deals, sowie die Zinswetten, an denen sich sonst vor allem Großbanken beteiligten. Die eigentlich so bodenständige Heilbronner Volksbank machte mit - und wurde von sinkenden Zinsen überrascht und von Steuernachforderungen eingeholt.
Das Risiko, das die ehemaligen Vorstände eingingen, lohnte sich damit nicht. Die Bank geriet in Schieflage und die Altlasten wurden zuletzt sogar durch die Sicherungseinrichtung des genossenschaftlichen Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken BVR übernommen.
VR Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim pochte auf "reinen Tisch"
60 Millionen bis 80 Millionen Euro waren dazu notwendig, wird berichtet, auf jeden Fall eine hohe achtstellige Summe. Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht. Zudem mussten 20 Millionen Euro an Rücklagen aufgelöst werden. Nur so war der starke Nachbar, die VR Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim, bereit, in die ungleiche Ehe zu gehen.
"Sollten sich weitere Risiken ergeben, ist das ebenfalls über die Garantie der Sicherungseinrichtung abgedeckt", erklärt Eberhard Spies, derzeit noch Vorstandsvorsitzender der VR Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim und künftig Chef der fusionierten VR Bank.
Derzeit wird alles noch untersucht
Seit dieser Woche prüft also die Staatsanwaltschaft, ob sie Ermittlungen aufnimmt. Bis wann eine Entscheidung zu erwarten ist, sei derzeit nicht absehbar, erklärte eine Sprecherin gegenüber der Stimme. Mehrere Wochen dürfte es auf jeden Fall dauern.
Unabhängig davon könnte die Bank auch noch Schadenersatzforderungen gegen die ehemaligen Vorstände geltend machen. VW hat es - unter den gänzlich anderen Vorzeichen des Dieselskandals - gerade vorgemacht.
"Die Untersuchungen laufen, wir können dazu nichts sagen", erklärt VR-Bank-Chef Spies. Die Ergebnisse dürften allerdings auch für die Staatsanwaltschaft interessant sein. "Bislang ist die Staatsanwaltschaft gegenüber der Volksbank nicht in Erscheinung getreten", so Spies, der betont, formal noch gar nicht zuständig zu sein. Allerdings sei der Heilbronner Vorstandsvorsitzende Wolfgang Mauch derzeit in Urlaub und verlasse das Unternehmen in wenigen Tagen.
Spies: "Es gilt die Unschuldsvermutung"
Die Darstellung mancher Medien, dass hier von Anfang an rücksichtslos gezockt wurde, gehe sicher zu weit, so Spies. Er warnt: "Es gilt die Unschuldsvermutung."
Dieser Grundsatz beziehe sich nicht nur auf den Vorstand. An zweiter Stelle hat der Aufsichtsrat eine Kontrollaufgabe. Hat diese Kontrolle versagt? Ebenso wird die Rolle des Wirtschaftsprüfers, das ist der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband, unter die Lupe genommen.
Beachtliche Risiken bereits in der Bilanz 2012
Derivate nennt man am Finanzmarkt Instrumente, mit denen Wetten auf bestimmte Entwicklungen abgeschlossen werden können. Wer zum Beispiel von einem sinkenden Goldpreis profitieren möchte, kann sich ein entsprechendes Derivat kaufen. Das Problem: Sinkt der Goldpreis nicht, drohen hohe Verluste. Es handelt sich um ein sogenanntes Hebelprodukt.
Ähnlich sieht es bei den Zins-Swaps aus, mit denen sich die Volksbank Heilbronn im großen Stil verspekuliert hat. Der "Börsen-Zeitung" zufolge summierten sich 2012 die Zinsderivate des Instituts, die damals als "Sicherungsinstrumente" bezeichnet wurden, auf 308 Millionen Euro, das außerbilanzielle Geschäft insgesamt auf 493 Millionen Euro und damit auf das 3,4-Fache des damaligen Eigenkapitals der Bank.



Stimme.de
Kommentare
am 18.06.2021 06:52 Uhr
als Mitglied der Volksbank habe ich mir wegen der immer wieder sehr wohlwollenden Berichterstattung schon lange die Augen gerieben. Endlich ein Artikel, der einmal Ansatzweise den Finger dahin legt wo er hingehört. Vorstand und Kontrollgremien habe sträflich versagt. Loyalität aufgrund der Mitgliedschaft in einem Serviceclub befreit nicht von der Aufsichtspflicht. Schon die steingewordene Überheblichkeit in der Allee hat mit Gumbels Genossenschaftsbank nichts gemein. Nun steht man unter der Aufsicht der Kollegen aus Hohenlohe, welch eine Schmach für einen Beratungsresistenten ehemaligen Vorstand dieser Bank. Es wurde nicht nur Anlagevermögen vernichtet. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Jürgen Mosthaf